Auch als Geisterspiel ist das Berliner Derby brisant
Das Duell zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union sollte in der Hauptstadt der Saison-Höhepunkt sein. Das Hinspiel hatte der Aufsteiger mit 1:0 gewonnen.
(dpa) Vor dem ersten Bundesliga-Derby zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union war ganz Berlin elektrisiert, auch die Prominenz von Entertainer Günther Jauch bis zu Diskuswurf-Olympiasieger Robert Harting fieberte im vergangenen November mit. Hertha-Manager Michael Preetz sprach von „Strahlkraft“für die Stadt, Union-Präsident Dirk Zingler von „Fußball-Klassenkampf“. Nun, in Zeiten von Corona, ist vom Derby-Gefühl nicht viel übrig geblieben, wenn der 1966 als einer von zehn DDR-Fußballclubs ins Leben gerufene 1. FC Union und das von Investoren-Millionen neu motivierte Bundesliga-Gründungsmitglied Hertha BSC zum sechsten Mal in einem Pflichtspiel aufeinandertreffen.
Zwar bemühen sich Spieler und
Offizielle vor dem Anstoß im riesigen, aber leeren Olympiastadion an diesem Freitag (20.30 Uhr/ DAZN) darum, trotz der irrealen Situation eine Spannung aufzubauen. „Es ist ein Spiel unter besonderen Bedingungen, aber es bleibt ein Derby. Insofern wird es große Brisanz haben“, erklärte Preetz: „Natürlich wird es kein Derby sein, wie es sich alle wünschen. Aber für die Spieler wird eins gelten: Wenn der Schiedsrichter anpfeift, sind sie total fokussiert.“Und Union-Trainer Urs Fischer meinte: „Ein Derbysieg bedeutet mir immer etwas.“
Doch nach den Bildern vom ersten Geister-Spieltag von Ersatzspielern mit Gesichtsmasken und Riesenabstand, aber auch knallharten Zweikämpfen natürlich mit Körperkontakt und Hertha-Jubeltrauben nach eigenen Toren bleiben auch die Kritiker bei ihrer Meinung. „Dieses ganze Schauspiel hat nichts mit dem Fußball zu tun, den wir lieben und unterstützen“, erklärte der Förderkreis Ostkurve. Es sei zudem offen, „ob mit den Geisterspielen das Überleben der Vereine oder doch schlichtweg die Rettung der bestehenden Gehaltsstrukturen in Millionenhöhe gesichert werden soll“, schrieb die Vereinigung der verschiedensten Hertha-Fanclubs.
Herthas neuer Cheftrainer Bruno Labbadia will sich mit den Umständen während der Corona-Krise „gar nicht mehr beschäftigen“. Stattdessen gelte es, „den Fokus darauf zu richten, was wir beeinflussen können“. Sein Union-Kollege Fischer, der wegen eines Trauerfalls in seiner Familie beim jüngsten 0:2 der
Eisernen gegen den FC Bayern nicht auf der Bank gesessen hatte, bemerkte: „Ich werde versuchen, den Fokus auf das Spiel zu bekommen, auch wenn das nicht so einfach ist.“Und der Schweizer schloss ganz im Derby-Modus an: „Ich bin mir sicher, das wird mir gelingen.“Fischer kann nach zwei negativen Corona-Tests sein Team im Olympiastadion coachen.
Motivation würde seine Mannschaft vor allem aus dem sportlichen Ablauf des Hinspiels ziehen, das Hertha beim Bundesliga-Aufsteiger Union durch ein Last-Minute-Tor von Sebastian Polter mit 0:1 verloren hatte, berichtete indes Manager Preetz: „Das ist eine Riesenchance für uns zurückzuschlagen. Wir haben nicht vergessen, was im letzten Spiel passiert ist.“