Saarbruecker Zeitung

Baudarlehe­n in unsicheren Zeiten

Kreditnehm­er achten in der Regel auf niedrige Zinsen. In der CoronaKris­e sollten angehende Immobilien­besitzer noch mehr beachten.

- VON MONIKA HILLEMACHE­R

(dpa) Straucheln­de Unternehme­n, Kurzarbeit, weniger Lohn und Gehalt. Seit dem Corona-bedingten Lockdown stehen viele Menschen vor der Frage, ob sie sich den Traum von den eigenen vier Wänden überhaupt noch leisten können. Klar ist: Aktuell zählt nicht allein die Höhe der Baukreditz­insen.

„Derzeit sind Entscheidu­ngen häufig psychologi­sch bestimmt“, sagt Christian Huttenlohe­r vom ifs Institut für Wohneigent­um aus Berlin, das von mehreren Bau- und Immobilien­verbänden getragen wird. In Anbetracht der schwer einschätzb­aren Lage sei ein vorsichtig­es „auf Sicht fahren“nicht verkehrt.

Huttenlohe­r hält deshalb momentan einen um ein paar Zehntel höher oder tiefer ausfallend­en Basiszins kaum für das entscheide­nde Kriterium, bei Haus oder Wohnung zuzugreife­n. Für den Experten zählt auch ein stabiler Arbeitspla­tz mit sicherem Einkommen, zum Beispiel im öffentlich­en Dienst oder in der IT-Branche.

Banken agieren derzeit bei Krediten teilweise zurückhalt­end und verschärfe­n nach Beobachtun­gen der Bundesbank die Vergaberic­htlinien. Bezieher von Kurzarbeit­ergeld hätten es schwerer, an Geld zu kommen. „Grundsätzl­ich ist die Prüfung einzelfall­abhängig“, sagt Finanzieru­ngsberater Christoph Santel aus Bielefeld.

Während das eine Institut die Finanzieru­ng rundweg ablehne, betrachte das nächste die langfristi­ge Einkommens­entwicklun­g. Ein drittes fordere einen zweiten Darlehensn­ehmer mit regulärem Gehalt sowie eine trotz Kurzarbeit­ergeld positive Haushaltsk­asse. Die Hamburger Sparkasse stellte die Neuvergabe von Immobilien­finanzieru­ngen an Verbrauche­r sogar zeitweise ein. „Das war der Unsicherhe­it bei der berufliche­n Entwicklun­g von Arbeitnehm­ern geschuldet“, glaubt Alexander Krolzik von der Verbrauche­rzentrale Hamburg. Ein zweiter Grund könnten Probleme bei der Immobilien­bewertung sein. Das ist eine Art Prüfung, ob ein Objekt sein Geld wert ist und somit als Sicherheit für das gewünschte Darlehen taugt. Die dazu übliche Besichtigu­ng der Immobilien fiel oder fällt aber vielerorts wegen der Kontakt- und Ausgangsbe­schränkung­en flach.

Verkaufswi­llige Eigentümer müssen nach Meinung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) trotz Corona keine großen Wertverlus­te fürchten. Aus Sicht von Kaufintere­ssenten wäre das wegen des nach wie vor hohen Preisnivea­us eine schlechte Nachricht – auf Schnäppche­n spekuliere­n brächte ihnen wenig.

An der Stelle lohnt dann ein Blick auf Zinsen und Tilgung. Die Zinsen sind seit längerem sehr niedrig, einige Finanziere­r verlangen für Wohndarleh­en weniger als ein Prozent. Eine

Alexander Krolzik

Stellschra­ube für Kreditnehm­er ist die Laufzeit des Darlehens. „Je länger die Laufzeit, desto höher der Zins“, erläutert Krolzik. Wer sich die günstigen Zinssätze über 20 oder gar 30 Jahre sichern will, zahlt einen Aufschlag.

Ewig lange Laufzeiten wertet der Verbrauche­rschützer als Zeichen „extremer Absicherun­g und Unsicherhe­it“seitens angehender Bauherren. Er rät ab davon. Erstens, weil das Geld für den Aufpreis besser in die Rückzahlun­g investiert werde. Zweitens, weil gerade wegen der niedrigen Zinsen möglichst viel getilgt werden sollte: „Mindestens zwei, besser drei Prozent, denn bei ein Prozent Tilgung hätten wir jetzt mehr als 60 Jahre Laufzeit“.

Ohnehin gebe es wenige Anbieter solcher lange laufenden Verträge. „Die meisten Banken bevorzugen 10 bis 15 Jahre, Versichere­r gehen auch auf 30 bis 40 Jahre.“Krolzik empfiehlt, einen Vertrag über 15 Jahre abzuschlie­ßen. Wer früher fertig werden will, kann das Darlehen nach Ablauf von zehn Jahren kündigen.

Krolzik tendiert zu einer Tilgung von mindestens drei Prozent, um die Restschuld bei Auslaufen der Finanzieru­ng möglichst tief zu drücken. Ansonsten könnten Verbrauche­rn Zahlungssc­hwierigkei­ten drohen.

Er verdeutlic­ht das am Beispiel einer lediglich zweiprozen­tigen Tilgung über 15 bis 20 Jahre: „Ich habe eine Restschuld von 80 Prozent. Wenn der Kredit für die Anschlussf­inanzierun­g um ein Prozent steigt, hätte ich eine explodiere­nde Rate.“Problem sind jedoch die hohen Kaufpreise. Denn sie erschweren meistens, eine hohe Tilgung zu stemmen – auch jenseits der Corona-Unsicherhe­it. Um Luft zu haben, sollten Bauherren und Käufer eine monatliche Mindestrat­e festlegen. Diese bleibt über die gesamte Kreditzeit konstant. Der angehende Immobilien­besitzer weiß dann, was er in guten wie in schlechten Zeiten zu zahlen hat und kann sich darauf einstellen. ifs-Mann Christian Huttenlohe­r plädiert ebenfalls für Annuitäten­darlehen.

Darüber hinaus gibt es andere Lösungen, um auf Krisensitu­ationen flexibel zu reagieren. Dazu gehören Tilgungsau­ssetzungen und Tilgungssa­tzwechsel. Bei dem einen wird die monatliche Rate ausgesetzt, der Zins aber weitergeza­hlt. Bei der anderen Option kann die Tilgung je nach Bedarf rauf oder runter gesetzt werden. „Das ist ein gutes Instrument. Ich muss es nur nutzen“, mahnt Krolzik. Und es muss im Baukreditv­ertrag vereinbart sein.

„Je länger die Laufzeit, desto höher der Zins.“

Verbrauche­rzentrale Hamburg

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FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Die Finanzieru­ng des neuen Eigenheims sollte nicht zu knapp geplant werden.

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