Wie der Kalte Krieg wieder aufgewärmt wird
Die Kriegsgefahr zwischen Russland und dem Westen hat wieder zugenommen, und zwar sowohl die atomare wie die konventionelle. Russland unter Putin und die USA unter Trump haben dies zu verantworten. Wer da die größere Schuld trägt, ist schwer auszumachen. Fakt ist, dass Russland mit der Annexion der Krim sowie mit seinen verdeckten Operationen in der Ostukraine und in anderen Regionen den Sinn vieler Abkommen schon zu Obamas Zeiten unterlaufen hat. Und dass es eine enorme Aufrüstung vor allem seiner Raketentechnologie betreibt. Fakt ist aber auch, dass Donald Trump diese Vorlagen jetzt allzu bereitwillig aufnimmt – um bessere Abrüstungsverträge zu verhandeln, wie er behauptet. Aber auch, um seinerseits massiv aufzurüsten. Das Abkommen über die Begrenzung von Mittelstreckenraketen „INF“ist schon Makulatur, ebenfalls der „KSE“-Vertrag über die Begrenzung konventioneller Streitkräfte. Beide Abkommen waren zentral für Europas Sicherheit. Und fraglich ist, ob es eine Nachfolge für das „Start“-Abkommen zur Begrenzung von Interkontinentalraketen geben wird. Der Kalte Krieg wird wieder aufgewärmt.
Eine Lehre aus der Zeit der Blockkonfrontation war, dass die größte Gefahr neben der schieren Anzahl und Schlagkraft der Waffen im gegenseitigen Misstrauen lag. Ein Krieg aus Versehen war jederzeit möglich. Neben der Verringerung der Arsenale gab es seit 1990 deshalb eine ganze Reihe vertrauensbildender Maßnahmen. Auch sie gehen nun den Bach herunter. Erst der Nato-Russland-Rat, der seit der Krim-Annexion de facto aufgehört hat zu existieren. Und jetzt das „Open-Skies“-Abkommen, das es den Beteiligten erlaubt, gegenseitig Beobachtungsflüge
zu unternehmen. Nun gibt es als letzte Warnmöglichkeit nur noch das Rote Telefon, das, kein Zufall, 2015 nach 20 Jahren wieder aktiviert wurde.
Die USA brauchen den „Offenen Himmel“nicht, sie haben Satelliten. Aber Europa und Russland brauchen diese Möglichkeit, um sich gegenseitig aufzuklären. Die Kündigung des Vertrages durch Washington provoziert daher auch einen Riss in der Nato, denn die europäischen Partner haben ein Interesse, in dem Abkommen zu bleiben – sofern auch Russland dabei bleibt. Ihre Informationen würden sie dann nicht mehr weitergeben dürfen.
Hier zeigt sich, dass Trumps rücksichtsloses Pokern in der Sicherheitspolitik viele politische Kollateralschäden verursacht, weil er das eigene Bündnis dabei nicht mitnimmt. Das zwingt die Partner der USA zunehmend dazu, zu überlegen, wie sie auch ohne Amerika ihre Sicherheit organisieren können. Indem sie selbst aufrüsten, das ist die eine Konsequenz. Und indem sie von sich aus Verträge mit Russland suchen. Das ist die andere.
In Sachen „Open-Skies“-Abkommen freilich gibt es noch eine Alternative: Hoffen und daran mitarbeiten, dass das Abkommen nachgebessert und so doch noch gerettet wird. Und warten, ob es im Herbst nicht einen neuen Präsidenten in Washington gibt. In Moskau am besten auch.