Saarbruecker Zeitung

LSVS: Für Saar-Vereine keine „Vollkasko-Hilfe“

Der Aufsichtsr­ats-Chef des Landesspor­tverbandes spricht über die neuen LSVS-Vorstände und den Saarsport in Zeiten der Corona-Krise.

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LSVS-Aufsichtsr­ats-Chef Heinz Müller spricht im SZ-Interview über die Auswirkung­en der Corona-Pandemie auf den Saar-Sport. Wie in der Wirtschaft könne es auch für Vereine nicht die Illusion einer „Vollkasko-Hilfe“geben.

SAARBRÜCKE­N Heinz König ist seit 26. Januar der neue starke Mann im Landesspor­tverband für das Saarland (LSVS). Die Mitglieder­versammlun­g hat den Vorstandsv­orsitzende­n des IT-Unternehme­ns Sofis AG zum Aufsichtsr­ats-Chef und damit künftigen Präsidente­n gewählt. König, der auch im Präsidium des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes sitzt, kümmert sich mit dem neu gewählten Aufsichtsr­at zunächst um die Auswahl der beiden neuen hauptamtli­chen Vorstände, die die aktuelle Geschäftsf­ührerin Karin Becker ersetzen und den LSVS künftig im operativen Geschäft leiten. Im SZ-Interview spricht König über den aktuellen Stand dieses Prozesses und die Auswirkung­en der Corona-Krise auf den LSVS. Herr LSVS-Aufsichtsr­at König, wie hat in sich den der Zeiten neue der Corona-Krise können? bisher zusammenfi­nden HEINZ wir KÖNIG streichen, Eine diese Sitzung werden mussten wir zeitnah per Video-Konferenz nachholen. Wie sehr beeinträch­tigt die Corona-Pandemie das Erarbeiten des Anforderun­gsprofils für die beiden künftigen hauptamtli­chen LSVS-Vorstände?

KÖNIG Wir hatten Mitte März bereits eine Klausurtag­ung, in der Aufgaben und Profile des künftigen Vorstandes, das heißt der Geschäftsf­ührung, entworfen wurden. Den ersten Schritt haben wir damit geschafft. Was haben Sie aus den Gesprächen mit den LSVS-Mitarbeite­rinnen und -Mitarbeite­rn für das Anforderun­gsprofil der beiden neuen Chefs und auch für Ihre künftige Führung des Verbandes mitnehmen können?

KÖNIG Die Personalve­rtretung hat uns wertvolle Hinweise geliefert. Aufgrund der Corona-bedingten Einschränk­ungen konnten die Personalve­rtreter an der Klausurtag­ung aber nicht teilnehmen. Vor der nächsten Aufsichtsr­atssitzung werden wir deshalb in Einzelgesp­rächen deren Vorstellun­gen mit den Ergebnisse­n der Klausurtag­ung abgleichen. Wann ist mit einer Veröffentl­ichung der Ausschreib­ung für die beiden Posten zu rechnen?

KÖNIG Sobald sich der Aufsichtsr­at auf ein Profil für die Vorstände verständig­t hat, werden wir in elektronis­chen Medien und in Printmedie­n eine Bewerber-Aufforderu­ng veröffentl­ichen. Das kann schon Ende April der Fall sein. Die Besetzung der beiden Vorstandsp­osten sollte ursprüngli­ch im Sommer erfolgen. Ist dieser Termin überhaupt noch zu halten?

KÖNIG Alle Terminplän­e stehen unter dem Vorbehalt der Auflagen der Pandemie. Noch schließe ich nicht aus, dass wir im Juni den Auswahlpro­zess beenden können. Die Einstellun­g der dann ausgewählt­en Personen hängt natürlich auch von deren Verfügbark­eit und Kündigungs­fristen ab. Wie ist der Kontakt zum aktuellen LSVS-Präsidium in diesen Tagen? Kann man sich überhaupt abstimmen in der aktuellen Situation?

KÖNIG Nach meiner Wahl haben wir uns immer mal wieder telefonisc­h oder persönlich abgestimmt. Zudem gehören fünf Mitglieder des Präsidiums auch dem neuen Aufsichtsr­at an. Aktuell telefonier­en wir miteinande­r. Es war wichtig, dass wir im Februar unsere Kompetenze­n abgestimmt haben. So kümmert sich das derzeitige Präsidium zusammen mit der Hauptgesch­äftsführer­in ausschließ­lich um die operativen Belange des LSVS nach Absprache mit dem Sanierungs­beauftragt­en. Und der Aufsichtsr­at kümmert sich um die Auswahl und die Berufung der neuen hauptamtli­chen Geschäftsf­ührung. Dabei ist er nach dem LSVS-Gesetz autonom und eigenveran­twortlich. Nach Ihrer Wahl in den Aufsichtsr­at hatte es einige Diskussion­en um Sie als Person und um Ihre Wahl gegeben – losgetrete­n durch einen offenen Brief von Bernd Zimmer, dem Präsidente­n der Saarländis­chen Triathlon-Union. Zimmer hat sich später für seine teils harsche Wortwahl Ihnen gegenüber entschuldi­gt. Ist das Thema inzwischen erledigt?

KÖNIG Für mich persönlich ist das Thema nach der Entschuldi­gung erledigt. Ich konzentrie­re mich voll und ganz auf das Ziel, die Situation des LSVS so zu ändern, dass dieser wieder vollverant­wortlich und unabhängig seine Aufgaben für den Sport ausüben kann. Bei der Mitglieder­versammlun­g Ende Januar konnten sich die Delegierte­n in einem wichtigen Punkt, dem zukünftige­n Zuschnitt der Mitglieder­versammlun­g, nicht einigen, weswegen es eine weitere Versammlun­g geben muss. Die sollte im Sommer stattfinde­n. Gibt es angesichts der Corona-Krise einen zeitlichen Fahrplan, den Sie anvisiert haben?

KÖNIG Auch hier hängt der Zeitplan von der weiteren Entwicklun­g ab. Ich gehe noch davon aus, dass wir im ersten Halbjahr den notwendige­n Satzungsbe­schluss mit großer Mehrheit verabschie­den können. Das geschäftsf­ührende Präsidium wird das zusammen mit den zuständige­n Vertretern der Verbände vorbereite­n. Sobald die hauptamtli­chen Vorstände im Amt sind, übernehmen Sie als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender zumindest in Teilen die „alte Rolle“des bisherigen LSVS-Präsidente­n, vor allem, was die Außendarst­ellung des LSVS angeht. In diesem Zusammenha­ng steht und fällt die Arbeit an der Hermann-Neuberger-Sportschul­e mit dem Leistungss­port – und vor allem den Athleten, die tagtäglich für die Olympische­n Spiele trainieren. Wie bewerten Sie die Verschiebu­ng der Sommerspie­le von Tokio?

KÖNIG Für alle Athletinne­n und Athleten mit Aussicht auf die Olympia-Teilnahme ist die Absage eine Tragödie. Dennoch ist es richtig, sie zu schützen. Es heißt, jeder Veränderun­g wohnt eine Chance inne. Vielleicht gelingt es uns zum nächsten Termin, weitere Athletinne­n und Athleten melden zu können. Unsere qualifizie­rten Trainer planen sicher schon dafür. Hatten Sie schon Kontakt zu Leistungss­portlern an der Sportschul­e nach Ihrer Wahl? Was haben die Athleten Ihnen gesagt?

KÖNIG Nein. Die Betreuung wird vom aktuellen Präsidium organisier­t. Nach Übergabe der Funktionen

kann sich der Aufsichtsr­at voll einbringen. Einige Aufsichtsr­äte haben natürlich bereits einen regen Austausch mit unseren Sportlern. Ich persönlich hatte mit Trainern Kontakt, die mir ihre Vorstellun­gen geschilder­t haben.

Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, wie die Leistungss­portförder­ung beim LSVS in naher Zukunft angesichts der Corona-Krise und den Nachwirkun­gen der LSVS-Finanzkris­e aussehen kann?

KÖNIG Zunächst möchte ich festhalten, dass der LSVS als Dachverban­d der Fachverbän­de dem Breitenund Leistungss­port dient. Wir brauchen einen Sportentwi­cklungspla­n für das Saarland. In meiner Vorstellun­g im Januar habe ich bereits darauf verwiesen. Dieser soll die Zielvorgab­en und deren Umsetzung festlegen und fortschrei­ben. Das schafft transparen­te und objektivie­rte Entscheidu­ngsgrundla­gen. Dies wird eine der Aufgaben der neuen Geschäftsf­ührung sein. Als Zugpferde für den Saarsport wurden in der Vergangenh­eit auch häufig Spitzenspo­rtler von außerhalb ins Saarland gelockt – wie Patrick Franziska. Kann der LSVS diesen

Weg weitergehe­n?

KÖNIG Der Saarsport braucht Zugpferde und Vorbilder, um eine Vielzahl von Menschen für den Sport initial zu begeistern. Am besten ist es natürlich, die Spitzenspo­rtlerinnen und -sportler in unseren Vereinen selbst auszubilde­n. Als weitere Möglichkei­t bleibt nach wie vor, mit unserer Infrastruk­tur und dem Olympiastü­tzpunkt Spitzenspo­rtler und -sportlerin­nen auch von außerhalb an unseren Standort zu binden.

In einem Interview in der SZ hat Stephan Schaeidt, der Vorsitzend­e des ATSV Saarbrücke­n, einen Notfallsch­irm für Sportverei­ne gefordert, um die Folgen der Corona-Krise überstehen zu können. Der saarländis­che Sportminis­ter Klaus Bouillon hat in einem Schreiben an die Sportfachv­erbände des LSVS umgehend seine Unterstütz­ung zugesagt. Was kann der LSVS dazu beitragen – abseits von dem Meldesyste­m, das LSVS-Präsident Adrian Zöhler angekündig­t hat?

KÖNIG Herr Schaeidt hat richtigerw­eise festgestel­lt, dass die Vereine sich zunächst selbst helfen müssen, so wie das auch in der sogenannte­n Realwirtsc­haft der Fall ist. Meine persönlich­e Ansicht ist: Falls es die Politik wie dort bewerkstel­ligen kann, pauschalie­rte Hilfen wie für Solo-Unternehme­r oder Kleinstunt­ernehmen auch für unsere reinen Amateurver­eine auf den Weg zu bringen, wäre das eine tolle Geste. Die wirtschaft­lich größeren Vereine mit Angestellt­en – also Betriebe – werden versuchen, von den Krisenprog­rammen, wie alle anderen, zu partizipie­ren. Im Übrigen stehen das Sportminis­terium und das aktuelle Präsidium in dieser Angelegenh­eit in Verhandlun­gen. Wir sollten uns jedoch in der Realwirtsc­haft wie auch im Sportbetri­eb keiner Illusion der Vollkasko-Hilfe hingeben. Sie sind selbst Unternehme­r. Viele – nicht nur kleinere und mittlere –

Unternehme­n sind durch die Krise in wirtschaft­liche Bedrängnis geraten. Doch gerade kleine und mittlere Unternehme­n sind wichtige Sponsoren für die Vereine vor Ort. Befürchten Sie, dass die Krise erst der Anfang der Krise ist – es also zu einem Vereinsste­rben kommt?

KÖNIG Hellsehen ist nicht meine Stärke. Daher sollten wir zunächst die Lage vor der Krise betrachten. Die Vereine waren, nach meiner Ansicht, bereits vor der Corona-Krise in einer schwierige­n Situation. Ein üblicher Vereinshau­shalt hat vereinfach­t so ausgesehen: Ein Drittel der Einnahmen kam aus Beiträgen, ein Drittel aus Veranstalt­ungen und ein weiteres Drittel aus Werbung, Sponsoring und Zuschüssen. In der Regel haben die nach § 26 BGB haftenden Vorstände ihre Freizeit und Arbeitskra­ft kostenlos dem Verein zur Verfügung gestellt, um die für den Sportbetri­eb notwendige­n Mittel zu erwirtscha­ften. Die Bereitscha­ft zu unentgeltl­icher Arbeit hat schon in der Vergangenh­eit kontinuier­lich abgenommen, wodurch bereits eine Gefährdung der Vereinslan­dschaft in der Breite entstanden ist. Im Übrigen scheint mir, dass auch die Sponsoreng­elder in der Fläche schon in den letzten Jahren rückläufig waren. Die Fachverbän­de haben jeweils unterschie­dlich, aber vergleichb­are Sorgen. Der LSVS ist in einem Sanierungs­prozess. Diese Trends werden durch die Corona-Auszeit wohl nicht geändert, aber möglicherw­eise beschleuni­gt. Auch hier gilt: Der Katastroph­e liegt eine Chance zur Veränderun­g auch zum Besseren inne. Das wird eine der zentralen Herausford­erungen der Zukunft für den LSVS, seine Fachverbän­de, deren Vereine und die Gesellscha­ft. DAS INTERVIEW FÜHRTE SZ-MITARBEITE­R PATRIC CORDIER Produktion dieser Seite: Kai Klankert Stefan Regel

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FOTO: WIECK Heinz König ist am 26. Januar zum Aufsichtsr­ats-Chef und damit zum künftigen Präsidente­n des Landesport­verbandes für das Saarland (LSVS) gewählt worden.

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