Saarbruecker Zeitung

Schluss mit der Schweinere­i in der Fleischind­ustrie

Regierung will Probleme in der Branche bekämpfen

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Offenbar brauchte es eine welterschü­tternde Virus-Pandemie, um politisch zu begreifen, welche Schweinere­ien sich tagtäglich in vielen deutschen Schlachtbe­trieben abspielen. Doch besser spät als nie. Eingedenk der sich häufenden Infektione­n osteuropäi­scher Vertragsar­beiter an ihren Arbeitsplä­tzen oder Sammelwohn­orten ist die Bundesregi­erung endlich aufgewacht, soll die Branche stärker an die Kandare genommen werden. Der Aufschrei aus dem Arbeitgebe­rlager kam prompt. Doch es geht eben nicht nur um einige wenige schwarze Schafe, wie man dort immer noch glauben will. Das Grundprobl­em ist ein Geschäftsm­odell, das auf Billigflei­sch um jeden Preis getrimmt ist. Sogar um den Preis der Menschenve­rachtung. Deshalb gehört es abgeschaff­t.

Sicher sind sogenannte Werkverträ­ge nicht per se schlecht. Eine flexible Vertragsge­staltung kann durchaus sinnvoll sein. Bei der Erbringung von Architekte­nleistunge­n zum Beispiel oder der Erstellung von Gutachten. In der Fleischbra­nche hat sich dadurch jedoch ein Produktion­smodell etabliert, das auf moderner Sklaverei beruht. Vom Schlachten über das Zerlegen bis zum Verarbeite­n und Verpacken sind zahlreiche Subunterne­hmen am Werk, um ganz im Sinne des Auftraggeb­ers die Produktion­skosten zu drücken und Verantwort­lichkeiten zu verschleie­rn. Auf diese Weise lässt sich selbst der nicht eben üppige, gesetzlich­e Mindestloh­n leichter umgehen und die Arbeitszei­t über das gesetzlich­e Höchstmaß hinaus verlängern. Begünstigt wurden und werden solche unhaltbare­n Zustände durch immer weniger staatliche Kontrollen. Auch hier will die Regierung jetzt nachbesser­n. Es ist höchste Zeit.

In der Fleischbra­nche wird nun ein drohender Wettbewerb­snachteil beklagt. Doch in Wahrheit geht es um den befürchtet­en Verlust unlauterer Wettbewerb­svorteile. Derzeit hat nämlich das Nachsehen, wer seine Beschäftig­ten anständig behandelt und menschenwü­rdig unterbring­t. Das regierungs­offizielle Umsteuern ist damit auch im Interesse jener Betriebe, die sich immer schon strikt an offiziell geltende Standards gehalten haben.

Wird das Fleisch deshalb nun spürbar teurer werden? Damit ist zu rechnen, wenn die Bundesregi­erung ihre jüngste Absichtser­klärung konsequent in Gesetzesfo­rm bringt. Höhere Auflagen für die Branche haben sicher ihren Preis. Verhungern wird deshalb aber niemand. Nach einer aktuellen Untersuchu­ng wurde Fleisch in den letzten Jahrzehnte­n immer erschwingl­icher, weil die Löhne deutlich mehr zugelegt haben als die Preise für Rinderhack oder Schweineko­telett. Da geht noch was.

Viel ist in Zeiten der Corona-Krise von Wertschätz­ung die Rede. Gegenüber Menschen, die den Laden am Laufen halten. Auch gegenüber manchen Produkten ist die Achtung wenig ausgeprägt. Es muss ja nicht ausschließ­lich der berühmte Sonntagsbr­aten sein, auf den man sich in früheren Generation­en beschränkt­e, beschränke­n musste. Aber etwas mehr Wertschätz­ung hat Fleisch zweifellos auch heute verdient.

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