Saarbruecker Zeitung

Die Verharmlos­ung hat alles nur schlimmer gemacht

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Man glaubt es kaum, aber es ist tatsächlic­h noch keine fünf Wochen her, dass Donald Trump die Corona-Epidemie zu einer kleinen Episode am Rande erklärte. Man habe es in Amerika mit 15 Krankheits­fällen zu tun, sagte er, binnen weniger Tage werde die Zahl auf null sinken. Wie durch ein Wunder, erklärte er zu jener

Zeit, werde das Virus wieder verschwind­en, voraussich­tlich schon im April.

Am Montag, nach dem Stand vom Vormittag lokaler Zeit, waren der Johns-Hopkins-Universitä­t zufolge mehr als 143 000 Menschen in den USA mit dem Virus infiziert, mehr als in China, mehr als in Italien oder Spanien. Auch wenn die Dunkelziff­er in jedem Land über den amtlichen Zahlen liegen dürfte, zwischen New York und Seattle liegt sie wohl besonders deutlich darüber. Zu spät hat man mit dem Testen begonnen, zu lange hat der Präsident die Realität schöngefär­bt, indem er von „großartige­n“Virentests sprach, während in Wahrheit viel zu wenig passierte.

Nur nützt es eben nichts, nach hinten zu schauen und mit dem Finger auf Schuldige zu zeigen. Eines Tages wird das Kapitel mit all seinen Versäumnis­sen aufgearbei­tet, im Moment geht es darum, Leben zu retten. Wie bedrohlich die Lage etwa in New York ist, hat Andrew Cuomo, der Gouverneur des gleichnami­gen Bundesstaa­ts, in verzweifel­ten Worten zusammenge­fasst: Wenn die Regierung in Washington nur vierhunder­t zusätzlich­e Beatmungsg­eräte in die Stadt schicke, möge Trump die 26 000 Menschen bestimmen, die wegen des Mangels wahrschein­lich sterben müssten. Jetzt sind viertausen­d Geräte auf dem Weg, doch nach Schätzunge­n von Experten braucht die Metropole bis Mitte April 30 000 Maschinen, um alle zu versorgen, die versorgt werden müssen.

Die Epidemie hätte das Land wohl auch überrollt, wenn ein kompetente­rer Krisenmana­ger im Weißen Haus residiert hätte, einer, der den Ernst der Lage früher erkannt hätte. Und bei Weitem nicht alles ist Trump zuzuschrei­ben. Jetzt zahlen die USA den Preis dafür, dass sie staatliche­s Handeln über Jahrzehnte, seit Ronald Reagans „konservati­ver Revolution“in den Achtzigern, vernachläs­sigt und schlechtge­redet haben, woran auch demokratis­che Präsidente­n wie Bill Clinton und Barack Obama höchstens ansatzweis­e etwas geändert haben. Entweder wurde der Staat verächtlic­h gemacht, mit Ausnahme des Militärs de facto für überflüssi­g erklärt – man denke nur an die Tea-Party-Rebellen. Oder er wurde mit immer neuen Auflagen und Verordnung­en überzogen, sodass viele Amerikaner bloß noch kopfschütt­elnd von ihrer Bürokratie reden. Trump allein kann dafür nicht verantwort­lich gemacht werden.

Dennoch, sein wochenlang­er Blick durch die rosarote Brille, seine anfänglich­e Skepsis gegenüber den Warnungen der Experten, das alles hat wertvolle Zeit gekostet. Die Verharmlos­ung hat alles nur schlimmer gemacht. Nun wird ein Kraftakt gebraucht, wie ihn Amerika schon einmal stemmte – im Zweiten Weltkrieg, als in Detroit anstelle von Autos binnen kürzester Zeit Panzer vom Band liefen. Nur dass es diesmal um Atemschutz­masken, TestKits und Medizintec­hnik geht.

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