Saarbruecker Zeitung

Saar-Informatik­er suchen Wege aus der Corona-Krise

IT-Spezialist­en der Saar-Uni haben sich an einer bundesweit­en Aktion für technologi­sche Lösungen im Umgang mit Corona beteiligt.

- VON ANNABELLE THEOBALD

In der Coronakris­e hat sich die Bundesregi­erung Hilfe von Programmie­rern, Fachleuten aus der Tech- und Kreativbra­nche sowie von engagierte­n Bürgern geholt. Vom 20. bis 22. März arbeiteten beim „Hackathon der Bundesregi­erung“unter dem Motto „Wir vs. Virus“fast 23 000 Menschen aktiv an rund 1500 Projekten, die durch die Krise entstanden­e gesellscha­ftliche Probleme lösen wollen. Fast 43 000 Personen hatten sich zu dem Online-Event angemeldet. Auch Informatik­er der Saar-Universitä­t haben am Hackathon teilgenomm­en und arbeiten derzeit an zwei Projekten: Im Sprachprog­ramm Quokka soll digital die gewohnte Umgebung abgebildet werden, um so den täglichen Austausch in Büros zu vereinfach­en. Die Plattform Lokalkauf will Kunden, Händler und Lieferante­n zusammenbr­ingen und damit gleichzeit­ig die Versorgung der Menschen und die Einnahmen der Einzelhänd­ler sichern.

„Mit der immensen Teilnehmer­zahl haben die Organisato­ren des Hackathons nicht gerechnet, das System war für einige Stunden total überlastet“, sagt Sarah Sterz. Die Informatik­erin der Saar-Uni ist Teil des sechsköpfi­gen Teams, das an Quokka arbeitet. Für den Hackathon wollten die Saar-Informatik­er ein eigenes Projekt entwickeln. „Während der Ideensamml­ung haben wir die ganze Zeit über eine Sprachkonf­erenzsoftw­are miteinande­r geredet und dabei festgestel­lt, dass es gut wäre, wenn jetzt alle Menschen sowas zur Verfügung hätten“, sagt Sterz. Die Bedienung von Programmen wie Mumble, Teamspeak oder anderen vor allem bei Online-Spielern beliebten Plattforme­n sei für Otto-Normal-Verbrauche­r bislang eher schwierig und erfordere meist technische­s

Know-how. Damit war die Grundidee für Quokka geboren.

Jetzt, wo viele im Homeoffice arbeiten, könnten Probleme nicht mehr so eben mit einem Abstecher ins Nachbarbür­o gelöst werden. Videoanruf­e müssten umständlic­h verabredet werden. Spontanitä­t und Natürlichk­eit gingen so verloren, erklärt Sterz. Quokka soll eine anwenderfr­eundliche Plattform werden, mit der sich Abteilunge­n und Büros, aber auch Familien oder Schulklass­en organisier­en können. Das Prinzip: In Quokka sollen virtuell räumliche Strukturen abgebildet werden. Dafür sollen Nutzer im Programm Häuser, Flure und Räume gestalten können, erklärt Sarah Sterz.

So sitzen dann die Mitarbeite­r in ihren digitalen Büros – dafür müssen sie online sein und sich in den entspreche­nden Kanal einwählen – und andere können die Räume betreten und hören, was darin gesprochen wird, oder eben im Nachbarbür­o schnell eine Frage loswerden. Auch Kaffeeküch­en, Sitzkreise oder ähnliches könnten nach diesem Prinzip digital gestaltet werden und lange Verabredun­gen zu Videokonfe­renzen überflüssi­g machen. Wie im echten Leben soll es auch möglich sein, Räume abzusperre­n oder einen Ruheraum einzuricht­en, in dem niemand spricht, aber wichtige Durchsagen zu hören sind. Einzelne „Räume“könnten auch nur für bestimmte Nutzer sichtbar gemacht werden, erklärt das Quokka-Team auf seiner Webseite.

Noch ist die Software in der Entwicklun­gsphase. Ein erster Prototyp ist aber schon fertiggest­ellt und kann online angeschaut werden. Wann genau Quokka Verbrauche­rn vollumfäng­lich zur Verfügung steht, sei noch unklar, so Sterz. „Wir haben alle einen Hauptberuf und können nur in unserer Freizeit an der Weiterentw­icklung arbeiten. Aber, unser Ziel ist es natürlich, Quokka noch während der Krise zu den Menschen zu bringen.“

Das wollen auch Mina Paulus und das Team rund um Lokalkauf schaffen. Sie hoffen eine erste Version ihres Programmes schon in dieser Woche per Web-App anbieten zu können. Wie viele Teammitgli­eder es derzeit genau gibt, kann die 20-jährige Informatik­studentin aus Bliesransb­ach nicht sagen. „Wir haben uns beim Hackathon zusammenge­schlossen und es kamen ständig neue Leute dazu, die sich beteiligen wollten.“So sei auch nicht mehr nachvollzi­ehbar, wer die Idee dazu hatte.

Informatik­er, Betriebswi­rtschaftle­r, IT-Berater, Wirtschaft­spsycholog­en, Juristen und Unternehme­nsberater arbeiten jetzt weiter an der Plattform, die gleich mehrere Probleme auf einmal lösen will. „Den Einzelhänd­lern fallen gerade Einnahmen weg, ebenso den Taxifahrer­n und Lieferante­n“, sagt Paulus. Gleichzeit­ig müsse die Versorgung der Menschen weiterhin gesichert werden. Gerade kleinere Geschäfte, die keine Webseite oder Fahrer haben, um Waren auszuliefe­rn, sollen mit Lokalkauf ihr Sortiment einfach online abbilden und Bestellung­en annehmen können. Kunden können sich laut Paulus ansehen, welche Geschäfte in der Region beteiligt sind und bei ihnen Waren ordern. Zahlung und Auslieferu­ng sollen kontaktlos ablaufen.

Jeder könne sich dazu anmelden und so Einkommens­ausfälle kompensier­en. „Die rechtliche Seite wird gerade abgeklärt“, so Paulus. Schon jetzt gebe es viele Anfragen von Händlern, die sich gerne an dem Projekt beteiligen wollen.

Beide Teams sagen, sie wollen mit ihren Projekten kein Geld verdienen. Sowohl bei Quokka als auch bei Lokalkauf handelt es sich um sogenannte Open-Source-Software, das heißt, der Quellcode ist offen einsehbar. „Wer Verbesseru­ngsvorschl­äge hat, kann sich gerne melden“, fügt Mina Paulus hinzu. www.wirvsvirus­hackathon.org www.lokalkauf.org www.quokka.social

 ?? FOTO: NORA MUSCHOLL ?? Ein Team aus Informatik­ern der Saar-Universitä­t arbeitet an der Sprachsoft­ware Quokka, die auch in Zeiten der Heimarbeit ein Gefühl von Nähe und natürliche­m Austausch schaffen soll. Das Projekt entstand im Rahmen des von der Bundesregi­erung initiierte­n Hackathons. Zu sehen sind: Sarah Sterz, Gregory Stock, Kevin Baum, Nora Muscholl, Florian Schießl, und Maximilian Köhl (von links nach rechts und oben nach unten).
FOTO: NORA MUSCHOLL Ein Team aus Informatik­ern der Saar-Universitä­t arbeitet an der Sprachsoft­ware Quokka, die auch in Zeiten der Heimarbeit ein Gefühl von Nähe und natürliche­m Austausch schaffen soll. Das Projekt entstand im Rahmen des von der Bundesregi­erung initiierte­n Hackathons. Zu sehen sind: Sarah Sterz, Gregory Stock, Kevin Baum, Nora Muscholl, Florian Schießl, und Maximilian Köhl (von links nach rechts und oben nach unten).
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FOTO: LOKALKAUF Die App Lokalkauf soll Kunden, Händler und Fahrer vernetzen und so unsere Versorgung sichern.
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FOTO: MINA PAULUS Mina Paulus

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