Die Festungen in Koblenz sollen touristisch attraktiver werden – auch dank neuer Besichtigungen.
Die Bollwerke am Deutschen Eck wurden lange vernachlässigt, jetzt sollen sie wiederbelebt und touristisch aufgewertet werden.
KOBLENZ(dpa) Neue Blickbeziehungen, neue Besichtigungen: Koblenz will eine der einst größten Festungsanlagen Europas wiederbeleben. Rund 20 Festungen, Forts und Schanzen haben sich früher als 14 Kilometer langer Ring um die Stadt am Zusammenfluss von Rhein und Mosel gezogen. Später sind sie teils zerstört, teils anders genutzt, teils von Brombeeren überwuchert worden. Koblenz will nun einstige Blickachsen zur gegenseitigen Absicherung der Bauten wiederherstellen und denkt auch an Kulturevents vor deren Kulisse, Theater etwa. Neben der schon immer vielseitig genutzten Festung Ehrenbreitstein sollen auch andere Gemäuer wieder erlebbar werden.
„Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die nur als alter Schrott gegolten, wo höchstens Kinder gespielt haben“, sagt Verena Groß vom Eigenbetrieb Grünflächen- und Bestattungswesen. Die Bundeswehr habe einst Teile der Feste Kaiser Franz einfach zur Übung gesprengt. Erst seit den 1980ern sei in Koblenz das historische Bewusstsein für die Großfestung erwacht. Mittlerweile kümmern sich auch eigene Vereine um die Forts. Die riesige Dimension der Großfestung dürfte auch vielen alteingesessenen Koblenzern noch immer unbekannt sein.
Der Leiter der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz, Rainer Zeimentz, sagt, bei der touristischen Entwicklung der Stadt könnten die preußischen Gemäuer eine große Rolle spielen. Ebenso bei der Bundesgartenschau 2029 im Welterbe Oberes Mittelrheintal zwischen Koblenz und Bingen. „Viele Menschen haben auch im digitalen Zeitalter den Wunsch, authentische Orte zu erleben“, betont
Zeimentz. Die Festung Ehrenbreitstein komme mit ihren Vorgängerbauten sogar auf 3000 Jahre Militär-, Wohn- und Kulturgeschichte: „Da lässt sich vieles anschaulich vermitteln.“Die Wiederbelebung der gesamten Koblenzer Großfestung sei allerdings eine Generationenaufgabe.
Dabei kommt es mitunter zu Überraschungen, etwa bei der Freilegung der Feste Kaiser Franz. Der Projektverantwortliche Michael Karkosch erklärt: „Niemand hatte damit gerechnet, dass das unterirdische Kriegspulvermagazin noch erhalten ist, als vermutlich letztes in Koblenz.“Auch ein teils eingebrochenes Gangsystem haben Experten hier nun dokumentiert. Die kleine Unterwelt soll gesichert, saniert und für Führungen geöffnet werden.
Der neue „Festungspark Kaiser Franz“soll bis Ende 2020 fertig sein. Von innen besichtigt werden können die zwei erhaltenen oberirdischen Gebäudeteile wohl erst nach einer künftigen Grundsanierung: Sie sind einsturzgefährdet. Kürzlich haben Industriekletterer sich an den Mauern abgeseilt und Reflektoren angebracht, um präzisere Messungen von Verschiebungen zu ermöglichen. Allein in den vergangenen zwei Jahren war das laut Karkosch insgesamt ein halber Zentimeter.
Nach Napoleons Niederlagen ist die Großfestung vor zwei Jahrhunderten eine preußische Antwort auf dessen europaweite Eroberungen gewesen. Koblenz galt laut der Direktorin von Burgen, Schlösser, Altertümer in Rheinland-Pfalz, Angela Kaiser-Lahme, als eine der wichtigsten Einfallspforten in die deutschen Länder. Zum Festungssystem zählten kleine Bauwerke – aber auch die heute fast ganz verschwundene
„Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die nur als alter Schrott gegolten, wo höchstens Kinder gespielt haben.“
Verena Groß
vom Koblenzer Eigenbetrieb Grünflächen
über die alten Festungsanlagen.
sternförmige Feste Kaiser Alexander, die fast dreimal so groß war wie das ebenfalls schon riesige Kulturzentrum Festung Ehrenbreitstein.
Deren Grundstein mit der Jahreszahl 1817 ist an einer Ecke erhalten. Bis zu zwei Meter dick sind die Mauern der Feste Ehrenbreitstein hoch über den Rhein. Die Steine wurden halbkreisförmig aufgemauert und sogleich beschossen, um die Stabilität zu prüfen. „Das war damals eine der modernsten Festungen überhaupt. Sie hatte eine Vorbildfunktion“, sagt Kaiser-Lahme. Der Bau der gesamten Großfestung in der Zeit der preußischen Herrschaft dauerte fast 20 Jahre.
Neue Wiesen und Wege, Bäume
und Blickachsen: Für die Aufwertung von Außenflächen erst des Forts Asterstein und dann der Feste Franz läuft noch eine Bundesförderung mit 2,65 Millionen Euro. Für die Sanierung von Gebäuden habe das Koblenzer Bauamt einen neuen Förderantrag für das Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“gestellt, sagt Verena Groß vom Eigenbetrieb Grünflächenund Bestattungswesen.
Deutschland hat den Ersten Weltkrieg verloren. Danach verlangte der Versailler Vertrag die Zerstörung der deutschen Festungen bis 50 Kilometer rechts des Rheins. Die militärisch längst überholte Feste Ehrenbreitstein blieb wegen ihrer kulturhistorischen Bedeutung davor bewahrt.