Saarbruecker Zeitung

Eine Meister-Feier ohne Fans und Rausch

Handball-Nationalto­rhüter Andreas Wolff erlebt erst den Saisonabbr­uch in Polen und dann die Olympia-Verschiebu­ng.

- VON CHRISTOPH STUKENBROC­K Produktion dieser Seite: Kai Klankert, Stefan Regel

(sid) Ausschweif­ende Party? Tagelanger Rausch? Von wegen. Den ersten Meistertit­el seiner Karriere hatte sich Andreas Wolff anders vorgestell­t.“„Ich bin morgens aufgewacht und habe auf mein Handy geschaut“, erzählt der Handball-Nationalto­rhüter und klingt so nüchtern, wie es war: „Da stand dann eine Nachricht: Wir sind Meister.“

Andreas Wolff

Natürlich sei die polnische Meistersch­aft mit Kielce nach drei erfolglose­n Anläufen mit dem THW Kiel „etwas ganz Besonderes“gewesen. Doch „ein bisschen Wehmut“war nach der Verbands-Entscheidu­ng am grünen Tisch schon dabei, dass „wir nicht mit unseren fantastisc­hen Fans feiern konnten“.

Seit dem vorzeitige­n Saisonabbr­uch aufgrund der Corona-Pandemie hängt Wolff in der Luft. Die Tage verbringt der Europameis­ter von 2016 isoliert in seiner Wohnung im Südosten Polens, stählt seine Muckis auf der Hantelbank und zockt abwechseln­d auf dem Computer

oder an der Playstatio­n Videospiel­e. „Natürlich darf ich auch raus in den Park zum Laufen. Aber ich vermisse den Handball sehr. Eine Woche ist das mal ganz schön in Isolation, aber inzwischen nervt das nur noch“, sagt Wolff.

Der Torwart-Riese hat in diesen Tagen viel Zeit zum Nachdenken.

Nachdenken über Corona, über seinen vorerst geplatzten olympische­n Traum und die schwere Krise, in der sich sein Sport vor allem hierzuland­e befindet. Die momentane Situation empfindet er als „Katastroph­e. Aber es ist jetzt ganz wichtig, dass wir uns an die Regeln halten“, sagt Wolff – und sieht einen Abbruch der deutschen Bundesliga-Saison nach polnischem Vorbild auch deshalb aktuell als „alternativ­los“an.

„Selbst wenn die Bundesliga ihre Meistersch­aft fortsetzen sollte, wären die Teams ja komplett aus ihrem Rhythmus“, erläutert Wolff: „Sie haben nicht trainiert und nicht gespielt. Das ist nicht im Sinne des

Wettbewerb­s – und ehrlich: Das wollen die Zuschauer nicht sehen.“

Jetzt kämen in Meistersch­aft und Europacup die wichtigen Spiele, betont Wolff und führt aus: „Wenn die Mannschaft­en jetzt unvorberei­tet in den Endspurt gehen, macht das unseren Sport kaputt.“Vor allem die Bundesliga lebe von der tollen Stimmung. „Angesichts des Infektions-Risikos wären aber wenn überhaupt nur Geisterspi­ele möglich“, sagt Wolff: „Deshalb denke ich, auch wenn es für viele Vereine bitter ist, dass man nach dem Vorbild der polnischen Liga vorgehen sollte.“Momentan ist die Bundesliga-Saison bis zum 23. April ausgesetzt.

Für die Verschiebu­ng der Sommerspie­le hat der 29-Jährige unter den aktuellen Voraussetz­ungen vollstes Verständni­s. „Was wären die Spiele denn wert, wenn die Sportler nicht ihr Optimum präsentier­en können und schlimmste­nfalls keine Zuschauer zugelassen wären oder nur wenige“, sagt Wolff: „Ich habe lieber sehr, sehr schöne Spiele in Tokio 2021 als getrübte 2020.“

Zu seinen Kollegen aus der Nationalma­nnschaft und Bundestrai­ner Alfred Gislason hat Wolff aktuell nur über das Internet Kontakt. „Alfred versucht die ganze Zeit, Trainingsp­läne auf die Beine zu stellen“, sagt Wolff. Und auch er selbst versuche, sich „so gut es geht vorzuberei­ten für die bald anstehende­n Aufgaben wie die Olympia-Quali“. Wann auch immer diese sein wird. Immerhin tut er es als polnischer Meister.

„Ich habe lieber sehr, sehr schöne Spiele in Tokio 2021 als getrübte 2020.“

Handball-Nationalto­rhüter

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FOTO: GAMBARINI/DPA Nationalto­rhüter Andreas Wolff vermisst den Handball sehr. Er selbst ist gerade erst am grünen Tisch polnischer Meister mit KS Kielce geworden. Einen Abbruch der Bundesliga-Saison hält er für „alternativ­los“.

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