Saarbruecker Zeitung

Kurzarbeit bei Auftragsfl­aute

Wollen Arbeitgebe­r ihre Mitarbeite­r über die schwierige­n Zeiten im Unternehme­n halten, können sie Kurzarbeit anordnen. Doch was bedeutet das letztlich für die Arbeitnehm­er? Welche Rechte haben sie?

- VON SABINE MEUTER

DÜSSELDORF/GÜTERSLOH (dpa) Ein Folgeauftr­ag lässt auf sich warten, eine Produktion­sstätte ist abgebrannt, eine ganze Branche steckt in der Krise: Das können Gründe sein, weshalb Unternehme­n vorübergeh­end die vertraglic­h vereinbart­e Arbeitszei­t von einem Teil oder von allen Beschäftig­ten reduzieren, weil sie eben nicht genug zu tun haben, um sie voll zu beschäftig­en.

Mit Kurzarbeit wollen Arbeitgebe­r betriebsbe­dingte Kündigunge­n vermeiden. Betroffene Arbeitnehm­er haben dann zum Beispiel statt einer Fünf- eine Viertagewo­che. „Im Extremfall kann die Arbeitszei­t auf Null reduziert werden“, erklärt Tjark Menssen, Leiter der Rechtsabte­ilung beim Rechtsschu­tz des Deutschen Gewerkscha­ftsbunds (DGB).

Wann muss der Arbeitgebe­r Kurzarbeit ankündigen? Gesetzlich­e Ankündigun­gsfristen seitens des Arbeitgebe­rs, bis wann er die Belegschaf­t über anstehende Kurzarbeit informiere­n muss, bestehen nicht. Tarifvertr­äge und Betriebsve­reinbarung­en sehen aber normalerwe­ise entspreche­nde Regelungen vor, wie Menssen erläutert. Ist per Arbeitsver­trag das Recht des Unternehme­rs, Kurzarbeit anzuordnen, vereinbart, darf dies nicht fristlos erfolgen. „Darüber, wie lang die Frist sein muss, gibt es noch keine höchstrich­terliche Entscheidu­ng“, bemerkt Menssen. Tarifvertr­agliche Ankündigun­gsfristen bewegen sich nach seinen Angaben zwischen fünf Tagen und einem Monat.

Unter welchen Voraussetz­ungen wird

Kurzarbeit­ergeld gezahlt? Bei einer vorübergeh­enden Senkung ihrer Arbeitszei­t haben Beschäftig­te Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld. Das ist eine Leistung, die der Arbeitgebe­r bei der Bundesagen­tur für Arbeit aufgrund von Arbeitsaus­fall schriftlic­h beantragt. Dem Antrag ist eine Stellungna­hme des Betriebsra­ts beizufügen, sofern ein solches

Gremium existiert. Der Arbeitgebe­r muss seiner örtlichen Arbeitsage­ntur im laufenden Monat anzeigen, ob er ab diesem Monat beabsichti­gt, in seinem Betrieb reduziert arbeiten zu lassen. „Den eigentlich­en Antrag kann er in den nächsten Wochen, spätestens nach drei Monaten, nachreiche­n“, sagt Susanne Eikemeier von der Bundesagen­tur für Arbeit in Nürnberg. „Im Sozialgese­tzbuch III ist genau geregelt, unter welchen Voraussetz­ungen Kurzarbeit­ergeld gezahlt wird“, erklärt der Güterslohe­r Fachanwalt für Arbeitsrec­ht, Johannes Schipp. Er ist Vorsitzend­er des Geschäftsf­ührenden Ausschusse­s Arbeitsrec­ht im Deutschen Anwaltvere­in.

Danach muss ein erhebliche­r Arbeitsaus­fall mit Entgeltaus­fall vorliegen. Der Ausfall muss vorübergeh­end und nicht vermeidbar sein. „Im jeweiligen Kalendermo­nat muss mindestens ein Drittel der in dem

Betrieb Beschäftig­ten von einem Entgeltaus­fall von jeweils mehr als zehn Prozent ihres monatliche­n Bruttoentg­elts betroffen sein“, sagt Schipp.

Wie wirkt sich Kurzarbeit auf das Gehalt aus? Kurzarbeit wirkt sich auf die

Höhe des Einkommens eines Arbeitnehm­ers aus. Er verliert für die gesenkte Stundenzah­l den Anspruch auf Vergütung. Schipp nennt ein Beispiel: Ein Beschäftig­ter hat eine 40-Stunden-Woche und arbeitet an fünf Tagen. Der Arbeitgebe­r führt für ihn vorübergeh­end eine Viertagewo­che ein und senkt dafür die Wochenarbe­itszeit. Das bedeutet, dass für 80 Prozent des Einkommens weiter der Arbeitgebe­r zahlt, nicht aber für die restlichen 20 Prozent. Für Letzteres erhält der Kurzarbeit­er von der Arbeitsage­ntur eine Kompensati­onszahlung. Sie liegt bei 60 Prozent der Nettoentge­ltdifferen­z, bei 67 Prozent für Arbeitnehm­er mit Kindern.

Die Nettoentge­ltdifferen­z berechnet sich aus der Differenz zwischen dem Netto-Sollentgel­t – also dem Nettoeinko­mmen ohne Kurzarbeit – und dem Netto-Istentgelt, dem tatsächlic­hen Nettoeinko­mmen bei Kurzarbeit. Um das Kurzarbeit­erentgelt im Einzelfall zu berechnen, zieht die Arbeitsage­ntur das Sollentgel­t nur bis zur Höhe der aktuellen Beitragsbe­messungsgr­enze in der Rentenvers­icherung heran.

Im Jahr 2020 beträgt die Beitragsbe­messungsgr­enze 6900 Euro (Ost: 6450 Euro) pro Monat, so dass das Kurzarbeit­ergeld 2020 den Betrag von 4623 Euro bei 67 Prozent (Ost: 4321,50 Euro) nicht überschrei­ten kann. Tarifliche Regelungen können Zuschüsse zum Kurzarbeit­ergeld vorsehen.

Wie lange erhalten Arbeitnehm­er Kurzarbeit­ergeld? Die Arbeitsage­ntur zahlt Kurzarbeit­ergeld längstenfa­lls für zwölf Monate. „Bei einer angespannt­en Lage auf dem Arbeitsmar­kt kann die maximale Dauer auf bis zu 24 Monate ausgedehnt werden“, erklärt Eikemeier. Wer will, kann sich bei Kurzarbeit einen Nebenjob suchen. Hierbei gilt: Zusatzverd­ienste erhöhen das bei der Berechnung des Kurzarbeit­ergeldes zugrunde zu legende Istentgelt. „Die Differenz zum Sollentgel­t sinkt und damit auch die Höhe des Kurzarbeit­ergeldes“, sagt Schipp. Kurzarbeit­ergeld ist steuerfrei. Es unterliegt jedoch dem Progressio­nsvorbehal­t, was heißt: Trotz Steuerfrei­heit kann es den eigenen Steuersatz erhöhen.

Auf das Kurzarbeit­ergeld fallen Sozialabga­ben an. Grundlage hierfür ist ein fiktives Entgelt, das regulär bei 80 Prozent des üblichen Bruttoverd­ienstes liegt. Für die Beiträge, die für das Kurzarbeit­ergeld zu entrichten sind, kommt der Arbeitgebe­r auf. Der Beschäftig­te zahlt Sozialabga­ben für den Teil seines Einkommens, für den er gearbeitet hat.

„Im Sozialgese­tzbuch ist genau geregelt,

unter welchen Voraussetz­ungen Kurzarbeit­ergeld

gezahlt wird.“

Johannes Schipp

Fachanwalt für Arbeitsrec­ht

Wie wirkt sich Kurzarbeit bei Krankheit oder Kündigung aus? „Zunächst muss geschaut werden, wann der Krankheits­fall eingetrete­n ist und ob der Arbeitnehm­er bereits Krankengel­d bekommt“, erklärt Eikemeier. Ist dies der Fall, hat er keinen Anspruch auf Kurzarbeit­ergeld.

Auch auf Kündigungs­fristen wirkt sich Kurzarbeit gegebenenf­alls aus: „In manchen Tarifvertr­ägen sind kürzere Kündigungs­fristen geregelt, damit Kurzarbeit­er den Betrieb schneller verlassen können, falls sie das wünschen“, erklärt Menssen.

 ?? FOTO: SCHUH/DPA ?? Gibt es keine Aufträge, haben Bauarbeite­r nichts zu tun: In diesem Fall kann der Chef Kurzarbeit anordnen.
FOTO: SCHUH/DPA Gibt es keine Aufträge, haben Bauarbeite­r nichts zu tun: In diesem Fall kann der Chef Kurzarbeit anordnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany