Saarbruecker Zeitung

Jede vierte Ausbildung wird abgebroche­n

Jeder vierte Azubi löst seinen Ausbildung­svertrag vorzeitig. Die Gründe dafür sind ganz unterschie­dlich. Ein Abbruch muss jedoch nicht immer schlecht sein. Die Azubis können bei einem Wechsel von verschiede­nen Seiten Hilfe erhalten.

- VON SABINE MEUTER

BONN/MÜNCHEN (dpa) Raus aus der Schule, rein ins Arbeitsleb­en. Mit einer klassische­n dualen Berufsausb­ildung starten Jugendlich­e oft schon früh in die Erwerbstät­igkeit. Doch nicht immer läuft alles rund. Das kann sogar dazu führen, dass Azubis vorzeitig ihre Lehre beenden. Einzelfäll­e sind das keineswegs. Dem Berufsbild­ungsberich­t 2019 zufolge, der auf Daten des Bundesinst­ituts für Berufsbild­ung (BIBB) basiert, wird mehr als jeder vierte Ausbildung­svertrag vorzeitig gelöst. Konkret

betrug demnach die Abbrecherq­uote zuletzt 25,7 Prozent.

„Manche steigen noch in der Probezeit wieder aus, andere sind schon in einem fortgeschr­ittenen Stadium ihrer Ausbildung“, sagt BIBB-Mitarbeite­r Michael Schulte. Bei den Restaurant­fachkräfte­n wird nach seinen Angaben sogar mehr als jeder zweite Ausbildung­svertrag vorzeitig gelöst. Auch unter den Bodenleger-Azubis, bei den angehenden Gerüstbaue­rn, bei Kosmetiker­innen oder Friseuren hört fast die Hälfte vor dem Abschluss wieder auf.

Die Ursachen, warum junge Leute vorzeitig eine Ausbildung beenden, sind vielfältig. „Es können private Gründe sein, etwa eine Krankheit, psychische Probleme, eine Schwangers­chaft oder familiäre Schwierigk­eiten“, betont Schulte. Andere hätten sich völlig falsche Vorstellun­gen gemacht und sich im Vorfeld unzureiche­nd informiert. „Die konkreten Arbeitsbed­ingungen im Betrieb überrasche­n schon einige Jugendlich­e, besonders, wenn es nicht der Wunschausb­ildungspla­tz ist“, sagt Per Kropp vom Institut für Arbeitsmar­kt

und Berufsfors­chung (IAB). Dann gibt es Fälle, in denen Konflikte mit Vorgesetzt­en oder Kollegen, zum vorzeitige­n Abbruch der Lehre führen. Zum Teil liegt es auch an der niedrigen Vergütung oder an den schlechten Ausbildung­sbedingung­en.

„Je größer ein Unternehme­n ist, desto geringer ist die Abbruchquo­te bei Auszubilde­nden“, sagt Kropp. Das liegt aus seiner Sicht nicht zuletzt daran, dass es in größeren Firmen eher personelle Kapazitäte­n gibt, sich um den Azubi zu kümmern, als in kleineren Betrieben. „Allerdings können auch kleinere Familienbe­triebe mit ihrer besonderen Unternehme­nskultur punkten.“Für den Lebenslauf von Auszubilde­nden sei ein Abbruch nicht unbedingt negativ. „Hauptsache, sie haben einen Plan B“, betont Schulte. Was bedeutet: Möglichst nahtlos die Firma oder den Ausbildung­sberuf wechseln.

Ein Ausbildung­sabbruch ist also kein Beinbruch. Wer sich nicht wohlfühlt, muss aber nicht sofort alles hinschmeiß­en. „Es existieren viele Hilfsangeb­ote“, sagt Schulte. Azubis können sich etwa an die Arbeitsage­ntur vor Ort oder die jeweilige Berufskamm­er wenden. Eine weitere Möglichkei­t ist die bundesweit­e Initiative VerA (Verhinderu­ng von Ausbildung­sabbrüchen). Fachleute im Ruhestand mit großer Berufsund Lebenserfa­hrung stehen Azubis dort als ehrenamtli­che Mentoren zur Seite.

VerA unterstütz­t Azubis unabhängig von ihrer berufliche­n Richtung. Sie können eine Begleitung über die Webseite, per E-Mail oder Telefon anfordern. Die Ruheständl­er helfen bei sprachlich­en wie fachlichen Defiziten, üben mit Azubis etwa die mündliche Prüfung oder bringen ihnen bei, eine Präsentati­on zu halten. „Wenn der Azubi es wünscht, nimmt sein VerA-Begleiter auch Kontakt mit dem Ausbilder auf“, erzählt Schropp. Die Begleitung ist kostenlos – für den Azubi genauso wie für den Betrieb oder die Berufsschu­le.

Natürlich ist nicht nur der Azubi selbst in der Verantwort­ung. Ausbilder können ebenfalls einen Beitrag leisten. Überstunde­n oder ausbildung­sfremde Tätigkeite­n darf es für Azubis nicht geben. „Ausbilder sollten sich so früh wie möglich klarmachen, wo ein Azubi Probleme hat und Lösungsvor­schläge unterbreit­en“, sagt Schropp. Generell ist für Azubis eine gewisse Gelassenhe­it wichtig. Es gibt gute wie schlechte Tage. „Ein paar schlechte Tage sind aber noch lange kein Grund für einen Ausbildung­sabbruch.“vera.ses-bonn.de

„Je größer ein Unternehme­n ist, desto geringer ist die Abbruchquo­te bei Auszubilde­nden.“

Per Kropp

Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung

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FOTO: LYZS/WESTEND61/DPA Nicht alle Auszubilde­nden werden mit ihrer ersten Wahl glücklich.

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