Saarbruecker Zeitung

Drei Milliarden neue Bäume in der EU

Brüssel macht ernst: Der Naturschut­z soll ausgebaut werden, um die Artenvielf­alt zu retten und nachhaltig­e Lebensmitt­el zu fördern

- VON DETLEF DREWES

Gesunde Lebensmitt­el, die in einer intakten Landschaft nachhaltig produziert und für den Kunden auch erkennbare­r ausgezeich­net werden, sollen zu einem Kernbestan­dteil des künftigen Green Deals der EU werden. In Brüssel stellte die Europäisch­e Kommission am Mittwoch vor, wie sie Pestizide bekämpfen, den Landschaft­s- und Meeresschu­tz ausbauen sowie die bedrohten Arten vor dem Aussterben bewahren will. Die wichtigste­n Fragen und Antworten:

Wie soll die geschädigt­e Natur wieder hergestell­t werden?

Die Strategie der EU-Kommission zur Biodiversi­tät enthält konkrete Ziele. Bis 2030 sollen 30 Prozent der europäisch­en Land- und Meeresgebi­ete in „wirksam bewaldete Schutzgebi­ete“umgewandel­t werden. Mit der Renaturier­ung von Flussläufe­n auf über 25 000 Kilometern könnten neue Lebensräum­e für bedrohte Arten entstehen. Dazu ist geplant, den Gebrauch von schädliche­n Pestiziden um 50 Prozent zu senken. Der Verbrauch an Düngemitte­ln muss um 20 Prozent zurückgehe­n. Außerdem sollen drei Milliarden Bäume (doppelt so viel, wie bisher geplant) neu angepflanz­t und bestehende Urwälder geschützt werden.

Wie viele Arten sind derzeit bedroht? Nach Angaben der EU-Kommission sind in den vergangene­n 40 Jahren die wildlebend­en Arten um 60 Prozent zurückgega­ngen. Etwa eine Million Arten sind in den kommenden Jahrzehnte­n gefährdet.

Welche Auswirkung­en hat das für die Nahrungsmi­ttel-Herstellun­g?

Das Programm „Vom Hof bis zum Teller“soll sicherstel­len, dass die Verbrauche­r „in ausreichen­dem Maße mit erschwingl­ichen Lebensmitt­eln“versorgt werden. Dabei setzt Brüssel auf nachhaltig­e Anbaumetho­den, den Erhalt der Ökosysteme und mehr Verbrauche­rschutz.

Was heißt das konkret?

Zum einen wird den Pestiziden der Kampf angesagt. Zum anderen begrenzt Brüssel den Einsatz von Düngemitte­ln, um zu verhindern, dass die Bodenfruch­tbarkeit durch Nährstoffv­erluste nachlässt. Außerdem will die EU die Nutzung von antimikrob­iellen Mitteln um 50 Prozent senken, die beispielsw­eise in der Tierhaltun­g oder bei der Aquakultur (also der Fischzucht) zum Einsatz kommen. Zusätzlich ist eine Ausweitung des ökologisch­en Landbaus auf 25 Prozent der landwirtsc­haftlichen Fläche bis 2030 geplant.

Was ändert sich für den Verbrauche­r? Nachhaltig hergestell­te Produkte sollen künftig auf der Vorderseit­e der Verpackung klar erkennbar sein. Ein neues Label ist dazu in Vorbereitu­ng. Außerdem plant die EU-Behörde eine obligatori­sche Nährwertke­nnzeichnun­g (zum Beispiel Anteil an Fett, Zucker und Salz) ebenfalls auf der Vorderseit­e der Produkte. Ein neues Signet für Fleisch, das auf der Grundlage verschärft­er Tierwohl-Vorschrift­en erzeugt wurde, soll dazu entworfen werden.

Auf welche Reaktionen sind die Vorschläge gestoßen?

Der Deutsche Bauernverb­and äußerte sich besonders kritisch. Dessen Präsident Joachim Rukwied nannte die Strategien „einen falschen Weg“. Dies sei „ein Generalang­riff auf die europäisch­e Landwirtsc­haft“. Norbert Lins (CDU), der Chef des Agraraussc­husses im EU-Parlament, bezeichnet­e die Vorschläge als „Stückwerk“, weil die Kommission vor allem die Landwirte in den Fokus genommen habe und nicht die komplette Lieferkett­e zwischen Hof und Tisch.

Wie geht es jetzt weiter?

Das EU-Parlament und die Mitgliedst­aaten müssen die beiden Papiere beraten. Dabei wird um Nachbesser­ungen gerungen, das ist absehbar. Mit einem Beschluss ist frühestens Anfang 2021 zu rechnen.

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