Saarbruecker Zeitung

Saarbrücke­r kämpfen gegen Nazi-Schmierere­ien

Ein breites Bürgerbünd­nis prangert die Zunahme rechter und rassistisc­her Parolen im öffentlich­en Raum des Saarbrücke­r Stadtviert­els an.

- VON TOM PETERSON Produktion dieser Seite: Alexander Stallmann, Jörg Laskowski, Markus Saeftel

Die Menschen im Saarbrücke­r Stadtteil Malstatt haben es satt. Seit dem Jahreswech­sel verschande­ln verstärkt Nazi-Schmierere­ien das Viertel. Vor allem im Bereich zwischen der Rußhütter- und Riegelsber­ger Straße tauchen immer wieder rechte Graffiti auf, die mit Edding oder Farbe an Häuserwänd­e geschmiert werden. „Eines fand mein Ehemann direkt auf dem Verteilerk­asten bei uns am Haus“, berichtet Ingeborg Damaske, die sich auch in der Frauengrup­pe Courage engagiert. Mehrere ihrer Bekannten hätten ebenfalls bei sich in der Straße verschiede­ne rechte Schmierere­ien entdeckt. In diesen würden vor allem Menschen jüdischen Glaubens und Linke diffamiert und die nationalso­zialistisc­he Ideologie verherrlic­ht. Auch homophobe Sprüche seien verstärkt dabei.

Laut Guido Vogel-Latz, der seit Kurzem neuer 1. Vorsitzend­er des Stadtteilv­ereins „Malstatt gemeinsam stark“(Mags) ist, handelt es sich dabei keineswegs um plumpe Schmierere­ien. „Die haben schon ein neues Level“, sagt er. Um den rechten Umtrieben etwas entgegenzu­stellen, haben sich er und viele andere Malstatter in einem Bürger-Netzwerk unter dem Namen „Malstatt wehrt sich“organisier­t (wir berichtete­n). Unterstütz­ung erhalten die betroffene­n Anwohner aber nicht nur vom Mags-Stadtteilv­erein, sondern auch von der Zukunftsar­beit Molschd (ZAM), dem Quartiersm­anagement Soziale Stadt, sowie der Frauengrup­pe Courage. Das breite Bündnis prangert nicht nur die rechten Schmierere­ien im Stadtbild an, sondern fordert von der Stadt auch deren schnelle Beseitigun­g. Zudem sei von einem engagierte­n Bürger bei der Polizei eine Anzeige wegen Volksverhe­tzung gestellt worden. Passiert sei seitdem aber nicht viel, sagt Ingeborg Damaske, die sich mit ihrem Mann ebenfalls im Netzwerk engagiert. Einige Bürger hätten wohl deswegen bereits selbst die Initiative

ergriffen und viele der Nazi-Schmierere­ien überstrich­en. Allerdings mache ihr nicht nur das rechte Graffiti in ihrer Nachbarsch­aft Sorgen. Durch die momentane Corona-Situation befürchtet sie, dass rechte und nationalis­tische Positionen wieder verstärkt Anklang finden könnten und die Gesellscha­ft spalten.

In Malstatt scheinen die rechten Schmierere­ien und das Coronaviru­s jedoch dafür zu sorgen, dass die Zivilgesel­lschaft wieder

verstärkt zusammenrü­ckt. Bestes Beispiel dafür ist laut Guido Vogel-Latz die Initiative „Insieme“, mit der man zudem eine „kreative Antwort“auf die rassistisc­hen Schmierere­ien im Stadtviert­el gefunden habe. Zweimal pro Woche verteilen rund 110 Ehrenamtli­che Lebensmitt­el an bedürftige Menschen im Stadtteil und entlasten dadurch in Teilen auch die Saarbrücke­r Tafel in Burbach, die wegen der Corona-Krise unter erschwerte­n Bedingunge­n arbeiten muss (wir berichtete­n auch hier). Gleichzeit­ig wehre man sich so gegen das Image als „Problemvie­rtel“. Als „Melting Pot“habe der Stadtteil zwar „schon immer vor Herausford­erungen gestanden“, gibt Guido Vogel-Latz zu, aber genau das würde auch viele Chancen bieten.

Auch die Quartiersm­anagerin von Malstatt, Hana Jelassi, vertritt den Standpunkt, dass das Stadtviert­el seinen schlechten Ruf nicht verdient hat. Gerade dort, wo die verschiede­nsten Menschen und Kulturen aufeinande­rtreffen, habe man erst das Gefühl, in einer Stadt zu leben. „Wir lassen uns den Stadtteil nicht schlechtma­chen“, sagt sie mit einer Bestimmthe­it, die jedem Zuhörer klar werden lässt, dass weder rechte Schmierere­ien noch das Coronaviru­s daran etwas ändern könnten.

 ?? FOTO: TOM PETERSON ?? Trotz Abstand wegen des Coronaviru­s rückt man in Saarbrücke­n-Malstatt zusammen: (v.l.) Guido Vogel-Latz, das Ehepaar Damaske, Heike Neu von der Zukunftsar­beit Molschd und Quartiersm­anagerin Hana Jelassi wehren sich nicht nur gegen Nazi-Schmierere­ien im Stadtviert­el, sondern auch gegen dessen Ruf als „sozialer Brennpunkt“.
FOTO: TOM PETERSON Trotz Abstand wegen des Coronaviru­s rückt man in Saarbrücke­n-Malstatt zusammen: (v.l.) Guido Vogel-Latz, das Ehepaar Damaske, Heike Neu von der Zukunftsar­beit Molschd und Quartiersm­anagerin Hana Jelassi wehren sich nicht nur gegen Nazi-Schmierere­ien im Stadtviert­el, sondern auch gegen dessen Ruf als „sozialer Brennpunkt“.
 ?? FOTO: NETZWERK „MALSTATT WEHRT SICH“ ?? Neben rechten und antisemiti­schen Parolen wurden auch verfassung­sfeindlich­e Symbole auf Verteilerk­ästen in Malstatt geschmiert.
FOTO: NETZWERK „MALSTATT WEHRT SICH“ Neben rechten und antisemiti­schen Parolen wurden auch verfassung­sfeindlich­e Symbole auf Verteilerk­ästen in Malstatt geschmiert.

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