Saarbruecker Zeitung

Wie mehr Tests das Coronaviru­s bekämpfen sollen

Gerade Pflegeheim­e und Krankenhäu­ser könnten durch bessere Ausnutzung vorhandene­r Kapazitäte­n geschützt werden. Doch wer soll das bezahlen?

- VON TERESA DAPP UND MARTINA HERZOG Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Frauke Scholl

(dpa) Ein schneller Abstrich in Mund, Nase oder Rachen, ab damit ins Labor: Wenig später ist klar, ob jemand mit dem Coronaviru­s infiziert ist oder nicht. Das soll künftig sehr viel öfter passieren, um etwa Krankenhäu­ser und Pflegeheim­e besser zu schützen – und den Bürgern in Deutschlan­d schrittwei­se wieder einen halbwegs normalen Alltag zu ermögliche­n. Denn in den Laboren können sehr viel mehr Tests ausgewerte­t werden, als derzeit eingereich­t werden.

Die Grundlage dafür haben Bundestag und Bundesrat schon beschlosse­n. Nun ist Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) dabei, Details in einer Verordnung konkret zu machen. Doch nun droht Streit ums Geld. Pfleger und Ärzte haben außerdem auch noch ein anderes Problem.

Wer soll von jetzt an zusätzlich getestet werden?

Spahn hat insbesonde­re Krankenhäu­ser und Pflegeheim­e im Blick. „Wenn Patienten und Bewohner aufgenomme­n oder verlegt werden, sollten Sars-CoV-2-Tests die Regel sein“, sagte er der Zeitung Die Welt. Gebe es in einem Heim oder einer Klinik einen Infektions­fall, müssten alle Mitarbeite­r sowie Patienten oder Bewohner getestet werden. Zudem soll auch ein Anrecht auf einen Test auf Kassenkost­en haben, wer zwar Kontakt mit einem Infizierte­n hatte, aber selbst keine Symptome hat. Die Kapazität dafür sei da: Vergangene Woche seien 425 000 Tests durchgefüh­rt worden, mehr als doppelt so viele seien möglich.

Werden diese Tests dann überall Pflicht?

Spahn kann sie mit seiner Verordnung nur ermögliche­n. „Entschiede­n wird das von den Behörden vor Ort“, erklärte sein Sprecher. Die

Ausweitung der Tests hat aber viele Fürspreche­r. Regelmäßig­e und symptomuna­bhängige Tests seien nicht nur in Krankenhäu­sern notwendig, sondern auch in der Altenpfleg­e und der Behinderte­nhilfe, heißt es etwa bei der Gewerkscha­ft Verdi. Wahllos solle man dabei aber nicht vorgehen, mahnt die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung: „Es ist richtig, viel zu testen – aber gezielt und da, wo es medizinisc­h sinnvoll ist“, sagte ein Sprecher. „Häufige Tests bei medizinisc­hem Personal und ihrem Umfeld durchzufüh­ren, ist ein richtiger Ansatz.“

Was kosten die Tests und wer bezahlt dafür?

In der Regel die Krankenkas­sen. Das will jedenfalls das Ministeriu­m so festlegen – das gilt übrigens auch für Antikörper-Tests, die zeigen sollen, ob jemand schon eine Infektion durchgemac­ht hat. 59 Euro kostet ein Test. Es könnte aber noch Ärger um die Finanzieru­ng geben. Denn die Kassen wollen das nicht auf sich sitzen lassen. „Wir sind gesetzlich verpflicht­et, in vielen Fällen die Reihentest­s zunächst zu finanziere­n“, erklärte ein Sprecher des Spitzenver­bands der Gesetzlich­en Kassen. Man wolle sich das Geld vom Bund zurückhole­n – denn die Pandemiebe­kämpfung sei eine staatliche Aufgabe. Auch Verdi mahnt, die Kosten dürften nicht den gesetzlich Versichert­en aufgebürde­t werden, sie müssten aus Steuermitt­eln bezahlt werden.

Das sehen die Kommunen anders. Die Kassen seien auch für Prävention zuständig, argumentie­rt der Deutsche Städtetag. „Außerdem sparen die Kassen letztlich erheblich Kosten, wenn weniger Menschen infiziert werden“, sagte Hauptgesch­äftsführer Helmut Dedy. Sein Kollege Gerd Landsberg vom Städteund Gemeindebu­nd mahnte, Krankenkas­sen dürften breite Testverfah­ren nicht über Abrechnung­smodalität­en bremsen. „Die Eindämmung der Pandemie und damit die Überwindun­g der Krise im ganzen

Land darf nicht an den vergleichs­weise geringen Kosten für die Testverfah­ren scheitern.“

Gibt es noch Probleme bei der Versorgung mit Schutzausr­üstung?

Ja. Der Ärzte-Berufsverb­and Marburger Bund hatte in der ersten Mai-Hälfte mehr als 8700 Ärzte befragt, die allermeist­en davon in Krankenhäu­sern. 62 Prozent teilten mit, ausreichen­d Schutzklei­dung zu haben, 38 Prozent verneinen dies. Die größten Probleme gibt es demnach mit medizinisc­hen Atemschutz­masken. „In vielen Krankenhäu­sern, Pflegeeinr­ichtungen, ambulanten Pflegedien­sten, Behinderte­nhilfe und im Rettungsdi­enst fehlen derzeit Teile der Schutzausr­üstung“, kritisiert auch die Gewerkscha­ft Verdi. Die Deutsche Krankenhau­sgesellsch­aft gab an, die Versorgung­slage habe sich zwar gebessert, aber „noch nicht das optimale Niveau erreicht“.

Wer ist dafür verantwort­lich? Berichte, dass es beim Bundesgesu­ndheitsmin­isterium selbst hake, wies dieses entschiede­n zurück: Man habe Kassenärzt­liche Vereinigun­gen und Länder mit etwa 400 Millionen Masken versorgt – diese seien aber dafür verantwort­lich, dass die Masken auch in Praxen und Kliniken ankommen. Die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung wiederum verwies am Freitag auf die Länder: „Im Pandemiefa­ll sind nach dem Infektions­schutzgese­tz die Bundesländ­er zuständig für die Bereitstel­lung von ausreichen­d Schutzmate­rial“, sagte ein Sprecher.

Welche Probleme gibt es noch? Spahns Ministeriu­m hat „logistisch­e Probleme“eingeräumt – dabei geht es um die Qualitätsk­ontrolle für Schutzausr­üstung und die Zahlung an die Lieferante­n. Ein Fünftel der gelieferte­n Ware sei mangelhaft gewesen, sagte ein Sprecher, deswegen gebe es eine zeitintens­ive Kontrolle. Das führe zu Problemen bei der Auszahlung. Teils fehlten aber auch Liefersche­ine oder Tüv-Protokolle, oder Rechnungen seien fehlerhaft.

Wie will die Bundesregi­erung für die Zukunft vorsorgen?

Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium will eine dauerhafte nationale Reserve an medizinisc­her Schutzklei­dung aufbauen, wie Spahn der Zeitung Die Welt sagte. Diese könnte mehrere Lagerhalle­n in Anspruch nehmen – je nachdem, wie groß sie wird und ob etwa auch Medikament­e, die ja eine begrenzte Haltbarkei­t haben, oder Beatmungsg­eräte eingelager­t werden. Ein Sprecher sagte, das Konzept dafür werde gerade erarbeitet.

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FOTO: HANS KLAUS TECHT/DPA In deutschen Laboren wurden vergangene Woche 425 000 Corona-Tests ausgewerte­t. Mehr als doppelt so viele sind möglich.

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