Der Einzelhandel erlebt einen Stotterstart
Seit gut zwei Wochen haben die meisten Geschäfte im Regionalverband wieder geöffnet. Trotzdem müssen sich die Händler auf eine ungemütliche Zukunft gefasst machen.
Der große Kaufrausch ist ausgeblieben. Unter den Händlern im Regionalverband ist man sich einig: Bisher überwiegt bei den Kunden die Zurückhaltung. Durch die Auswirkungen der Coronakrise gebe es für den Handel in naher Zukunft „viele Baustellen, die beseitigt werden müssen“, sagt Michael Genth, Vorsitzender des Saarbrücker Vereins für Handel und Gewerbe. Unter der Woche sei in der Saarbrücker Fußgängerzone momentan ungefähr die Hälfte des üblichen Besucheraufkommens zu verzeichnen. Am vergangenen Samstag sei es sogar nur gut ein Drittel gewesen. Insgesamt „liegen wir weit hinter dem, was in den letzten Jahren passiert ist“, sagt Genth. Was dem Handel in Saarbrücken trotz des geringeren Kundenaufkommens zugute komme, sei die Tatsache, dass die große Mehrheit der Leute, die sich in der Fußgängerzone aufhielten, auch einkaufen würden. Zudem dürfen seit Montag auch die größeren Geschäfte auf voller Fläche öffnen. Während in der Fußgängerzone schon fast alle Läden wieder Kunden begrüßen, sollen in den nächsten Tagen auch die meisten Geschäfte in der Europa-Galerie folgen. Im Hinblick auf die Zukunft sollen laut Genth Gewerbetreibende mit ihren Vermietern nach Lösungen suchen. Dass es allerdings nicht einfach wird, möglichst viele Läden über die Krise zu retten, weiß auch Genth: „Es gibt keine Formel, die das sofort löst.“
Um den Handel in der Stadt Saarbrücken schnell anzukurbeln, ist es aus Sicht von Sebastian Kurth wichtig, dass bald weitere Lockerungen in Kraft treten. Der Leiter des Saarbrücker Amtes für Wirtschaftsförderung will sich in naher Zukunft dafür einsetzen, dass die Gastronomie wieder öffnet und es Freizeitangebote gibt. Wenn auch unter Auflagen sei das Zusammenspiel der einzelnen Branchen entscheidend für Umsatz und Besucherzahlen. Es gelte aktuell „den Spagat aus Lockerungen und Einhaltung von Hygieneregeln zu meistern“. Zunächst sei wichtig, dass möglichst wenige ihren Job verlieren und sich gleichzeitig die Konsumstimmung in der Bevölkerung wiederbelebe. Dabei würden laut Kurth auch Wiederöffnungen der Grenzen helfen.
Die bisherige Zurückhaltung der Kundschaft, persönlich im Laden vorbeizukommen, spürt Sabrina Batke am eigenen Leib. „Man besorgt nur noch das Nötigste vor Ort“, sagt die Inhaberin eines Dekorationsund Einrichtungsladen in Heusweiler. Seit der Wiederöffnung
am 20. April seien zwar wieder Kunden in ihren Laden gekommen, doch weiterhin bestellten viele lieber in ihrem Online-Shop.
Nicole Gießelmann musste wegen der Corona-Pandemie vier geplante Modenschauen absagen. Für ihr Bekleidungsgeschäft in Friedrichsthal sei damit eine zuverlässige Einnahmequelle der vergangenen Jahre weggebrochen. Ihr Ehemann, der ab und zu im Geschäft mit anpackt, fürchtet, dass sie „noch lange nicht über den Berg sind“. Die
Wiederöffnung sei zwar ein erfreulicher Schritt gewesen, jedoch trage die Maskenpflicht nicht gerade dazu bei, dass bei den Leuten die Lust auf einen Einkaufsbummel aufkomme.
Das bestätigt auch Wolfgang Heinig, der in einer Buchhandlung in Dudweiler arbeitet. Dort erlebe man allenfalls einen „leichten Umschwung hin zur Normalität“. Nur zögerlich ließen sich wieder Kunden in der Stadt blicken. Das Verhältnis von Einkäufen im Laden und den Bestellungen im Online-Shop pendele sich nur langsam wieder ein.
Ulrike Löw aus Neuweiler plagen derzeit aber noch andere Sorgen als ausbleibender Publikumsverkehr. Ihrem Blumengeschäft gehen Einnahmen verloren, mit denen vor Corona sicher zu rechnen war. Darunter fielen unter anderem Trauerkränze für Beerdigungen. Eine Firma in der Nähe, die sie sonst regelmäßig mit Blumensträußen versorge, fiele zurzeit ebenfalls als Abnehmer aus, die Belegschaft befände sich in Kurzarbeit. Der am Sonntag anstehende Muttertag wird wieder etwas Geld in die Kasse spülen, erwartet Löw, doch dann ginge es mit großen Schritten auf den Sommer zu, der sich erfahrungsgemäß nicht positiv auf ihr Geschäft auswirke.
„Es gibt viele Baustellen, die beseitigt
werden müssen.“
Michael Genth
Vorsitzender des Saarbrücker Vereins für
Handel und Gewerbe