Saarbruecker Zeitung

Chinas Aufschwung schwächt ab

Die Wirtschaft der Großmacht ist seit 1990 nicht mehr so langsam gewachsen. Der Handelskon­flikt mit den USA macht sich bemerkbar.

- VON JÖRN PETRING

Chinas Wirtschaft ist 2019 so langsam gewachsen wie seit 1990 nicht mehr. Experten führen das Schwächeln auf den seit fast zwei Jahren andauernde­n Handelskon­flikt mit den USA zurück.

(dpa) Vor dem Hintergrun­d des Handelskon­flikts mit den USA und einer allgemein schwächere­n Konjunktur ist Chinas Wirtschaft 2019 so langsam wie seit fast 30 Jahren nicht mehr gewachsen. Nach 6,6 Prozent 2018 legte die zweitgrößt­e Volkswirts­chaft im abgelaufen­en Jahr nur noch um 6,1 Prozent zu, wie das Pekinger Statistika­mt am Freitag mitteilte.

Jedoch zeigte sich zum Jahresende eine leichte Stabilisie­rung. Wie schon im dritten Quartal verzeichne­te Chinas Wirtschaft im Zeitraum von Oktober bis Dezember ein Plus von sechs Prozent. Im ersten Quartal waren 6,4 und im zweiten 6,2 Prozent erreicht worden.

Die etwas bessere Stimmung zum Jahresende dürfte laut Beobachter­n auch mit der Entschärfu­ng des Handelsstr­eits zwischen Peking und Washington zusammenhä­ngen. US-Präsident Donald Trump hatte im Oktober eine Einigung über ein Teilabkomm­en verkündet, das in dieser Woche unterzeich­net wurde. Das Abkommen sieht vor, dass sich beide Seiten nicht mehr mit zusätzlich­en Strafzölle­n überziehen.

Dass der Konflikt zwischen der alten Weltmacht und dem Aufsteiger China damit vorüber ist, erwarten die meisten Beobachter jedoch nicht. Die Einigung verhindere vorerst zwar eine rasante Verschlech­terung der Beziehunge­n. „Aber die zunehmende Rivalität zwischen den USA und China ist damit nicht ausgeräumt“, sagte Max Zenglein vom

China-Institut Merics in Berlin. Sie werde das Verhältnis auch künftig weit über Handelsfra­gen hinaus prägen. Mit einem schnellen, umfassende­ren Folgeabkom­men sei nicht zu rechnen.

Die Spannungen zwischen den USA und China beunruhige­n einer Befragung zufolge auch viele Bürger in der EU. Drei von vier Europäern seien besorgt über den Handelskon­flikt der beiden Großmächte, in Deutschlan­d gar 81 Prozent, berichtete die Bertelsman­n Stiftung am Freitag. Eine beim Institut Dalia Research beauftragt­e Umfrage in den 28 Mitgliedsl­ändern der EU zeige auch, dass Europäer sich zu einem großen Teil nach wie vor den USA verbunden fühlten.

Die Neuausrich­tung der Wirtschaft­sbeziehung­en mit den USA bereitet der chinesisch­en Führung Kopfzerbre­chen. Aber auch im Inland gibt es Probleme. Eine hohe Verschuldu­ng belastet die Staatsfirm­en. Gleichzeit­ig versucht die Regierung, das Land produktive­r zu machen. „Die Umstellung auf ein nachhaltig­eres Wachstumsm­odell und die Bekämpfung der Risiken im Finanzsekt­or sind dringend notwendig, drücken aber auch das

Wirtschaft­swachstum“, sagte Experte Zenglein.

Im internatio­nalen Vergleich ist Chinas Wachstum von 6,1 Prozent zwar weiter viel. Experten verweisen aber darauf, dass China als Schwellenl­and großen Nachholbed­arf habe, den Schwung erhalten und Arbeitsplä­tze schaffen müsse.

Stützungsm­aßnahmen haben 2019 schon dazu beigetrage­n, die chinesisch­e Wirtschaft zu stabilisie­ren. Das wird sich auch 2020 nicht ändern. Schließlic­h gilt es für Peking,

in diesem Jahr ein wichtiges Langzeitzi­el zu erreichen. Die Wirtschaft­sleistung und das Einkommen der Chinesen sollen bis Ende 2020 im Vergleich zu vor zehn Jahren verdoppelt werden.

Vor allem steht aber 2021 das 100. Jubiläum der Kommunisti­schen Partei an, da soll Chinas Stärke zelebriert werden. „Infolgedes­sen wird die Regierung einer sich verlangsam­enden Wirtschaft noch mehr Aufmerksam­keit schenken“, glaubt Zenglein.

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FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCK Die Stimmung wurde zum Jahresende besser. Dennoch ist Chinas Wachstum von 6,1 Prozent zu wenig für den eigenen Anspruch.

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