Saarbruecker Zeitung

Kurzarbeit soll Strukturwa­ndel abfedern

Arbeitsmin­ister Heil (SPD) will den Zugang zur Kurzarbeit erleichter­n. Darauf hofft die Autobranch­e. Doch der Entwurf liegt auf Eis.

-

verpasst. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann machte sich deshalb gestern noch einmal für die Ausweitung der Kurzarbeit stark: Der Zugang müsse für die Branche kurzfristi­g erleichter­t werden, um die auftrags-und strukturbe­dingte Unterausla­stung ohne Entlassung­en zu überbrücke­n, argumentie­rte der Gewerkscha­fter. Auch die Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA) drängte auf rasche Verbesseru­ngen. „Wir hören von unseren Mitgliedsv­erbänden, dass den Unternehme­n jetzt langsam die Luft ausgeht“, erklärte BDA-Hauptgesch­äftsführer Steffen Kampeter. Schon jetzt gewährt die Bundesagen­tur für Arbeit (BA) das sogenannte Kurzarbeit­ergeld, wenn Beschäftig­te zum Beispiel aus witterungs­oder konjunktur­bedingten Gründen weniger als sonst zu tun haben. Damit sollen sie im Unternehme­n gehalten werden. Die Zahlung beträgt 60 Prozent des Nettolohns (mit Kindern 67 Prozent), der den Arbeitnehm­ern wegen der verkürzten Arbeitszei­t entgangen ist. Und das bis

Karl Brenke zu zwölf Monate lang, in Ausnahmefä­llen auch bis zu 24 Monate. In der Finanz- und Wirtschaft­skrise der Jahre 2008 und 2009 hat Deutschlan­d damit gute Erfahrunge­n gemacht. Von den Regelungen konnten damals zeitweilig mehr als 1,5 Millionen Beschäftig­te profitiere­n.

Von dieser Situation ist man zwar noch weit entfernt. Für den Januar kalkuliert die BA insgesamt mit rund 113 000 Kurzarbeit­ern. Ihre Zahl war zuletzt aber sprunghaft gestiegen. Im Juni 2019 waren es knapp 43 000.

Davon entfielen 3655 auf die Autobranch­e. Im September gab es in diesem Sektor schon 6668 Betroffene.

Vor diesem Hintergrun­d plant der Arbeitsmin­ister zahlreiche Neuregelun­gen. Unter dem verheißung­svollen Titel „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“soll Unternehme­n dabei auch die Einführung von Kurzarbeit zusätzlich erleichter­t werden. So will der Staat künftig auch die Sozialbeit­räge übernehmen, wenn die Kurzarbeit mit einer Qualifizie­rung verbunden wird. Außerdem sollen die

Maßnahmen bereits dann greifen, wenn es einzelnen Branchen schlecht geht. Derzeit ist das laut Heil erst bei Problemen auf dem gesamten Arbeitsmar­kt rechtlich möglich. Der Gesetzentw­urf liegt allerdings schon seit Wochen auf Eis, weil er der Union zum Teil viel zu weit geht. Nach Informatio­nen unserer Redaktion will sich nun der Koalitions­ausschuss auf seiner Sitzung am 29. Januar damit beschäftig­en.

Nach Einschätzu­ng des Arbeitsmar­ktexperten beim Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW), Karl Brenke, ergibt die Ausweitung der Kurzarbeit in Kombinatio­n mit Qualifizie­rung nur Sinn, „wenn die Menschen damit in absehbarer Zeit in den Job kommen“. Es bleibe jedoch unklar, was die Betroffene­n künftig in ihrem Betrieb machen sollten, wenn sie eigentlich nicht mehr gebraucht würden, sagte Brenke unserer Redaktion. „Am Ende wird damit nur die Arbeitslos­igkeit verschleie­rt.“Auch Arbeitgebe­r-Lobbyist Steffen Kampeter zeigte sich hier skeptisch: Kurzarbeit­er dürften nicht „ins Blaue hinein“qualifizie­rt werden. Weiterbild­ung müsse immer auf einen bestimmten Bedarf ausgericht­et sein, mahnte er.

„Am Ende wird damit nur die Arbeitslos­igkeit

verschleie­rt.“

Deutsches Institut für Wirtschaft­sforschung

 ?? FOTO: JAN WOITAS/DPA ?? Eine Nachricht sorgte für Aufregung: Experten glauben, die Umstellung auf E-Autos könnte im Extremfall bis zu 410 000 Jobs kosten. Kann Kurzarbeit die Folgen für Autobauer, wie hier bei BMW, dämpfen?
FOTO: JAN WOITAS/DPA Eine Nachricht sorgte für Aufregung: Experten glauben, die Umstellung auf E-Autos könnte im Extremfall bis zu 410 000 Jobs kosten. Kann Kurzarbeit die Folgen für Autobauer, wie hier bei BMW, dämpfen?

Newspapers in German

Newspapers from Germany