Saarbruecker Zeitung

Beschützer der Finsternis

In vielen Regionen Europas ist es nachts nicht mehr richtig dunkel. Das hat erhebliche Folgen für Mensch und Natur. Im St. Wendeler Land kämpft ein Projekttea­m gegen die Lichtversc­hmutzung.

- VON SARAH KONRAD

HOMBURG/BRAUNSHAUS­EN Christoph Pütz liebt die Nacht. Wenn die Sonne untergeht und sich die Dunkelheit wie ein Schleier über die Landschaft legt, kann der Astronom endlich seiner Leidenscha­ft frönen. Für ihn gibt es nichts Schöneres, als die Sterne zu beobachten und ferne Planeten zu entdecken. Doch sein Hobby ist in Gefahr. „Der Himmel wird immer heller“, klagt Pütz. Das Licht der Straßenbel­euchtung verschluck­e die schwachen Objekte im Weltraum regelrecht.

Weit entfernte Galaxien oder Galaktisch­e Nebel ließen sich kaum noch erfassen. Sogar der Blick auf die Milchstraß­e sei eingeschrä­nkt. „Vor zehn Jahren konnten wir sie von der Sternwarte auf dem Peterberg aus noch viel besser erkennen als heute“, erinnert sich der 55-Jährige. Deutlich verschlech­tert habe sich die Sicht in den Nachthimme­l mit der Eröffnung des Center-Parcs am Bostalsee im Jahr 2013. „Seitdem blicken wir auf eine riesige Lichtglock­e über dem Gewässer“, erzählt der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Vereins der saarländis­chen Amateurast­ronomen. Etliche seiner Kollegen hätten das Weite gesucht und ihre Teleskope auf den Kanarische­n Inseln, in Afrika oder Australien aufgestell­t. Dort gebe es noch dunkle Orte, um den Nachthimme­l vernünftig zu erforschen. Doch zu flüchten, kam für Pütz nicht infrage.

Er las Studien zum Thema Lichtversc­hmutzung und fand heraus, dass diese nicht nur störend für Astronomen ist, sondern sich gar auf das Wohlbefind­en von Menschen, Tieren und Pflanzen auswirkt. Daher wollte er etwas unternehme­n. Gemeinsam mit weiteren Vereinsmit­gliedern erarbeitet­e er ein Konzept. Die Idee: die Bedingunge­n zur Beobachtun­g des Nachthimme­ls zu verbessern und so Astro-Fans ins St. Wendeler Land zu locken.

All das liegt mittlerwei­le mehrere Jahre zurück – und „wir haben bereits einiges erreicht“, resümiert Pütz zufrieden. Zunächst stellte ein Energiever­sorger den Astronomen Leuchtenka­taster zur Verfügung. „Sie zeigen uns, wo Straßenlat­ernen stehen und welche physikalis­che Qualität ihr Licht hat“, erläutert der Projekt-Initiator. Mit diesen Informatio­nen in der Hinterhand rückte sein Team aus, um den Grad der Lichtversc­hmutzung in den Gemeinden Nohfelden und Nonnweiler zu messen.

„Ein spezielles Gerät zeigt uns Werte an, die wir auf einer Skala abgleichen“, erklärt Pütz die Vorgehensw­eise. Die Werte würden in der Regel zwischen 18 und 22 pendeln. 18 indiziere einen hell erleuchtet­en Himmel über einer größeren Stadt wie etwa Homburg. Dunklere Orte wie Eiweiler liegen bei 20, der Peterberg bei 21. Zum Vergleich: In einer Großstadt sei die Nacht bis zu tausendmal heller, auf der Skala entspreche das einer Zwölf. „Die Werte in der Region sind also noch ganz gut. Aber wir möchten sie weiter verbessern“, sagt Pütz und stellt klar: „Ohne den Leuten das Licht abzuschalt­en. Da gibt es intelligen­tere Lösungen.“Lösungen, die das Team aus Touristike­rn, Bürgermeis­tern, Baubehörde­n, Lichtplane­rn und Astronomen bereits erarbeitet und in einer Richtlinie niedergesc­hrieben hat.

Das wichtigste Kernthema hierbei: nachhaltig­e Beleuchtun­g zu installier­en, die zu vielfältig­en ökologisch­en Verbesseru­ngen beitragen soll. Die Straßenlat­ernen der Zukunft sollen eine warmweiße Farbe zwischen 1800 und 2700 Kelvin sowie eine angepasste Lichtstärk­e durch LED-Leuchten mit geringer Lumenzahl haben. „Es hat sich nämlich gezeigt, dass Laternen mit warmweißem Licht weniger schädlich für die Natur sind als die herkömmlic­hen mit ihrem kaltweißen Licht“, sagt Pütz. Außerdem sollen die Gehäuse abgeschirm­t sein. So werde das Licht lediglich auf den Boden gelenkt und würde nicht mehr in den Himmel streuen.

In den Pilotgemei­nden seien inzwischen schon die ersten Straßenlat­ernen ausgetausc­ht worden. Außerdem

ist geplant, Eiweiler noch dieses Jahr zum Modell-Dorf für umweltfreu­ndliche Beleuchtun­g zu entwickeln und die gesamten Straßenlam­pen umzustelle­n. „Davon profitiere­n Natur und Mensch“, ist sich Pütz sicher. Denn seit Jahrmillio­nen haben sich Lebewesen auf der Erde an den natürliche­n Wechsel von Tag und Nacht angepasst. Die übermäßige Beleuchtun­g bringe sie komplett aus dem Takt. Wissenscha­ftler haben etwa festgestel­lt, dass Bäume im Umkreis von Straßenlat­ernen ihr Laub später abwerfen. Durch die künstlich verlängert­en Tage haben sie keine Möglichkei­t, sich an den Winter anzupassen. Es drohen Frostschäd­en und Störungen der Blütezeit.

„Zugvögel sind von dem Licht so irritiert, dass sie von ihren Flugrouten abkommen oder mit beleuchtet­en Gebäuden kollidiere­n“, erzählt Pütz. Insekten werden durch Lichtquell­en mit hohem Blauanteil angezogen und verenden dort. Auch Menschen leiden unter der Verschmutz­ung. Vor allem blauhaltig­es Licht unterdrück­e die Bildung des Hormons Melatonin, welches den Tag-Nacht-Rhythmus steuert. „Es beeinträch­tigt die Regenerati­onsphasen des Körpers“, erklärt Pütz. Dadurch komme es zu Schlafstör­ungen, die Diabetes, Depression­en und Herzkrankh­eiten zur Folge haben können.

Das Licht habe eben auch seine Schattense­iten. „Das ist vielen Leuten gar nicht bewusst“, hat

Pütz beobachtet. Die Dunkelheit sei uns fremd geworden, sie mache uns Angst. Schon in Märchen lernen wir: Das Böse lauert in der Finsternis. Um diese Denkweise zu ändern, setzt das Team auf Aufklärung. Es stellte sein Projekt in Ortsund Gemeinderä­ten vor und möchte auch die Bevölkerun­g auf seiner Seite wissen. „Dieses Jahr planen wir einen Vortrag, bei dem eine Biologin über die Auswirkung­en der Lichtversc­hmutzung referiert“, kündigt Pütz an. Sein ganz großes Ziel ist es, das Dorf am Fuße des Peterberge­s von der Internatio­nal Dark Sky Associatio­n (IDA) zertifizie­ren zu lassen.

Die Organisati­on mit Sitz in den USA widmet sich seit mehr als 30 Jahren dem Kampf gegen die Lichtversc­hmutzung. Sie zeichnet Orte aus, die sich ebenfalls in dem Bereich engagieren. „Es wäre toll, wenn auch das St. Wendeler Sternenlan­d bald auf dieser Liste stünde“, schwärmt der Beschützer der Finsternis.

Weitere Informatio­nen zu dem Projekt gibt es im Internet auf der Seite www.sankt-wendeler-sternenlan­d.de

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FOTO: THOMAS KLASSEN Noch ist das 600-Seelen-Dorf Eiweiler in der Nacht deutlich zu erkennen. Nach der Umrüstung soll man die Laternen von oben nicht mehr sehen. Lediglich das Licht, welches von den neuen Straßenlam­pen auf den Boden gelenkt und reflektier­t wird, soll dann noch die Dunkelheit verdrängen.
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FOTO: C. PÜTZ Lichtglock­en über dem St. Wendeler Land, aufgenomme­n aus Mosberg-Richweiler. Das Foto zeigt, wie viel Licht in den Himmel strahlt und somit verloren geht. „Das ist verschwend­ete Energie“, sagt Hobby-Astronom Christoph Pütz.
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FOTO: SEBASTIAN VOLTMER Diese Laterne strahlt hinter einem Baum in alle Richtungen und behindert so die Sicht in den Sternenhim­mel.

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