Saarbrücker kämpfen gegen Nazi-Schmierereien
Ein breites Bürgerbündnis prangert die Zunahme rechter und rassistischer Parolen im öffentlichen Raum des Saarbrücker Stadtviertels an.
Die Menschen im Saarbrücker Stadtteil Malstatt haben es satt. Seit dem Jahreswechsel verschandeln verstärkt Nazi-Schmierereien das Viertel. Vor allem im Bereich zwischen der Rußhütter- und Riegelsberger Straße tauchen immer wieder rechte Graffiti auf, die mit Edding oder Farbe an Häuserwände geschmiert werden. „Eines fand mein Ehemann direkt auf dem Verteilerkasten bei uns am Haus“, berichtet Ingeborg Damaske, die sich auch in der Frauengruppe Courage engagiert. Mehrere ihrer Bekannten hätten ebenfalls bei sich in der Straße verschiedene rechte Schmierereien entdeckt. In diesen würden vor allem Menschen jüdischen Glaubens und Linke diffamiert und die nationalsozialistische Ideologie verherrlicht. Auch homophobe Sprüche seien verstärkt dabei.
Laut Guido Vogel-Latz, der seit Kurzem neuer 1. Vorsitzender des Stadtteilvereins „Malstatt gemeinsam stark“(Mags) ist, handelt es sich dabei keineswegs um plumpe Schmierereien. „Die haben schon ein neues Level“, sagt er. Um den rechten Umtrieben etwas entgegenzustellen, haben sich er und viele andere Malstatter in einem Bürger-Netzwerk unter dem Namen „Malstatt wehrt sich“organisiert (wir berichteten). Unterstützung erhalten die betroffenen Anwohner aber nicht nur vom Mags-Stadtteilverein, sondern auch von der Zukunftsarbeit Molschd (ZAM), dem Quartiersmanagement Soziale Stadt, sowie der Frauengruppe Courage. Das breite Bündnis prangert nicht nur die rechten Schmierereien im Stadtbild an, sondern fordert von der Stadt auch deren schnelle Beseitigung. Zudem sei von einem engagierten Bürger bei der Polizei eine Anzeige wegen Volksverhetzung gestellt worden. Passiert sei seitdem aber nicht viel, sagt Ingeborg Damaske, die sich mit ihrem Mann ebenfalls im Netzwerk engagiert. Einige Bürger hätten wohl deswegen bereits selbst die Initiative
ergriffen und viele der Nazi-Schmierereien überstrichen. Allerdings mache ihr nicht nur das rechte Graffiti in ihrer Nachbarschaft Sorgen. Durch die momentane Corona-Situation befürchtet sie, dass rechte und nationalistische Positionen wieder verstärkt Anklang finden könnten und die Gesellschaft spalten.
In Malstatt scheinen die rechten Schmierereien und das Coronavirus jedoch dafür zu sorgen, dass die Zivilgesellschaft wieder
verstärkt zusammenrückt. Bestes Beispiel dafür ist laut Guido Vogel-Latz die Initiative „Insieme“, mit der man zudem eine „kreative Antwort“auf die rassistischen Schmierereien im Stadtviertel gefunden habe. Zweimal pro Woche verteilen rund 110 Ehrenamtliche Lebensmittel an bedürftige Menschen im Stadtteil und entlasten dadurch in Teilen auch die Saarbrücker Tafel in Burbach, die wegen der Corona-Krise unter erschwerten Bedingungen arbeiten muss (wir berichteten auch hier). Gleichzeitig wehre man sich so gegen das Image als „Problemviertel“. Als „Melting Pot“habe der Stadtteil zwar „schon immer vor Herausforderungen gestanden“, gibt Guido Vogel-Latz zu, aber genau das würde auch viele Chancen bieten.
Auch die Quartiersmanagerin von Malstatt, Hana Jelassi, vertritt den Standpunkt, dass das Stadtviertel seinen schlechten Ruf nicht verdient hat. Gerade dort, wo die verschiedensten Menschen und Kulturen aufeinandertreffen, habe man erst das Gefühl, in einer Stadt zu leben. „Wir lassen uns den Stadtteil nicht schlechtmachen“, sagt sie mit einer Bestimmtheit, die jedem Zuhörer klar werden lässt, dass weder rechte Schmierereien noch das Coronavirus daran etwas ändern könnten.