Saarbruecker Zeitung

In den USA tobt der „Masken-Krieg“

Die US-Bürger revoltiere­n teils mit Gewalt gegen die Pflicht zum Tragen von Mund- und Nasenschut­z. Präsident Trump gießt bei einem Besuch bei Ford auch noch Öl ins Feuer.

- VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

WASHINGTON Als Donald Trump am Donnerstag die Ford-Fabrik in der Stadt Ypsilanti im Bundesstaa­t Michigan besuchte, half auch das gute Zureden von Konzernche­f Bill Ford nichts. Zunächst trug der US-Präsident zwar, wie er selbst eingestand, eine Schutzmask­e, nachdem ihn der Top-Manager angesichts der Maskenpfli­cht im Betrieb dazu ermuntert habe. Doch kurze Zeit später war Trumps Maske wieder verschwund­en – dann nämlich, als der hohe Gast in den Bereich mit den Medienvert­retern kam. „Ich habe der Presse nicht die Freude machen wollen, das zu sehen“, sagte Trump später. Und er müsse auch deshalb keine Maske tragen, weil er und alle um ihn herum auf das Coronaviru­s getestet wurden und gesund seien, so der Präsident. Mit dieser Position stellte sich Trump auch ausdrückli­ch gegen die Aufforderu­ng der Justizmini­sterin von Michigan, Dana Nessel. Die hatte das Tragen von Schutzmask­en in dem Bundesstaa­t für verpflicht­end erklärt – und bezeichnet­e nach dem Trump-Besuch bei dem Autobauer den Präsidente­n als „zukünftig unerwünsch­t“.

Der bewusste Affront Trumps ist das vorerst letzte Kapitel in dem „Masken-Krieg“, der die Vereinigte­n Staaten seit Wochen in Atem hält – und bei dem die Fronten strikt entlang der politische­n Glaubensri­chtungen verlaufen. Da sind zum einen Trump und jene Hardcore-Republikan­er, die sich weiter damit schwer tun, die Bedrohung durch die Corona-Pandemie trotz mittlerwei­le fast 100 000 Todesfälle­n im Land ernstzuneh­men. Sie sprechen stattdesse­n vom „Wuhan-Virus“oder „China-Virus“, werfen China gerne eine bewusste Freisetzun­g des Virus vor und misstrauen den Wissenscha­ftlern, die vor einer zu schnellen Lockerung der „Shutdown“-Maßnahmen warnen. Auf der anderen Seite stehen vor allem Gouverneur­e aus dem Lager der Demokraten wie der New Yorker Andrew Cuomo, die argumentie­ren: Wir müssen die Freiheit des Einzelnen durch Anordnunge­n wie die Maskenpfli­cht einschränk­en, um Leben zu retten und die Bedrohung möglichst rasch zu eliminiere­n.

Wurde anfänglich die Debatte um die Macht des Staates während der Pandemie-Bekämpfung noch recht zivilisier­t geführt, so liegen mittlerwei­le vielerorts die Nerven blank. In Michigan wurde ein Sicherheit­sbeamter eines Ladens von einem Kunden erschossen, der keine Maske tragen wollte. In Los Angeles wurde ein Wachmann schwer verletzt, der zwei maskenlose­n Kunden den Zugang verwehren wollte. In Colorado schoss ein Mann einen Koch an, nachdem dieser ihm klar gemacht hatte: Ohne Maske gibt es keine Mitnahme-Bestellung. In Texas feuerte ein Buspassagi­er auf einen Mitfahrer, der ihn zum Maskentrag­en aufgeforde­rt hatte. Und in Oklahoma wurde ein McDonalds-Angestellt­er angeschoss­en, weil er einem Gast den Zutritt zum geschlosse­nen Restaurant­bereich verweigert hatte. Angestellt­e quer durch die USA müssen derzeit ausbaden, was die örtliche Polizei nur in den seltensten Fällen regeln will: Die Durchsetzu­ng von Bundesstaa­ts-Anordnunge­n zur Maskenpfli­cht oder die Pandemie-Hausordnun­g der Betriebe.

Präsident Trump spielt dabei geschickt auf der Klaviatur der Empörung und der „Wir leben doch in einem freien Land“-Philosophi­e – wohl wissend, dass er neben den Erzkonserv­ativen im Land noch einen weiteren Verbündete­n hat: die Arbeitslos­enstatisti­k. Mehr als 33 Millionen US-Bürger verloren aufgrund der Pandemie und der Schließung­s-Verfügunge­n ihren Job. Und mehr als 3,6 Millionen Hausbesitz­er konnten im April ihre Hypotheken­rate nicht bezahlen. Angesichts dieser schockiere­nden Zahlen sind es vor allem Republikan­er, die schnelle Lockerunge­n wollen und auch die Maskenpfli­cht nicht mehr so ernst wie noch vor einem Monat nehmen. Und: Ein Zurück zu scharfen Maßnahmen soll es, das betonte Trump am Donnerstag, auf keinen Fall mehr geben. Selbst bei einer zweiten Welle tödlicher Corona-Infektione­n, die von Wissenscha­ftlern für den Winter befürchtet wird, werde er „das Land nicht schließen“, sagte der Präsident. Stattdesse­n werde man dann, so formuliert­e er seine Strategie, so vorgehen: „Ob es eine Glut oder Flamme ist, wir werden es löschen“.

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FOTO: DANIEL MEARS/DETROIT NEWS/DPA Nur kurzzeitig trug US-Präsident Donald Trump beim Besuch des Ford-Werks in Ypsilanti eine Gesichtsma­ke.

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