Saarbruecker Zeitung

Was die Opposition in der Corona-Krise fordert

Die Linke will einen LohnAufsch­lag von 20 Prozent für systemrele­vante Berufe, die AfD Kohleund Atomkraftw­erke länger laufen lassen.

- VON DANIEL KIRCH

In Krisen, so heißt es oft, schlägt die Stunde der Exekutive. Die Opposition hat es schwer, weil sie erstens mangels Macht nichts entscheide­n kann und ihre Äußerungen für Medien daher weniger relevant sind und weil zweitens den meisten Menschen gerade nicht nach Streit ist, wenn es um Leben und Tod geht.

Mit grundsätzl­icher Kritik am Krisen-Management der Landesregi­erung hält sich die Opposition im Landtag derzeit zurück. Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) beriet sich nach eigenen Worten kürzlich telefonisc­h mit Ex-Regierungs­chef Oskar Lafontaine über die aktuelle Situation. Es gibt aber Ausnahmen: Der Linken-Abgeordnet­e Dennis Lander hält die Ausgangsbe­schränkung­en für unrechtmäß­ig und warnt vor einem Präzedenzf­all für künftige Epidemien. Die AfD kritisiert, die Bestellung von Schutzauss­tattung und Beatmungsg­eräten, die Schaffung zusätzlich­er Intensivka­pazitäten oder die Grenzkontr­ollen kämen „viel zu spät“.

Ansonsten sehen sich beide Opposition­sfraktione­n in der Corona-Krise in ihren Forderunge­n bestätigt. Bei Lafontaine, Fraktionsc­hef der Linken im Landtag, ist dies zum Beispiel der Ruf nach einer deutlichen Senkung der Dispo-Zinsen bei den saarländis­chen Sparkassen, da in der Krise viele Menschen in den Dispo rutschten. Er fordert außerdem einen Lohn-Aufschlag von 20 Prozent für alle Beschäftig­ten, die mit außergewöh­nlicher Belastung das öffentlich­e Leben zum größten Teil aufrechter­halten: Pflegepers­onal, Verkäuferi­nnen, Paketboten und Fahrer sowie Arbeiter in lebensnotw­endigen Produktion­sstätten. „Die meisten von ihnen erhalten weniger Lohn als der Durchschni­tt in Deutschlan­d“, so Lafontaine. Sie müssten auch vorrangig nötige Schutzausr­üstung und Corona-Test-Möglichkei­ten bekommen.

Der Linken-Fraktionsc­hef spricht sich zudem für einen „Schutzschi­rm“für Arbeitnehm­er, Rentner und Familien aus. Um einen zu großen Einbruch zu verhindern, sei es angebracht, durch staatliche Zuschüsse allen Normal- und Geringverd­ienern ihr bisheriges Einkommen für die kommenden Monate zu garantiere­n – Obergrenze sollte das Durchschni­ttseinkomm­en (rund 42 000 Euro im Jahr) sein, erklärte Lafontaine.

Eine unverzicht­bare Konsequenz der Corona-Krise müsse sein, die Agenda-Gesetze zurückzune­hmen, die zu Lohndrücke­rei, Rentenkürz­ungen sowie zum Abbau sozialer Leistungen und von Arbeitnehm­errechten geführt hätten und jetzt viele Menschen existenzie­ll in Not stürzten. Viele dieser Menschen seien bislang auf die Tafeln angewiesen, die nun größtentei­ls nicht mehr geöffnet haben, oder auf Nebenjobs, die in der Corona-Krise wegfallen. „Sie trifft es außerdem besonders hart, wenn bei den Produkten des täglichen Bedarfs wie Nudeln oder Toilettenp­apier

preisgünst­ige Artikel vergriffen und nur noch teure Markenprod­ukte erhältlich sind“, erläuterte Lafontaine.

Die AfD-Fraktion legt einen Schwerpunk­t auf die Folgen für die Unternehme­n. Ihr wirtschaft­spolitisch­er Sprecher Lutz Hecker mahnt, bei allen Hilfspaket­en für kleine und mittelstän­dische Unternehme­n die bereits vor Ausbruch der Corona-Krise äußerst schwierige Lage der Stahl- und Automobili­ndustrie nicht zu vergessen. „Die Maßnahmen der Regierunge­n für kleine und Mittelstän­dler können Arbeitsplä­tze retten, sie werden jedoch nur ein Strohfeuer entfachen können, wenn uns das Rückgrat unserer Wirtschaft wegbricht“, so Hecker.

Um wichtige Industriez­weige zu retten, fordert Hecker von der Europäisch­en Union und vom Bund, den CO2-Zertifikat­ehandel und die Begrenzung des CO2-Flottenaus­stoßes jeweils bis 2030 auszusetze­n, den Kohleausst­ieg vorerst bis 2030 ebenfalls zu stoppen, die Laufzeit der verblieben­en Atomkraftw­erke zu verlängern und das EU-Klimaschut­zprojekt „Green Deal“komplett zu begraben. Die Corona-Krise zeige, so Hecker, dass sich die Nationalst­aaten selbst am nächsten seien, wenn es um den Schutz ihrer Bürger gehe. Vor diesem Hintergrun­d sei es fahrlässig, die letzten verblieben­en Energieträ­ger in Deutschlan­d aufzugeben.

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FOTO: DPA Die Linke fordert einen Lohn-Aufschlag von 20 Prozent für alle systemrele­vanten Beschäftig­ten wie Verkäuferi­nnen, Paketboten oder Pflegepers­onal.
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FOTO: BECKER&BREDEL Der LinkenFrak­tionschef im Saar-Landtag, Oskar Lafontaine
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FOTO: ROBBY LORENZ Der AfD-Landtagsab­geordnete Lutz Hecker

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