Jerseys Schicksal lässt Liverpool zittern
In Englands Amateurfußball sind alle Ergebnisse annulliert worden. Andere Ligen könnten nachziehen.
(sid) Jürgen Klopp dürfte von seinem Trainerkollegen Gary Freeman noch nie gehört haben. Freeman ist Teammanager des südlichsten Fußballvereins Englands, den Jersey Bulls von den Kanalinseln. Bald jedoch könnte Klopp und den 50-Jährigen ein böses Schicksal verbinden. Denn die Bulls wurden durch das Coronavirus um ihren Erfolg gebracht – Clubs wie dem FC Liverpool aus der Premier League könnte es ähnlich ergehen.
Was für eine Saison: 27 Siege in 27 Spielen hatte Zehntligist Jersey geholt, der Aufstieg war auch rechnerisch längst perfekt. Dann aber erklärte der englische Verband FA den Amateurfußball ab der siebten Liga wegen der Pandemie kurzerhand für beendet. Alle bisherigen Ergebnisse sind null und nichtig, es gibt weder Auf- noch Absteiger. Eine Nachricht, die manch einem Liverpool-Fan den Schweiß auf die Stirn treiben dürfte.
Denn die Entscheidung könnte ein erster Fingerzeig sein – für die englische Topliga mit dem klaren Tabellenführer Liverpool, aber auch für ganz Europa. Überall ist offen, wann wieder gespielt wird. Vor einem Abbruch und den komplizierten Folgen scheut sich jede Liga – noch. Denn dann droht eine Klagewelle, der englische Amateurfußball macht es gerade vor.
Der ebenfalls betroffene Siebtligist South Shields FC etwa kündigte umgehend an, über eine Klage gegen die FA nachzudenken. Verständlich: Derzeit ist der Club klarer Tabellenführer, noch am 14. März gewann er vor 3274 Zuschauern 5:3 gegen den FC United of Manchester. Keine
zwei Wochen später ist dieses Ergebnis aus den Geschichtsbüchern gestrichen, so wie alle anderen.
Und nicht nur das. Der Club wolle nun höflich fragen, ob denn die FA „die Geldstrafen für Gelbe und Rote Karten zurückzahle“, teilte South Shields angiffslustig mit. Gleiches gelte für die Kosten für Fahrten zu Auswärtsspielen, die annulliert wurden – immerhin 20 000 Pfund, also etwa 22 200 Euro. „Und wir haben noch viel mehr Fragen. Wir freuen uns auf die Antwort der FA“, hieß es in einer Stellungnahme.
Ähnlich äußerte sich der Vauxhall Motors FC, der den Aufstieg in die neunte Liga schon perfekt gemacht und gefeiert hatte. Auch die „Motormen“hatten gehofft, die Saison notfalls mit Geisterspielen zu beenden, warum auch nicht? Dann kam die FA mit ihrem nicht angekündigten Schritt. „Wir werden nun mit Interesse verfolgen, wie die Ligen über uns die Saison beenden – vor allem die Premier League“, teilte South Shields mit.
Letzteres gilt mehr denn je auch für die Fans des FC Liverpool, die
von der ersten Meisterschaft seit 30 Jahren träumen. Zwei Siege aus neun Spielen fehlen noch zu dem für den Club historischen Erfolg, doch derzeit ruht der Spielbetrieb bis mindestens 30. April. Wie es weiter geht für Jürgen Klopps Mannschaft, ist völlig offen. Gary Freeman ist da schon einen Schritt weiter. Auch wenn es ihm nicht gefällt.