Saarbruecker Zeitung

CSU-Parteitags­rede vom Schreibtis­ch

Die Umstände von Markus Söders Ansprache an die Delegierte­n sind ungewöhnli­ch. Klare Botschafte­n sendet der Parteichef aber schon.

- VON CHRISTOPH TROST UND MARCO HADEM Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Frauke Scholl

(dpa) Es ist eine Parteitags­rede, die in die Geschichte der CSU eingehen dürfte. Markus Söder sitzt an seinem Schreibtis­ch im obersten Stock der CSU-Zentrale, alleine vor einer Kamera, die anfangs 136 Delegierte­n sind irgendwo da draußen an Bildschirm­en oder ihren Smartphone­s. Es gibt keinen Applaus, keinen Jubel, kein Raunen, nichts. Einen „Meilenstei­n“nennt die CSU-Spitze diesen ersten kleinen „virtuellen Parteitag“in der 75-jährigen CSU-Geschichte. Und tatsächlic­h ist es ein sehr besonderer Parteitag in ernsten Zeiten.

Wie ernst, das macht Söder gleich zu Beginn seiner Rede deutlich, die eher eine klassische, manchmal etwas müde Fernsehans­prache und keine Parteitags­rede ist. Man habe das Schlimmste vorerst überstande­n, sagt Söder, der wie so oft in diesen Krisen-Monaten gerne den Staatsmann gibt. „Wir sind ganz gut durchgekom­men.“Der bayerische

Ministerpr­äsident mahnt aber auch weiter zu „Umsicht und Vorsicht und Besonnenhe­it“. Dabei räumt er ein: „Corona stresst. Die einen, weil sie sehr besorgt sind, die anderen, weil sie sehr genervt sind.“

Fakt ist: Die Corona-Krise hat die Politik auch nach mehr als zwei Monaten fest im Griff. Doch nun, da die Infektions­zahlen unter Kontrolle sind, geht es immer stärker um die dramatisch­en Folgen für Wirtschaft und Konjunktur. Genau das ist die zentrale Frage dieses kleinen CSU-Parteitags: Wie kann es gelingen, die Wirtschaft wieder anzukurbel­n, Firmen vor dem Aus zu retten, Arbeitsplä­tze zu sichern?

Die CSU fordert dazu ein großes Konjunktur­paket, bestehend aus mehreren Säulen: Kauf- und Investitio­nsanreize soll es geben, Steuersenk­ungen für Unternehme­n und Bürger, ein Milliarden­programm für Forschung, Technologi­e und Digitalisi­erung. Ein „nächstes Wirtschaft­swunder“will die CSU gar schaffen, im Hightech-Bereich. Das ist der positive Grundtenor, den die CSU setzen will: Deutschlan­d könne die Corona-Krise besser meistern als andere. Kern sei, so sagt es ein CSU-Vorstand, die Aussage: „Wir schaffen das!“

Einige CSU-Forderunge­n sind aber umstritten: Auto-Kaufprämie­n lehnen unter anderem die sogenannte­n Wirtschaft­sweisen ab – weil solche Prämien keine durchschla­gende konjunktur­elle Wirkung hätten. Und Söders jüngsten Vorschlag, Reisegutsc­heine für sommerlich­e Urlaubs-Übernachtu­ngen in Deutschlan­d

„Corona stresst. Die einen, weil sie sehr besorgt sind, die anderen, weil sie sehr

genervt sind.“

Markus Söder

CSU-Chef und bayerische­r Ministerpr­äsident

einzuführe­n, wird sogar von CSU-Politkern hinter vorgehalte­ner Hand als wenig aussichtsr­eich bezeichnet – dem stünden schon europarech­tliche Hürden im Weg. Und was auch CSU-intern noch auffällt: Der Forderungs­katalog zur Ankurbelun­g der Konjunktur liest sich wie eine große Wunschlist­e. „Es ist quasi alles drin, was man sich wünschen kann“, sagt ein CSU-Mann.

Anderersei­ts fordert die CSU nun eine Obergrenze für die deutsche

Staatsvers­chuldung. Im Leitantrag findet sich dazu keine Zahl – erst in seiner Rede nennt Söder eine Größenordn­ung von maximal 100 Milliarden Euro, die in diesem Jahr zusätzlich an neuen Schulden des Bundes hinzukomme­n dürften – über die bereits eingeplant­en 156 Milliarden hinaus. „Es ist wichtig, dass wir den Staat nicht ruinieren“, sagt Söder. Wie die Grenze eingehalte­n und gleichzeit­ig das große Konjunktur­programm finanziert werden soll, lässt er offen. Die Partei steht derweil voll hinter ihm – und nicht nur die: In Umfragen, auch in bundesweit­en, kann sich Krisenmana­ger Söder seit Wochen größter Beliebthei­t erfreuen. Aber wie lange das anhält? „Krisenbedi­ngte Zustimmung­en sind nicht von Dauer, das wird sich wieder normalisie­ren“, sagt ein CSU-Vorstandsm­itglied. Dennoch werde Söder, werde auch die ganze CSU gestärkt aus der Krise hervorgehe­n.

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FOTO: LINO MIRGELER/DPA CSU-Chef Markus Söder saß während der Rede in der Landesleit­ung seiner Partei in München.

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