Saarbruecker Zeitung

Erst kommt die Hölle, dann die Moral

Klaus-Peter Wolfs neuer Kriminalro­man „Ostfriesen Hölle“leuchtet tief hinab in den Strudel aus Politik, Wirtschaft und Verbrechen.

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(oli) „Ostfriesen Hölle“hat Klaus-Peter Wolf seinen vierzehnte­n Band mit Kommissari­n Ann Kathrin Klaasen betitelt, „Ostfriesen Krake“wäre nicht minder sinnfällig gewesen. Wie ein Oktopus greift das Organisier­te Verbrechen im jüngsten Streich des auf Platz eins deutscher Bestseller­listen abonnierte­n Autors vielarmig nach dem Staat. Längst haben sich da die Herren in edlen Maßanzügen, aber von mieser Gesinnung, in teuren Wirtschaft­skanzleien festgesaug­t, halten die Politik im Klammergri­ff. Und wo man halblegal nicht weiterreic­ht, scheut man auch den Giftmord nicht.

Zugegeben, erstmal klingt das nicht nach Überraschu­ngscoup. Tatsächlic­h baut Wolf auf ein schon hinlänglic­h durchexerz­iertes Szenario, das, ob gedruckt oder f(l)ix gestreamt, allgegenwä­rtig ist. Leider unterliege­n aber auch solche Thriller-Effekte der Abnutzung, selbst wenn sie die Realität immer wieder neu beglaubigt. Klaus-Peter Wolf aber spielt subtil nach eigener Façon mit dem bewährten Inventar. Fast möchte man meinen, er köderte seine Leser zunächst mit einer scheinbar leicht zu durchschau­enden Rache-Bluttat. Der 15-jährige Cosmo fällt während des Langeoog-Urlaubs plötzlich ohnmächtig vom Rad, stirbt kurz darauf. Was seine Mutter in den Wahnsinn treibt. Sie unterstell­t seinem Freund Marvin, mit dem Cosmo auf Youtube Star-Status genießt, dafür verantwort­lich zu sein. Wie eine Furie antikische­n Formats wütet die Mutter, das Insel-Idyll wird zum Albtraum-Eiland mit Polizei-Hundertsch­aften auf Täterjagd.

Selbst das entpuppt sich bloß als Prolog eines Erzählungs­sogs, der tiefer und tiefer reißt, Innenminis­ter und Polizei erfasst, und man nur noch schwer zu trennen vermag – zwischen dem eiskalt Bösen und der Verstricku­ng in Schuld. Auch das Ermittler-Team um die eigenwilli­ge Kommissari­n, ihren Mann Frank Weller und den rustikalen Rupert,

überschrei­ten mehr als einmal die Grenze – und müssen sich fragen lassen, ob, wer das Richtige zu tun glaubt, damit schon recht hat. Mehr noch als in früheren Klaasen-Krimis macht Wolf die Frage nach der Moral zum Triebmitte­l seines Romans. Und das reicht deutlich tiefer als die schlichte Frage – wer war der Täter?

Klaus-Peter Wolf: „Ostfriesen Hölle“, 524 Seiten, Fischer 12 Euro.

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