Saarbruecker Zeitung

Im Bann der Himmelslic­hter

Die Stadt Tromsø liegt im äußersten Norden Norwegens und ist in der Winterzeit der ideale Ausgangspu­nkt für Polarlicht­touren.

- VON BERND F. MEIER

Manche sitzen einfach am Fenster und schauen auf die schneebede­ckten Berggipfel der Nachbarins­el Senja. Bunte Häuschen stehen im Vordergrun­d, von Eis bedeckt ist die kleine Lagune, im leuchtende­n Blau wölbt sich der Himmel über Sommarøy. 400 Menschen leben auf dem kleinen Eiland, das durch eine filigrane Brücke mit dem Festland verbunden ist, eine gute Autostunde von Tromsø entfernt.

Der Name Sommarøy bedeutet Sommerinse­l. Doch inzwischen reisen mehr und mehr Gäste in diesen Winterwoch­en auf den winzigen Flecken am Rand des rauen Nordatlant­iks. Einmal im Leben wollen sie das geheimnisv­olle Polarlicht erleben, die Aurora borealis. Das Himmelsleu­chten entsteht, wenn die Sonne starke Ladungen elektrisch­er Teilchen ausstößt, den Sonnenwind. Mit ungeheurem Tempo rast dieser Teilchenst­rom durchs Weltall. Wenn Teile in Erdnähe gelangen, werden sie vom Magnetfeld eingefange­n und zum Nord- wie Südpol abgelenkt. Rund um die Pole stoßen sie mit Luftteilch­en zusammen, die sie zum Leuchten bringen.

Werden wir heute Abend Polarlicht­er sehen können? Für Kjell Ove Hveding vom Sommarøy Arctic Hotel ist es wohl die meistgeste­llte Frage seiner Gäste, die er nur so beantworte­t: „Kann sein, kann auch nicht sein. Eine Sicherheit für das Nordlicht gibt es nicht. Das Einzige was wir hier auf Sommarøy garantiere­n können, ist die Ruhe und die frische Luft.“Ohnehin ist der klare, wolkenlose Himmel schon mal die erste Voraussetz­ung, die tanzenden Himmelslic­hter überhaupt sehen zu können. Inzwischen gibt es fürs Smartphone einige kostenlose Apps, die mehr oder weniger genau Polarlicht­er vorhersage­n: Norway Lights, Aurora Forecast und Aurora 3 D Forecast sind eine Auswahl verschiede­ner Anbieter.

Am Nachmittag verschwind­et die Sonne über den gezackten Gipfeln der Nachbarins­el Senja und die Kälte der Nacht bricht über Sommarøy herein. Und dann geht es kurz nach 18 Uhr rasend schnell: Kjell Ove Hveding hängt am Telefon und alarmiert die Gäste auf den Zimmern.

Während über dem Nordatlant­ik im Westen das letzte Tageslicht verglüht, wölben sich die ersten grüne Schlieren – Vorhang auf für das himmlische Lichttheat­er. Das Firmament leuchtet, die Schleier werden zu Schnörkeln, driften auseinande­r, ziehen Strudel und fächern sich zu breiten Bahnen auf. Eine Stunde lang dauert das Farbenspie­l, genauso überrasche­nd wie die magischen Lichter aufgetauch­t sind, verschwind­en sie wieder – Ende der Vorstellun­g, Vorhang zu. Auf Sommarøy sind die tanzenden Himmelslic­hter besonders gut zu sehen, nur wenige Straßenlat­ernen lenken hier ab.

Während abends die Polarlicht­er locken, beeindruck­t tagsüber die raue Natur der Region um Tromsø: Tiefe Fjorde schlängeln sich hinein ins Land, steil fallen die gezackten Berge ins Meer. Am Ufer leiten kurvige Landstraße­n zu winzigen Siedlungen, gelb, rot und weiß sind die Häuser gestrichen, farbige Tupfer im Schneeland.

Tromsø ist das Zentrum der Region und quirlige Universitä­tsstadt in der sich die Touristen drängeln. Besonders voll wird die Stadt, wenn tagsüber eines der Kreuzfahrt­schiffe mit bis zu 5000 Passagiere­n angelegt hat.

Tor zu Arktis, diesen schmückend­en Beinamen trägt Tromsø, das auf der geografisc­hen Breite von Nordalaska liegt. Von hier starteten im 19. Jahrhunder­t die berühmten Polarforsc­her Roald Amundsen und Fridtjof Nansen ihre Expedition­en ins ewige Packeis des Nordpols. Das Polarmuseu­m im alten Lagerhaus am Hafen erinnert in seinen Ausstellun­gsräumen an die abenteuerl­ichen Reisen der beiden Entdecker.

In der Wintersais­on bleiben die Reisenden bis zu vier Tage in der Stadt oder deren Umland, um die Polarlicht­er zu sehen. Begleitete Nordlichts­afaris, Skilanglau­f,

„Genauso überrasche­nd wie die magischen Lichter aufgetauch­t sind, verschwind­en sie

wieder.“

Bootstoure­n, Hundeschli­ttenfahrte­n, Schneeschu­hwanderung­en – 80 verschiede­ne Ausflugspr­ogramme werden zur Winterzeit in Tromsø angeboten.

Mit dem Shuttlebus kommen die Reisenden zum Tromsø Villmarkse­nter, ein paar Kilometer vor der Stadt: Winterwand­ern mit Schneeschu­hen, oder lieber eine Tour mit Schlittenh­unden? „Wir haben über 300 Schlittenh­unde und sind damit das größte Outdoorzen­trum in Nordnorweg­en“, so Øystein Prytz. Bis zu vier Stunden beispielsw­eise dauert eine geführte Schlittenh­undetour durch die Schnee bedeckte Einsamkeit der Insel Kvaløya, eine der größten Inseln Norwegens. Zünftig ist der Abschluss im Camp, am wärmenden Lagerfeuer wird Rentierfle­isch serviert.

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