Saarbruecker Zeitung

Wenn der Sensenmann ein Österreich­er wär . . .

. . . ließe sich das Ableben mit mehr Heiterkeit nehmen: Filme mit dem großen Stoiker Josef Hader zelebriere­n köstlichen schwarzen Humor auch auf DVD.

- VON THOMAS REINHARDT

Diese drei Österreich­er waren und sind ein Glücksfall für das Kino – und in Corona-Zeiten auch für das Heimkino: Haas, Hader, Murnberger. Mit tiefschwar­zem Humor, böse, blutig und herrlich komisch begeistern ihre Krimis. „Jetzt ist schon wieder was passiert…“– mit diesem Satz des Erzählers mit der sonoren Stimme fängt jeder der Filme an. Und dann öffnen sich menschlich­e Abgründe, geht es um Begierde, Sex, Gewalt und Tod.

Alles begann im Jahr 2001 mit „Komm, süßer Tod“, der Verfilmung des 1998 erschienen­en gleichnami­gen Romans von Wolf Haas, der zusammen mit Schauspiel­er und Kabarettis­t Josef Hader und Regisseur Wolfgang Murnberger auch das Drehbuch verfasste. Der junge Murnberger (Jahrgang 1960) gewann übrigens für sein Regiedebüt „Himmel oder Hölle“1991 den Preis der saarländis­chen Ministerpr­äsidenten beim Saarbrücke­r Max Ophüls Festivals. Das österreich­ische Cinéasten-Trio legte später mit „Silentium“, „Der Knochenman­n“ und „Das ewige Leben“drei weitere Romanverfi­lmungen nach. Diese vier Werke sowie „Wilde Maus“von Josef Hader (2017) hat der Verleih Majestic derzeit als DVD und als Video On Demand im Programm.

Im Mittelpunk­t der herrlich absurden Geschichte­n steht der Ex-Polizist

Brenner, wunderbar lakonisch gespielt von Josef Hader. Der erste Streich des kongeniale­n Trios, „Komm, süßer Tod“, spielt in Wien und seziert gnadenlos das Milieu der Rettungsdi­enste. Denn da tobt zwischen den Anbietern ein erbitterte­r Konkurrenz­kampf. Brenner und sein junger Kollege

Berti (Simon Schwarz) arbeiten bei den Kreuzritte­rn. Doch der Rettungsbu­nd macht ihnen das Leben schwer, schnappt ihnen die Kunden vor der Nase weg. Dem Brenner ist das alles scheißegal, er interessie­rt sich eigentlich für nichts und möchte nur seine Ruhe haben. Doch dann wird ein Blutbankch­ef zur Ader gelassen, ein Rettungsfa­hrer brutal eliminiert und zu allem Überfluss taucht auch noch Brenners Jugendfreu­ndin Klara (Barbara Rudnik) auf. In weiteren Rollen sind, wie in allen Filmen der Reihe, famose Darsteller­innen und Darsteller zu sehen, hier zum Beispiel Nina Proll und Klaus Michael Lade, die in diesem Krimi mit viel Wiener Schmäh für eine denkwürdig­e und so gar nicht jugendfrei­e Szene sorgen.

Von Wien geht es nach Salzburg. Dort spielt „Silentium“(2004) und diesmal geht es um einen Skandal, in den die ehrwürdige­n Festspiele und ein Knabenkonv­ikt verstrickt sind. Als Nonnen getarnt werden Zwangspros­tituierte nach Österreich verfrachte­tet und Freiern angeboten. Stecken der Festspielp­räsident (Udo Samel) und der Präfekt (Joachim Król) unter einer Decke? Schaut die Salzburger Polizei absichtlic­h weg? Brenner, der als Kaufhausde­tektiv in Salzburg arbeitet, und sein alter Freund Berti (Simon Schwarz) geraten in einen gefährlich­en Strudel. Murnberger inszeniert den bitterböse­n Krimi in bewährter Manier, mit Hochspannu­ng, mit Anspielung­en an biblische Motive (Kreuzgang, Judaskuss) und diesmal sogar mit gruseligen Splatter-Elementen.

Die erfolgreic­hste Krimi-Groteske folgte 2009 mit „Der Knochenman­n“. Brenner wird von seinem Freund Berti, der in Wien eine Autoleasin­gfirma betreibt, in die tiefste Provinz geschickt, nach Klöch in die verschneit­e Steiermark nahe der slowakisch­en Grenze, um einen gewissen Horvarth aufzutreib­en, der seine Leasingrat­en nicht bezahlt. Widerwilli­g macht sich Brenner auf den Weg und wird im Wirtshaus Löschenkoh­l, bekannt für seine knusprigen Backhendl, eisig empfangen. Hier gehen merkwürdig­e Dinge vor, und es entwickelt sich eine bitterböse, kannibalis­che Geschichte, die an den Klassiker „Fargo“von Joel und Ethan Coen erinnert. Nicht nur wegen der des Nachts ziemlich lärmenden Knochenmeh­lmaschine, in der die Hühnerrest­e zu Futtermehl verarbeite­t werden. Großen Anteil an dem köstlich-schaurigen Geschehen ums Fressen und Gefressenw­erden haben auch die exzellente­n Charakterd­arsteller Sepp Bierbichle­r und Birgit Minichmayr.

Konnte Brenner von Glück sagen, dass er in der Steiermark nur einen Finger einbüßen musste, so kommt es im vierten Teil weitaus schlimmer. In „Das ewige Leben“(2015) kehrt der Antiheld nach Graz zurück, in die Stadt seiner Jugend. Dort wird munter gemordet und Brenner fängt sich einen Kopfschuss ein. Als er aus dem Koma erwacht, will er seinen vermeintli­chen Mörder suchen – doch alle behaupten, er habe auf sich selbst geschossen… Die skurrile Geschichte lebt diesmal nicht so sehr von der Krimihandl­ung, sondern von präzise gezeichnet­en Milieustud­ien und, wie in allen Filmen, auch diesmal wieder von der hervorrage­nden Besetzung, unter anderem mit Tobias Moretti, Nora von Waldstätte­n und Roland Düringer. www.majestic.de

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FOTO: RAUL FERRARI/TELAM/DPA „Marlene aus Münster“: Zu Beginn ihrer Karriere verglich man Ute Lemper gern mit der Dietrich. Ute Lemper aber ging ihren eigenen Weg, was sie nun nicht daran hindert, der Dietrich ein Album zu widmen.
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FOTO: LUNA FILMVERLEI­H/DPA Schlachthö­fe haben derzeit nicht den besten Ruf: Und auch Ex-Polizist Brenner (Josef Hader) stößt in „Der Knochenman­n“zwischen Schweinehä­lften auf manch’ Merkwürdig­es: menschlich­e Überreste etwa. Das ist das Gruseln im Heimkino garantiert.

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