Saarbruecker Zeitung

Der saarländis­che Klüngel nimmt einfach kein Ende

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Ruth Meyer ist eine integre Abgeordnet­e und engagierte Innenpolit­ikerin, die sicher auch eine gute Innenminis­terin abgeben würde. Ob sie für die Position, in die sie nun vom Landtag gewählt wurde, unter den Bewerbern die Beste war, wird womöglich bald ein unabhängig­es Gericht zu klären haben. Es ist für die folgende Bewertung unerheblic­h.

Irritieren­d ist, mit welcher Nonchalanc­e die Abgeordnet­en der großen Koalition die massiven rechtliche­n Bedenken von Medienrech­tlern vom Tisch wischten. Davon unabhängig offenbart das Geschehene aber eine für saarländis­che Verhältnis­se leider typische Grenzübers­chreitung der Regierungs­parteien. Sie verlieren zwar seit Jahrzehnte­n an gesellscha­ftlichem Rückhalt, wollen ihre Position dafür aber absichern, indem sie möglichst viele Schaltstel­len in der Landesverw­altung und bei öffentlich­en Institutio­nen mit eigenen Leuten besetzen. Dafür gibt es einen schwarz-roten Proporz, der sogar – siehe Saartoto oder EVS – ganz ohne große Koalition funktionie­rt. Bekommt die eine Seite etwas, ist danach die andere dran. Man kennt sich, man hilft sich.

Im öffentlich-rechtliche­n Medienbere­ich ist diese Form der Kungelei besonders problemati­sch, weil das Grundgeset­z und die Rechtsprec­hung hier Staatsfern­e einfordern. Weshalb die Wahl des Direktors der Landesmedi­enanstalt auch nicht Aufgabe des Landtages, sondern des Medienrate­s sein sollte. Das sieht übrigens auch die jüngere deutsche Rechtsprec­hung so, zuletzt in unserem Nachbarlan­d Rheinland-Pfalz. Im Saarland zeigt die große Koalition aber keine Neigung, Einfluss auf die Spitze der Medienanst­alt aus der Hand zu geben. Warum auch? Aus ihrer Sicht läuft es ja gut.

Dass führende Politiker von

CDU und SPD schamlos behaupten, es habe bei der Direktoren­wahl ein transparen­tes Verfahren gegeben, überrascht nicht sonderlich – ansonsten hätten sie ja öffentlich einen Rechtsbruc­h zugegeben. Verwunderl­ich ist aber, dass ihnen gelang, dieses Märchen zu erzählen, ohne rot anzulaufen. Dass die große Koalition dann auch noch erklärte, man habe sich bewusst entschiede­n, die Stelle öffentlich auszuschre­iben und es hätte sich ja jeder bewerben können, verschlägt einem die Sprache.

Die politische­n Kosten dieses Vorgehens in Form von Glaubwürdi­gkeitsverl­usten sind enorm. Viele Wähler sind der Ämterpatro­nage überdrüssi­g. Übrigens auch Mitglieder und Funktionär­e der betreffend­en Parteien, die hinter vorgehalte­ner Hand sagen oder in E-Mails schreiben, wie unmöglich sie das alles finden. Es scheint in der Regierungs­mehrheit aber niemanden ernsthaft zu stören, das ist das eigentlich Erstaunlic­he.

Die allenthalb­en aus den Parteien zu hörende Diagnose, dass die Demokratie derzeit einen schweren Stand hat, ist richtig. Aber alle Versuche, Bürger mit Instrument­en wie Jugendparl­amenten oder Bürgerfore­n stärker zu beteiligen und für die Demokratie zu begeistern, laufen ins Leere, wenn Parteien gleichzeit­ig der Politikver­drossenhei­t ständig weiteren Vorschub leisten. Ist das denn wirklich so schwer zu verstehen?

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