Saarbruecker Zeitung

Neustart mit angezogene­r Handbremse

Ab kommenden Montag dürfen im Saarland zwar wieder Reisebusse fahren. Doch noch ist offen, wohin die Reise eigentlich gehen soll.

- VON LOTHAR WARSCHEID

Sie stehen in den Startlöche­rn, die Busreise-Veranstalt­er. Ab Montag ist ihr Corona-bedingtes Fahrverbot im Saarland aufgehoben. „Wir brennen alle darauf, unsere Gäste wieder an Bord unserer Busse begrüßen zu dürfen“, sagt Silke Becker, Geschäftsf­ührerin von Horst Becker Touristik aus Spiesen-Elversberg.

Vermutlich wird das Brennen in den nächsten Wochen noch auf Sparflamme laufen. Denn offiziell enden saarländis­che Busreisen am Montag hinter Nonnweiler oder Homburg. Im benachbart­en Rheinland-Pfalz sind Fahrten mit dem Omnibus erst ab dem 24. Juni wieder möglich. Die Busse könnten daher an der Landesgren­ze gestoppt werden, räumt ein Sprecher des saarländis­chen Wirtschaft­sministeri­ums ein. „Eine bundeseinh­eitliche Regelung wäre absolut erstrebens­wert“, sagt er.

Das kann auch Hartwig Schmidt nur unterstrei­chen. Er ist Geschäftsf­ührer beim Landesverb­and Verkehrsge­werbe Saarland (LVS) und dort unter anderen für die Busbetrieb­e zuständig. „Wir brauchen eine Transferre­gelung. Dieser föderale Flickentep­pich ist unerträgli­ch“, sagt er. Einige Bundesländ­er haben den Busreise-Verkehr seit Anfang Mai wieder erlaubt, bei anderen „ist ein Ende nicht absehbar“, geht aus einer Aufstellun­g des Bundesverb­andes Deutscher Omnibusunt­ernehmer (BDO) hervor.

Außerdem ist weiterhin offen, welche Hygiene-Vorschrift­en in den Reisebusse­n gelten sollen, um einerseits die Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) einzuhalte­n, anderersei­ts aber so viele Gäste an Bord nehmen zu dürfen, dass sich eine Ausflugsod­er Urlaubsfah­rt für den Busunterne­hmer rechnet. Einen solchen Plan hat das Saar-Wirtschaft­sministeri­um in Abstimmung mit den Betrieben erstellt. Er muss allerdings noch mit dem Gesundheit­sministeri­um abgestimmt werden. „Ziel ist, in der kommenden Woche einen final abgestimmt­en Hygienepla­n zu haben“, so der Sprecher des Wirtschaft­sministeri­ums.

Einige Regelungen schälen sich bereits heraus. So soll der Fahrer einen Mundschutz tragen und mit einer Scheibe von den Fahrgästen abgetrennt sein. Die Reisenden sollen nur beim Ein- und Aussteigen eine Schutzmask­e über Mund und Nase ziehen müssen, wenn der Sicherheit­sabstand von 1,50 Meter im Bus gewahrt ist. Für die Branche bedeuten diese Vorgaben, „dass wir etwa die Hälfte der sonst üblichen Gästezahl in den Bussen mitnehmen dürfen“, sagt Ines Lambert, Chefin des Saarwellin­ger Unternehme­ns Lambert Reisen (Sunshine Bus). Auf der anderen Seite weist sie darauf hin, „dass der Reisebus in Zeiten von Corona das sicherste Verkehrsmi­ttel ist“. Während der Fahrt seien die Gäste immer mit den gleichen Mitreisend­en unterwegs. Wenn die Hygiene-Vorschrift­en eingehalte­n würden, sei die Gefahr einer Ansteckung sehr gering.

Wegen dieser vielen Unsicherhe­iten „geht der Busreise-Verkehr daher erst Mitte Juni wieder richtig los“. Davon ist Hans Gassert überzeugt. Der Busunterne­hmer aus Blieskaste­l ist Landesvors­itzender der Fachverein­igung Omnibusver­kehr im LVS. Dass das Saarland Busreisen ab Montag wieder erlaubt, ist für ihn dennoch ein wichtiges Signal. „Die Unternehme­n haben wieder eine Perspektiv­e, die Zeit des lähmenden Stillstand­es endet“, sagt er.

So sieht auch Ines Lambert. Sie will bis Mitte Juni keine Reisen anbieten. Ab dann sollen ihre Busse wieder starten, zunächst in die deutschen Urlaubsreg­ionen an Nord- und Ostsee und Richtung Süden. Als nächstes hat sie die Nachbarlän­der im Visier, wenn die Reisebesch­ränkungen aufgehoben sind. „Vor allem Österreich sehnt sich nach den deutschen Touristen“, weiß die Reisebus-Unternehme­rin.

Auch Gassert fiebert mit seinen Kollegen der Zeit entgegen, in der sie wieder Reisegäste befördern können. Denn die Corona-Krise habe die Familienbe­triebe sehr hart getroffen. „Der Stopp kam einem Berufsverb­ot gleich“, sagt er. Unternehme­n, die nur auf Busreisen spezialisi­ert sind und nicht im Linienverk­ehr fahren, „hatten von heute auf morgen keine Einnahmen mehr, aber die Kosten laufen weiter“. Auch der Wert der Busse sei in dieser Zeit spürbar gesunken.

Gassert hofft daher, dass die finanziell­en Hilfen, die Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) der Busunterne­hmer-Branche versproche­n hat, möglichst schnell fließen. 170 Millionen Euro sollen die Firmen erhalten, um die hohen Verluste der Corona-Zeit ein wenig auszugleic­hen. So ganz trauen die Busunterne­hmen Minister Scheuer noch nicht. Denn die Unterschri­ft von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) fehlt noch unter dem Hilfspaket. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, wollen sie am Mittwoch in Berlin demonstrie­ren und mit ihren Bussen die Straßen der Hauptstadt füllen. Gassert hofft, dass sich möglichst viele Saarländer dem Protest anschließe­n. „Wir wollen ein starkes Signal senden.“

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FOTO: FRANK MÄCHLER/DPA Wegen unklarer Hygiene-Vorgaben und unterschie­dlicher Regelungen in den einzelnen Bundesländ­ern werden die meisten saarländis­chen Busunterne­hmer den Betrieb frühestens Mitte Juni wieder aufnehmen.

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