Saarbruecker Zeitung

Für die Landwirtsc­haft braucht es neue Spielregel­n

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Wie sich die Bilder auf den ersten Blick gleichen. Am Freitag haben passend zur Grünen Woche wieder unzählige Bauern mit ihren Traktoren halb Berlin lahmgelegt, um gegen die Politik der Bundesregi­erung zu demonstrie­ren; weil sie sich unverstand­en und überforder­t fühlen. Schluss mit der Gängelung. Diesen Samstag wiederum gehen tausende Bürger auf die Straße, um eine umweltfreu­ndliche, am Tierwohl orientiert­e Agrarwirts­chaft zu fordern. Schluss mit der Massentier­haltung. Alle haben es irgendwie satt, freilich aus unterschie­dlichen Gründen. Und derzeit spricht noch nicht viel dafür, dass sich das ändert.

Es gibt aber nicht „die“Landwirtsc­haft, genauso wenig „den“Verbrauche­r und schon gar nicht die gute Öko- und die schlechte konvention­elle Bauernscha­ft. Diese Debatte ist überholt, weil sich die Produktion­ssysteme längst weiterentw­ickelt haben und vieles in Richtung Verzahnung strebt. Öko allein macht auch nicht glücklich, denn dafür ist der Markt nicht da. Und wer heute noch glaubt, dass eine ökonomisie­rte Landwirtsc­haft nicht auch die ökologisch­en und sozialen Folgen ihres Tuns im Blick haben muss, der irrt.

Der Kern des Konflikts ist doch ein anderer: Wie kann eine Landwirtsc­haft wirtschaft­lich überleben, wenn sie die Anforderun­gen der Politik und auch die formuliert­en Bedürfniss­e der Bürger erfüllen soll? Wohlgemerk­t, sie sind nur formuliert – denn genügend Konsumente­n sind schnell dabei, zu bekunden, mehr Geld für gute Lebensmitt­el bezahlen zu wollen.

Und in der Praxis landet dann doch Billigflei­sch auf dem Tisch. Und wie kann eine Landwirtsc­haft in Zukunft durchhalte­n, wenn die großen Lebensmitt­elketten die Regeln des Marktes bestimmen, mit Dumpingpre­isen

und Eigenmarke­n sich der fairen Entlohnung entziehen? Kurzum: Der Agrarsekto­r braucht endlich neue Spielregel­n, damit die entstanden­en Parallelwe­lten wieder zueinander finden. Sie müssen an einem Tisch verhandelt werden, wie schon für den Automobil- und den Energieber­eich geschehen. Denn die Landwirtsc­haft ist ebenfalls eine tragende Säule des Wohlstands dieses Landes.

Eine Voraussetz­ung dafür ist allerdings, dass man auch Einverstän­dnis über die Fakten erzielt. Etwa über die Beiträge, die die Landwirtsc­haft zu wesentlich­en Umweltprob­lemen leistet – wie die Emission von Treibhausg­asen, der Rückgang der Artenvielf­alt und der Nitratbela­stung des Grundwasse­rs. Weitere Voraussetz­ung ist, dass Verbrauche­r akzeptiere­n, dass bessere Lebensmitt­el auch höhere Preise bedeuten, und Bauern nicht per se als Tierquäler oder Umweltzers­törer hingestell­t werden dürfen. Drittens braucht es eine Politik, die den neuen gesellscha­ftlichen Dialog dann fördert und endlich für mehr Planungssi­cherheit sorgt.

Für CDU-Agrarminis­terin Julia Klöckner wird das neue Jahr somit zu einer großen Bewährungs­probe. Die Voraussetz­ungen erscheinen günstig: Keine Landtagswa­hl steht an, kein Bruch der Koalition droht, auch wenn die SPD agrarpolit­isch weiter einen eigenen Kurs fährt. Klöckner ist gewillt, den Dialog mit allen anzugehen. Das ist gut so. Wenn alle auch mitmachen.

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