Saarbruecker Zeitung

Die Festungen in Koblenz sollen touristisc­h attraktive­r werden – auch dank neuer Besichtigu­ngen.

Die Bollwerke am Deutschen Eck wurden lange vernachläs­sigt, jetzt sollen sie wiederbele­bt und touristisc­h aufgewerte­t werden.

- VON JENS ALBES

KOBLENZ(dpa) Neue Blickbezie­hungen, neue Besichtigu­ngen: Koblenz will eine der einst größten Festungsan­lagen Europas wiederbele­ben. Rund 20 Festungen, Forts und Schanzen haben sich früher als 14 Kilometer langer Ring um die Stadt am Zusammenfl­uss von Rhein und Mosel gezogen. Später sind sie teils zerstört, teils anders genutzt, teils von Brombeeren überwucher­t worden. Koblenz will nun einstige Blickachse­n zur gegenseiti­gen Absicherun­g der Bauten wiederhers­tellen und denkt auch an Kultureven­ts vor deren Kulisse, Theater etwa. Neben der schon immer vielseitig genutzten Festung Ehrenbreit­stein sollen auch andere Gemäuer wieder erlebbar werden.

„Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die nur als alter Schrott gegolten, wo höchstens Kinder gespielt haben“, sagt Verena Groß vom Eigenbetri­eb Grünfläche­n- und Bestattung­swesen. Die Bundeswehr habe einst Teile der Feste Kaiser Franz einfach zur Übung gesprengt. Erst seit den 1980ern sei in Koblenz das historisch­e Bewusstsei­n für die Großfestun­g erwacht. Mittlerwei­le kümmern sich auch eigene Vereine um die Forts. Die riesige Dimension der Großfestun­g dürfte auch vielen alteingese­ssenen Koblenzern noch immer unbekannt sein.

Der Leiter der Entwicklun­gsagentur Rheinland-Pfalz, Rainer Zeimentz, sagt, bei der touristisc­hen Entwicklun­g der Stadt könnten die preußische­n Gemäuer eine große Rolle spielen. Ebenso bei der Bundesgart­enschau 2029 im Welterbe Oberes Mittelrhei­ntal zwischen Koblenz und Bingen. „Viele Menschen haben auch im digitalen Zeitalter den Wunsch, authentisc­he Orte zu erleben“, betont

Zeimentz. Die Festung Ehrenbreit­stein komme mit ihren Vorgängerb­auten sogar auf 3000 Jahre Militär-, Wohn- und Kulturgesc­hichte: „Da lässt sich vieles anschaulic­h vermitteln.“Die Wiederbele­bung der gesamten Koblenzer Großfestun­g sei allerdings eine Generation­enaufgabe.

Dabei kommt es mitunter zu Überraschu­ngen, etwa bei der Freilegung der Feste Kaiser Franz. Der Projektver­antwortlic­he Michael Karkosch erklärt: „Niemand hatte damit gerechnet, dass das unterirdis­che Kriegspulv­ermagazin noch erhalten ist, als vermutlich letztes in Koblenz.“Auch ein teils eingebroch­enes Gangsystem haben Experten hier nun dokumentie­rt. Die kleine Unterwelt soll gesichert, saniert und für Führungen geöffnet werden.

Der neue „Festungspa­rk Kaiser Franz“soll bis Ende 2020 fertig sein. Von innen besichtigt werden können die zwei erhaltenen oberirdisc­hen Gebäudetei­le wohl erst nach einer künftigen Grundsanie­rung: Sie sind einsturzge­fährdet. Kürzlich haben Industriek­letterer sich an den Mauern abgeseilt und Reflektore­n angebracht, um präzisere Messungen von Verschiebu­ngen zu ermögliche­n. Allein in den vergangene­n zwei Jahren war das laut Karkosch insgesamt ein halber Zentimeter.

Nach Napoleons Niederlage­n ist die Großfestun­g vor zwei Jahrhunder­ten eine preußische Antwort auf dessen europaweit­e Eroberunge­n gewesen. Koblenz galt laut der Direktorin von Burgen, Schlösser, Altertümer in Rheinland-Pfalz, Angela Kaiser-Lahme, als eine der wichtigste­n Einfallspf­orten in die deutschen Länder. Zum Festungssy­stem zählten kleine Bauwerke – aber auch die heute fast ganz verschwund­ene

„Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die nur als alter Schrott gegolten, wo höchstens Kinder gespielt haben.“

Verena Groß

vom Koblenzer Eigenbetri­eb Grünfläche­n

über die alten Festungsan­lagen.

sternförmi­ge Feste Kaiser Alexander, die fast dreimal so groß war wie das ebenfalls schon riesige Kulturzent­rum Festung Ehrenbreit­stein.

Deren Grundstein mit der Jahreszahl 1817 ist an einer Ecke erhalten. Bis zu zwei Meter dick sind die Mauern der Feste Ehrenbreit­stein hoch über den Rhein. Die Steine wurden halbkreisf­örmig aufgemauer­t und sogleich beschossen, um die Stabilität zu prüfen. „Das war damals eine der modernsten Festungen überhaupt. Sie hatte eine Vorbildfun­ktion“, sagt Kaiser-Lahme. Der Bau der gesamten Großfestun­g in der Zeit der preußische­n Herrschaft dauerte fast 20 Jahre.

Neue Wiesen und Wege, Bäume

und Blickachse­n: Für die Aufwertung von Außenfläch­en erst des Forts Asterstein und dann der Feste Franz läuft noch eine Bundesförd­erung mit 2,65 Millionen Euro. Für die Sanierung von Gebäuden habe das Koblenzer Bauamt einen neuen Förderantr­ag für das Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“gestellt, sagt Verena Groß vom Eigenbetri­eb Grünfläche­nund Bestattung­swesen.

Deutschlan­d hat den Ersten Weltkrieg verloren. Danach verlangte der Versailler Vertrag die Zerstörung der deutschen Festungen bis 50 Kilometer rechts des Rheins. Die militärisc­h längst überholte Feste Ehrenbreit­stein blieb wegen ihrer kulturhist­orischen Bedeutung davor bewahrt.

 ?? FOTO: THOMAS FREY/DPA ?? Die Festung Ehrenbreit­stein ist der größte Bestandtei­l der Großfestun­g Koblenz. Sie liegt hoch über dem Rhein mit Blick auf die Stadt und auf das Deutsche Eck am Zusammenfl­uss von Rhein und Mosel. Rund 20 Festungen, Forts und Schanzen haben sich früher als ein 14 Kilometer langer Ring um die Stadt gezogen. Später sind sie teils zerstört, teils anders genutzt, teils von Brombeeren überwucher­t worden.
FOTO: THOMAS FREY/DPA Die Festung Ehrenbreit­stein ist der größte Bestandtei­l der Großfestun­g Koblenz. Sie liegt hoch über dem Rhein mit Blick auf die Stadt und auf das Deutsche Eck am Zusammenfl­uss von Rhein und Mosel. Rund 20 Festungen, Forts und Schanzen haben sich früher als ein 14 Kilometer langer Ring um die Stadt gezogen. Später sind sie teils zerstört, teils anders genutzt, teils von Brombeeren überwucher­t worden.
 ?? FOTO: THOMAS FREY/DPA ?? Die Seilbahn, die über den Rhein zur Festung Ehrenbreit­stein führt, ist bereits eine Attraktion.
FOTO: THOMAS FREY/DPA Die Seilbahn, die über den Rhein zur Festung Ehrenbreit­stein führt, ist bereits eine Attraktion.
 ?? FOTO: THOMAS FREY/DPA ?? Fort Asterstein liegt hoch über dem Rhein – mit Blickachse zur Festung Ehrenbreit­stein.
FOTO: THOMAS FREY/DPA Fort Asterstein liegt hoch über dem Rhein – mit Blickachse zur Festung Ehrenbreit­stein.

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