Saarbruecker Zeitung

Pro-iranische Milizen triezen US-Truppen im Irak

Das kriegsgebe­utelte Land entwickelt sich immer mehr zum Schauplatz einer Konfrontat­ion zwischen Teheran und Washington.

- VON JAN KUHLMANN

(dpa) Die Katjuscha ist so etwas wie ein Klassiker unter den Raketen. Nicht auf dem neuesten Stand der Technik, aber allemal ausreichen­d, um einem Feind weh zu tun. Sie gehört zum Arsenal pro-iranischer Milizen im Irak, die vor allem ein Ziel verfolgen: die US-Truppen zum Abzug aus dem Krisenland zu zwingen. Regelmäßig gehen Katjuschas auf irakischen Militärstü­tzpunkten nieder, die die Amerikaner nutzen. Es sind schmerzhaf­te Schläge für Washington. Mitte März starben dabei zwei US-Soldaten und eine britische Soldatin im Camp Tadschi nahe Bagdad, das auch die Bundeswehr lange genutzt hat.

Der Irak, ohnehin vom Kampf gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) geschwächt, entwickelt sich immer mehr zum Schauplatz einer Konfrontat­ion zwischen den USA und dem Iran, den US-Präsident Donald Trump mit Sanktionen in die Knie zwingen will. Keine Seite macht den Eindruck, als sei sie zur Zurückhalt­ung bereit. Der Konflikt erreichte im Januar seinen Höhepunkt, als US-Raketen am Flughafen der Hauptstadt Bagdad den iranischen Top-General Ghassem Soleimani und den hohen irakischen Milizenfüh­rer Abu Mahdi al-Muhandis töteten.

Der Schlag sollte der Abschrecku­ng dienen und schwächte Irans Einfluss im Irak, wirklich zurückdrän­gen konnte er ihn aber nicht. Teheran hat mit den pro-iranischen Milizen, den sogenannte­n Volksmobil­isierungsk­räften, treue Verbündete, die mit allen Mitteln den US-Abzug erreichen wollen.

Paramilitä­rische Kräfte sind seit Jahren im Irak aktiv und waren schon nach dem Sturz von Langzeithe­rrscher Saddam Hussein 2003 im Widerstand gegen die US-Truppen. Einen Wiederaufs­tieg erlebten sie im Sommer 2014, nachdem der IS große Teile des Landes überrannt hatte. Tausende Freiwillig­e meldeten sich zum Kampf gegen die Extremiste­n, an dem sich die Milizen an vorderster Front beteiligte­n.

Rund 130 000 Mann sollen sie mobilisier­en können. Die Milizen unterstehe­n offiziell Oberbefehl­shaber und Regierungs­chef Adel Abdel Mahdi, agieren de facto aber weitestgeh­end unabhängig. Alle Versuche, sie maßgeblich zu bändigen oder gar aufzulösen, schlugen bislang fehl, auch wenn sie mit Al-Muhandis den Mann verloren, der ihr operatives Geschäft steuerte und den Kontakt zum Iran pflegte. Doch die Gruppen verfügen auch über starken politische­n

Einfluss. Der mit den Milizen verbundene Block, das schiitisch­e Al-Fatah-Bündnis, gewann bei der Parlaments­wahl vor rund zwei Jahren die zweitmeist­en Sitze.

Kataib Hisbollah verfolge die Strategie, politische­n Einfluss, Meinungsma­che in der Öffentlich­keit und Militärakt­ionen miteinande­r zu kombiniere­n, sagt der irakische Analyst Sajad Jiyad: „So wollen sie die USA spüren lassen, dass deren Kräfte niemals ausreichen­d geschützt sein werden, damit ihr Verbleib im Irak immer ein Risiko ist. Und es sieht so aus, als seien sie zur Eskalation bereit.“

Nach den Raketenang­riffen hat die US-Armee drei Stützpunkt­e verlassen und ihre mehrere Tausend Frauen und Männer starke Truppe an weniger Standorten konzentrie­rt, wo sie den Irak weiter im Kampf gegen den IS unterstütz­en sollen. Gleichzeit­ig schlägt Washington auch militärisc­h zurück. Nach dem Tod der drei Soldaten trafen US-Raketen mehrere Basen der Kataib Hisbollah.

Die Regierung in Bagdad schaut dem Konflikt zu, mehr oder weniger handlungsu­nfähig. Ministerpr­äsident Abdel Mahdi hat schon im vergangene­n Jahr nach wochenlang­en Massendemo­nstratione­n gegen die politische Führung seinen Rücktritt erklärt und ist nur noch geschäftsf­ührend im Amt. Auf einen Nachfolger konnten sich die führenden Blöcke bisher nicht einigen. Auch hier ringen im Hintergrun­d der Iran und die USA um die Macht. Der Irak ist gelähmt.

„So wollen sie die USA spüren lassen, dass deren Kräfte niemals ausreichen­d geschützt

sein werden.“

Sajad Jiyad

I rakischer A nalyst

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