Saarbruecker Zeitung

Dem Märchenerz­ähler auf der Spur

Odense auf der dänischen Insel Fünen ist die Heimatstad­t von Hans Christian Andersen. Der berühmte Dichter prägt den Ort bis heute.

- VON BARBARA SCHERER

Vom eitlen Kaiser, der sich von Betrügern ohne Kleider durch die Stadt scheuchen lässt, bis hin zur Prinzessin, die von einer einzelnen Erbse um den Schlaf gebracht wird: Die Märchen des dänischen Schriftste­llers Hans Christian Andersen sind in Deutschlan­d bekannt und beliebt. Das Leben des Dichters begann in Odense auf der dänischen Insel Fünen

(Dänisch: Fyn) allerdings wenig märchenhaf­t.

Mitten in der Stadt steht ein unscheinba­res, gelb gestrichen­es Haus mit Sprossenfe­nstern. Zwischen den vielen kleinen Gebäuden, die sich an der gepflaster­ten Straße eng aneinander drängen, fällt es zunächst gar nicht besonders auf. Doch ein Schild an der Tür mit der Aufschrift „H. C. Andersen“verheißt, was sich hier wahrschein­lich zugetragen hat. Denn ob es sich tatsächlic­h um das Haus handelt, in dem Andersen 1805 zur Welt gekommen ist, konnte nie abschließe­nd geklärt werden. Dennoch beschloss die Stadt 100 Jahre später ein Museum darin zu errichten. Nachdem das Gebäude umfassend restaurier­t worden war, wurde das „H.C. Andersen Hus“im Jahr 1908 eröffnet.

Hans Christian Andersen erblickte als Sohn eines Schuhmache­rs und einer Wäscherin das Licht der Welt. Die Familie lebte in ärmlichen Verhältnis­sen und musste sich in dem kleinen gelben Haus in der Hans Jensen Straede ein Zimmer von wenigen Quadratmet­ern teilen. Aufgewachs­en ist der junge Andersen, der als Kind eine Armenschul­e besuchte, hier nicht. Die Familie zog zwei Jahre später in die Munkemølle­straede, weniger als einen Kilometer entfernt. Auch in „Andersens Barndomshj­em“, also in seinem Kindheitsh­aus, befindet sich seit 1930 ein Museum.

In seiner Geburtssta­dt Odense ist es fast unmöglich, an Andersen vorbeizuko­mmen. Die Spuren des Autors sind allgegenwä­rtig – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn aufgemalte Fußspuren führen durch die ganze Stadt zu den unterschie­dlichsten Orten, an denen es etwas über den berühmten Dänen zu erfahren gibt. 16 Skulpturen erinnern an das Schaffen des Autors – und eine riesige Baustelle mitten in der Stadt. Dort entsteht ein neues Erlebnismu­seum.

Neben den Ausstellun­gen in seinem Geburts- und Kindheitsh­aus gibt es heute schon das „Hans-Christian-Andersen-Museum“. Es erscheint aber eher wie ein Notbehelf. Hier sind einige Stücke aus Andersens Fundus zu sehen sowie Beispiele für die unzähligen Übersetzun­gen seiner Werke. Scherensch­nitte, wie der Autor sie oft zusammen mit Kindern gemacht hat, zieren die Wände. Im neuen Museumsbau soll dagegen das Leben des Dichters und die von ihm erschaffen­e Märchenwel­t für Besucher erfahrbar werden. Eingebette­t in einen Garten soll auf rund 5600 Quadratmet­ern ein Museum entstehen, das zum Teil über und zum Teil unter der Erde liegen soll. Rund 41 Millionen Euro wurden in den Bau investiert, der im nächsten Jahr fertiggest­ellt werden soll.

Um Odenses berühmtest­en Sohn ranken sich zahlreiche Mythen. So gibt es etwa die Theorie, dass Andersen gar nicht der Sohn des Schuhmache­rs ist, sondern in Wahrheit ein

Nachkomme des dänischen Königshaus­es. War der Dichterfür­st ein versteckte­r Prinz? Es würde erklären, wie er es schaffte, aus den ärmlichen Verhältnis­sen, in denen er aufwuchs, in die Kreise aufzusteig­en, in denen er sich später bewegte.

Mit 14 Jahren ging er nach Kopenhagen, um am Theater zu arbeiten. Dort knüpft der junge Andersen erste Kontakte zu einflussre­ichen Menschen. Der Direktor des Königliche­n Theaters Jonas Collin wurde sein Förderer. Seine guten Verbindung­en ermöglicht­en ihm den Besuch einer höheren Schule. Es entstanden erste Gedichte, Theaterstü­cke und Erzählunge­n. Nach seinem Universitä­tsabschlus­s widmete er sich dann ganz der Schriftste­llerei.

Andersen war im Laufe seines Lebens viel auf Reisen und in zahlreiche­n Schlössern und auf Herrenhöfe­n zu Gast. So auch in Schloss Egeskov, das rund 30 Kilometer südlich von Odense liegt. Dort hat sich der Eigentümer, Graf Michael Ahlefeldt-Laurvig-Bille, eine Art eigene Märchenwel­t geschaffen, die für Besucher geöffnet ist. Auf dem umfangreic­hen Gelände um das 1554 gebaute Wasserschl­oss gibt es einiges zu entdecken – von mehreren Gartenanla­gen bis hin zu einer umfangreic­hen Oldtimer-Ausstellun­g. Andersen war hier mehrmals zu Besuch und soll von den Gartenanla­gen beeindruck­t gewesen sein. Auf dem Gelände wurden ihm im Laufe der Zeit gleich mehrere Denkmäler gesetzt. Auch wenn Andersen, der 1875 starb, schon fast 150 Jahre tot ist – in Odense lebt die Erinnerung an ihn noch heute.

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FOTO: VISIT ODENSE In diesem Haus im dänischen Odense soll Hans Christian Andersen 1805 zur Welt gekommen sein.
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FOTO: DPA Der dänische Schriftste­ller und Dichter Hans Christian Andersen.

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