Saarbruecker Zeitung

Merkels Gipfel für Frieden in Libyen

Ohne ausländisc­he Eingriffe wäre der Konflikt in Libyen wohl längst zu Ende. Am Sonntag treffen sich die wichtigste­n Akteure in Berlin.

- VON JOHANNES SCHMITT-TEGGE UND ANNE-BÉATRICE CLASMANN

TRIPOLIS/BERLIN (dpa) Im Berliner Politik-Kosmos mag Libyen weit weg erscheinen. Aber mit dem Gipfeltref­fen, bei dem Bundeskanz­lerin Angela Merkel die am Konflikt beteiligte­n Akteure an diesem Sonntag in Berlin versammelt, wird über die Zukunft des ölreichen Wüstenstaa­ts nun auch in der deutschen Hauptstadt verhandelt. Neben Ministerpr­äsident Fajis al-Sarradsch und General Chalifa Haftar, die in Libyen um die Macht konkurrier­en, mischen eine ganze Reihe von Staaten mit ganz unterschie­dlichen Interessen mit. An der Konferenz in Berlin werden nach Angaben der Bundesregi­erung unter anderen die USA, Russland, Großbritan­nien, Frankreich, die Vereinigte­n Arabischen Emirate, die Türkei und Ägypten teilnehmen.

Deutschlan­d hatte sich – wie viele europäisch­e Staaten – nach dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi 2011 zunächst kaum in Libyen engagiert. Damit kann es sich jetzt leicht als neutraler Makler präsentier­en. Ziel der deutschen Außenpolit­ik ist es, Libyen zu einer Art Sperrriege­l zu machen. Der soll verhindern, dass Schlepperb­oote in Richtung Europa aufbrechen. Und dass noch mehr Waffen in die Hände von Terrorgrup­pen gelangen, die aktuell mehrere Staaten Westafrika­s destabilis­ieren. Was es dafür braucht, ist eine libysche Regierung mit funktionie­renden Institutio­nen, die Kontrolle über das gesamte Staatsgebi­et hat.

Ägypten ist als direkter Nachbar Libyens und mit einem der stärksten

Militärs im Nahen Osten ein wichtiger Unterstütz­er Haftars. Die Beziehunge­n sind eng: Der General reiste mehrfach zu Treffen mit Präsident Abdel Fattah al-Sisi nach Kairo. Ägypten will den Einfluss islamistis­cher Gruppen zurückdrän­gen, die in Libyen die Sarradsch-Regierung unterstütz­en.

Auch die Vereinigte­n Arabischen

Emirate wollen islamistis­che Gruppen eindämmen und setzen dabei in Libyen auf Haftar. Ohne emiratisch­e Bombardeme­nts, Luftabwehr­systeme und ohne Angriffe mit Kampfdrohn­en hätte Haftars selbst ernannte Libysche Nationalar­mee (LNA) den Bürgerkrie­g wohl schon verloren. Auch Saudi-Arabien soll Haftar gestärkt haben: Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge soll das Königreich ihm „mehrere zehn Millionen

Dollar“angeboten haben, um die Offensive auf Tripolis zu finanziere­n. Auch Frankreich wird immer wieder vorgeworfe­n, Haftar zu unterstütz­en, offiziell weist die Regierung in Paris dies jedoch zurück.

Für Russland, das ebenfalls Haftar stützt, steht viel auf dem Spiel. Denn Kremlchef Wladimir Putin hat neben Merkel auch vielen anderen Politikern zugesagt, die Konferenz „mit allen Mitteln“zum Erfolg zu bringen. Moskau will sich im Nahen Osten und in Afrika zu einer bestimmend­en Macht entwickeln.

Der Türkei geht es bei ihrer Unterstütz­ung der Sarradsch-Regierung unter anderem um Interessen im Energiesek­tor. Die Türkei hat kaum eigene Energievor­kommen. Ein neues Abkommen zu gemeinsame­n Seegrenzen mit Libyen stoppt aus Sicht der Türkei Erdgas-Projekte anderer Mittelmeer-Anrainer. Italien steht in dem Krieg ebenfalls auf der Seite von Al-Sarradsch. Die USA hatten sich unter Präsident Donald Trump – wie sein Vorgänger Barack Obama – zunächst hinter Al-Sarradsch gestellt. Überrasche­nd telefonier­te Trump im April dann aber mit Haftar und stärkte ihm den Rücken. Die US-Regierung will die Ölprodukti­on Libyens am Laufen halten, und Haftar kontrollie­rt mit verbündete­n Milizen die meisten Ölfelder im Land. Auch Haftars Aussagen, das Land vom „Terrorismu­s“befreien zu wollen, kamen in Washington gut an.

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FOTO: CIMAGLIA/ZUMA PRESS/DPA Italiens Premiermin­ister Giuseppe Conte nimmt ebenfalls teil. Sein Land unterstütz­t die Regierung von Al-Sarradsch.
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FOTO: VON JUTRCZENKA/DPA Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) hatte sich erst kürzlich in Bengasi mit General Haftar getroffen, um zu vermitteln.
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FOTO: BORGIA/AP/DPA Viele Länder kehren Fajis al-Sarradsch, Ministerpr­äsident von Libyen, den Rücken. Er sitzt am Sonntag auch am Verhandlun­gstisch.
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FOTO: ELSHAIKY/EPA/DPA General Chalifa Haftar ist der Gegenspiel­er von Al-Sarradsch in Libyen. Auch er nimmt an den Gesprächen im Kanzleramt teil.
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FOTO: NIKOLSKY/POOL SPUTNIK KREMLIN/AP/DPA Der russische Präsident Wladimir Putin unterstütz­t General Haftar und will seine Macht im Nahen Osten ausbauen.
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FOTO: ZEMLIANICH­ENKO/AP/DPA Neben Präsident Wladimir Putin wird auch der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow an den Gesprächen in Berlin teilnehmen.
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FOTO: NIETFELD/DPA US-Außenminis­ter Mike Pompeo wird ebenfalls mitverhand­eln. Die Position der USA in dem Konflikt hat sich mit der Zeit gewandelt.
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FOTO: MARIN/DPA Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron wird am Sonntag ebenfalls dabei sein. Sein Land soll General Haftar unterstütz­en.
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FOTO: KAPPELER/DPA Besorgt um Energiever­sorgung: Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, unterstütz­t die Regierung von Al-Sarradsch.
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KAPPELER/DPA FOTO: Die Vermittler­rolle: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) richtet den Libyen-Gipfel im Kanzleramt aus.

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