E-Commerce im Saarland erlebt Corona-Boom
In der Corona-Pandemie kaufen viele Saarländer lieber im Internet als im Einzelhandel. Doch davon profitieren auch hiesige Versandhändler.
In der Corona-Krise bestellen mehr Menschen im Internet. Der Einzelhandel leidet, doch die saarländischen Online-Händler machen gute Geschäfte. Sie verzeichnen teilweise sechs Mal so viele Bestellungen wie sonst.
Während die Corona-Krise für den Einzelhandel bislang ein Desaster ist, kommen die Online-Händler mit ihren Lieferungen kaum nach. „Bei uns brummt das Geschäft richtig“, sagt Andreas Müller, geschäftsführender Gesellschafter des Online-Versenders Deltatecc in Saarwellingen. Seine Firma hat alles im Angebot, was der Mensch so braucht, wenn er zu Hause mehr Zeit verbringt, als ihm lieb ist – vom Akku-Schrauber bis zum Flachbildschirm. „Die meisten Leute wollen diese Zeit möglichst angenehm gestalten.“Was ist besonders begehrt? „Haar- und Bart-Trimmer, aber auch Nähmaschinen“, fällt Müller spontan ein. Die Gründe sind naheliegend. „Die Friseure hatten ihre Salons wochenlang geschlossen, und auch jetzt vermeiden noch viele einen engen Kontakt zu den Haarkünstlern.“Und die Nähmaschinen? – „Für neue, selbst hergestellte Atemschutzmasken“. „Oder das Nähen wird als Freizeitbeschäftigung für zu Hause wiederentdeckt“, vermutet er. Je stärker sich der Frühling Bahn bricht, desto mehr rücken gehobene Garten-Accessoires in der Bestell-Hitliste nach oben – wie der Grill für den ambitionierten Bruzzel-Profi.
Auch für Ulf Unbehaun, geschäftsführender Gesellschafter des Homburger
Online-Händlers Personello, läuft das Geschäft seit Wochen „wie sonst nur vor Weihnachten“. Er hat sein Versandunternehmen, das sich auf Geschenke mit persönlicher Note spezialisiert hat, 2003 gegründet und beschäftigt heute rund 70 Mitarbeiter. Er ist eigenen Angaben zufolge Marktführer in Deutschland, wenn es darum geht, Geschenk-Unikate für familiäre Anlässe wie Hochzeiten oder Geburtstage zu versenden. Das reicht von der mit Namen und Sinnspruch bedruckten Fußmatte über den Fotowürfel aus Holz bis zu Tassen oder Gläsern mit Gravur. „Derzeit gehen bis zu 6000 Bestellungen täglich raus, normal sind etwa 1000“, sagt Unbehaun. Renner sind „Behelfsmasken für den Gesichtsschutz,
Ulf Unbehaun
die mit netten Sprüchen und kleinen Zeichnungen dem Betrachter ein Lächeln entlocken sollen“.
Einen wahren Ansturm muss auch Olivier Höfer mit seiner Firma Höfer Chemie aus Kleinblittersdorf verkraften. Er bietet ein breites Sortiment rund um die Pflege von Swimming-Pools an, aber auch zum generellen Reinigen von Flächen. Höfer kauft die Basisstoffe wie Bioalkohol und Isopropanol in großen Mengen ein; sie werden ihm als Konzentrate in Tanks geliefert. Er verdünnt sie und füllt sie in haushaltsübliche Gebinde ab. „In Zeiten von Corona sind Reinigungsmittel auf Basis von Isopropanol natürlich der Renner. Wir kommen mit den Lieferungen kaum nach“, sagt er.
Stefan Maurer hat mit seiner Saarlouiser Firma Meierlogistik aus Saarlouis ebenfalls gut zu tun, obwohl sein Name nirgendwo auftaucht, wenn der Paketbote an der Haustür klingelt. Doch die Herzen der meist weiblichen Kunden dürften trotzdem höherschlagen. Meierlogistik verschickt Damenhandtaschen – und zwar die Marken Emily & Noah, Suri Frey und Baglays. „Wir wickeln den Online-Versand dieser Taschen für Zalando und den Otto-Shop ab“, erläutert Maurer. In Saarlouis betreibt er ein dreigeschossiges Lager, in dem Zehntausende von Handtaschen auf ihre künftigen Besitzerinnen in Deutschland, Westeuropa und Skandinavien warten. Dort beschäftigt er mehr als 20 Mitarbeiter. Corona hat auch ihm zusätzliche Bestellungen in die Auftragsbücher gespült. „Eine neue Tasche ist für viele Frauen ein kleines Trostpflaster in Zeiten sozialer Distanz“, meint er. „Die Damen freuen sich darauf, bald wieder ausgehen und die neue Tasche zeigen zu können.“
Deltatecc-Chef Andreas Müller gibt sich für seine Branche gerade im Saarland selbstbewusst. „Hier hat sich in dem vergangenen Jahr eine bunte und kreative Firmenszene entwickelt“, sagt er. Neben den Genannten gehören auch die die Online-Händler Deuba aus Merzig und ASMC aus Schiffweiler diesem Kreis an. Deuba hält ein breites Sortiment an Möbeln für Garten und Haus vor, zählt aber auch die Heimwerker zum Kundenkreis. ASMC ist eher etwas für ganze Kerle mit Drang nach draußen. Rund 20 000 Artikel an Militär- und Campingausrüstung versendet das Unternehmen online und betreibt
„Derzeit gehen bis zu 6000 Bestellungen täglich raus, normal sind
etwa 1000.“
Online-Händler Personello (Homburg)
zudem sechs Filialen – mit Saarbrücken und Schiffweiler zwei davon im Saarland. Die Chefs dieser Firmen treffen sich regelmäßig zum Erfahrungsaustausch. „Wir helfen uns, wo wir können“, sagt Müller. Da sie in verschiedenen Segmenten tätig sind, „ist auch niemand der Konkurrent des anderen“. Er selbst ist zudem noch Vizepräsident des Bundesverbandes Online-Handel (BVOH), der „den kleinen und mittelständischen Online-Händlern eine Stimme geben will“, sagt er.
Zuletzt hatte sich der BVOH mit den Paketzustellern angelegt, die in Zeiten von Corona ebenfalls an ihre
Kapazitätsgrenzen stoßen. Zusätzliche Fahrten seien von heute auf morgen storniert worden, kritisiert der BVOH. Hätten die Paketzusteller rechtzeitig auf diesen Engpass hingewiesen, „hätten die Händler den Verkauf drosseln können“, sagt Verbandspräsident Oliver Prothmann. Da sie dies versäumt hätten, sei es vor allem um Ostern herum zu erheblichen Lieferverzögerungen gekommen.
Branchenprimus DHL „hat die Lage jetzt im Griff“, sagt Heinz-Jürgen Thomeczek, Sprecher der Post-Tochter für den deutschen Südwesten. „Bei uns geht es seit Wochen zu wie in der Vorweihnachtszeit“, wirbt er um Verständnis. Inzwischen seien alle zusätzlichen Fahrzeuge auf der Straße und auch die Studenten, die auch sonst in Stoßzeiten eingesetzt werden, „haben wir eingespannt“. In den regionalen DHL-Verteilzentren, wie zum Beispiel in St. Ingbert, müssten jedoch Corona-bedingt auch die Mindestabstände zwischen den Mitarbeitern eingehalten werden. „Das führt zu einem verminderten Paket-Durchlauf“, sagt er. Der Paketversender DPD teilte ebenfalls mit, „dass es aktuell keine bekannten Einschränkungen innerhalb Deutschlands gibt“.