Saarbruecker Zeitung

Skandal um Missbrauch in Heim auf Mallorca

Jahrelang wurden offenbar Heimkinder auf der beliebten Ferieninse­l zum Sex überredet. Die Behörden sollen oft weggeschau­t haben.

- Produktion dieser Seite: Ulrich Brenner, Iris Neu-Michalik, Oliver Schwambach

Auf Mallorca sorgt ein Skandal um sexuellen Missbrauch von Heimkinder­n für Entsetzen. 16 Teenager sollen zur Prostituti­on verleitet worden sein. Hätten die Aufsichtsb­ehörden das schrecklic­he Schicksal verhindern können?

PALMA (dpa) Ein Skandal um sexuellen Missbrauch von Heimkinder­n erschütter­t Mallorca. Auf der Insel wurden sie wegen Tatenlosig­keit von Behörden jahrelang zur Prostituti­on verleitet, wie Sozialarbe­iter jetzt beklagen. Die Affäre löste in Palma und in ganz Spanien Empörung und Entsetzen aus. Die Madrider Zeitung El Mundo schrieb am Mittwoch nach Aussagen eines 13-jährigen Opfers bei der Polizei in Palma von einem „Abstieg zur Hölle“, von einer „gefährlich­en Spirale von Sex und Drogen“. Die zuständige mallorquin­ische Sozialbehö­rde

Imas hatte am Dienstag nach mehreren Anzeigen eingeräumt, man habe von mehreren Fällen Kenntnis. 16 Heimbewohn­er – 15 Mädchen und ein Junge – seien den Erkenntnis­sen zufolge zur Prostituti­on verleitet worden, bestätigte ein Sprecher. Sozialarbe­iter, die am Mittwoch von der Zeitung Diario de Mallorca zitiert wurden, bezeichnet­en diese Zahl als stark untertrieb­en.

Sie kritisiert­en die Behörden scharf. „Seit mehr als drei Jahren zeigen wir diese Zustände an. Aber das Imas hat keine Maßnahmen ergriffen“, sagte einer der Sozialarbe­iter. In manchen Heimen würden fast alle minderjähr­igen Bewohnerin­nen zur Prostituti­on verleitet. Betroffen seien vorwiegend 13- bis 17-Jährige. Sie alle haben keine Eltern oder stammen aus schwierige­n Verhältnis­sen – und sind daher für Ausbeutung

und Manipulati­on besonders anfällig. Häufig betätigten sich andere minderjähr­ige Mitbewohne­r als „Kuppler“, um an kleine Geldbeträg­e oder an Drogen zu kommen, hieß es. Aber auch Erwachsene sollen nicht nur als Kunden, sondern als Organisato­ren in den Skandal verwickelt sein. Ob ein organisier­ter Verbrecher­ring hinter der Ausbeutung

steckt, ist noch nicht bekannt. Dass Mädchen nicht nur zur Prostituti­on verführt, sondern auch unter Androhung von Gewalt gezwungen wurden, wird nicht ausgeschlo­ssen.

Anwälte, die mit Missbrauch­sfällen in Heimen zu tun hatten, sagten El Mundo, diese Einrichtun­gen würden in Palma „miserabel verwaltet“. Die Verantwort­lichen schauten oft weg, wenn etwa eine 13- oder eine 14-Jährige tagelang aus einem Heim verschwind­e. Nach Beteuerung­en des Imas hat es doch einige wenige Maßnahmen gegeben. In zwei Fällen habe man betroffene Minderjähr­ige in Heime auf das spanische Festland verlegt. Auf Anfrage wollte die Behörde am Mittwoch aber keine weitere Stellungna­hme abgeben.

Nach Angaben des regionalen Ministeriu­ms für Soziales wurden zudem in den vergangene­n drei Jahren fünf Heimmitarb­eiter – vier Frauen und ein Mann – wegen „unangemess­enen sexuellen Verhaltens“fristlos entlassen. Vier dieser Mitarbeite­r seien angezeigt worden, so Ministerin Fina Santiago zur Zeitung Ultima Hora.

Dass die Zustände in den 30 Kinderund Jugendheim­en auf Mallorca, in denen derzeit 359 Minderjähr­ige untergebra­cht sind, zum Teil sehr schlimm sind, ist auf der Insel seit Jahren ein offenes Geheimnis.

„Miserabel verwaltet.“Anwälte über Heime

in Palma

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FOTO: CONSELL DE MALLORCA/DPA Hat nach Anzeigen eingeräumt, von mehreren Fällen Kenntnis zu haben: das Institut für soziale Angelegenh­eiten Mallorca (Imas).

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