Radfahrer wollen Autospuren für sich.
Umwelt- und Verkehrsgruppen fordern Investitionen aus dem Klimapaket des Bundes fürs Saarbrücker Radwegenetz.
Ronald Maltha wundert sich nicht darüber, dass, wie er sagt, „in den letzten Wochen seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie auch in Saarbrücken wesentlich mehr Menschen mit dem Fahrrad unterwegs“zu sein scheinen. „Der Radverkehr ist ideal, um schnell und sicher, auch coronasicher, unterwegs zu sein“, erklärt der Mann vom Saarbrücker Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND).
„Die Fahrradgeschäfte der Landeshauptstadt haben deshalb Hochkonjunktur“, weiß er. Das ist die gute Nachricht, die der BUND, die Gruppe Students for Future,
„Der Radverkehr ist ideal, um schnell und sicher, auch coronasicher,
unterwegs zu sein.“
Ronald Maltha
Bund für Umwelt und Naturschutz
der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) und der saarländische Landesverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) haben. Die aus ihrer Sicht schlechte Nachricht: „Die neuen Radfahrerinnen und Radfahrer stoßen allerdings auf ein nach wie vor sehr lückenhaftes Radwegenetz.“
Deshalb haben diese Organisationen am Freitag gefordert, diese Lücken durch sogenannte Pop-up-Bikelanes, also temporär angelegte Radwege, zu schließen. Ronald Maltha nennt als Beispiel neue Radspuren, die in den letzten Wochen in Berlin auf den Straßen zusätzlich eingerichtet wurden. Auch in München solle auf fünf größeren Straßen jeweils eine Autospur zukünftig für Radfahrer reserviert werden. Darüber entscheide dort nun der Stadtrat. Flensburg mache es schon, Koblenz plane es. Der für Radfahrer „notwendige Raum wird durch die Umwandlung von Fahrspuren oder Parkbuchten an den
Straßenrändern gewonnen“, erklärt Maltha. Und: „Wo nötig, werden Verkehrsschilder für den ruhenden Verkehr abgedeckt und die neuen Fahrspuren für Radfahrer mit rot-weißen Baken gegen Falschparker gesichert. So wird Radfahren in der Stadt deutlich attraktiver und sicherer.“
Bedarf sehen die Verkehrs- und Umweltgruppen unter anderem auf der Strecke zur Universität. Die Situation am Meerwiesertalweg sei für viele Studierende ein Grund dafür, das Fahrrad zu Hause stehen zu lassen. Die Students for Future Gruppe fordert „eine klare Verkehrsführung und einen Ausbau der Fahrradwege zur Universität und zwischen den verschiedenen Hochschulstandorten“. Ein Radschnellweg, der Völklingen, das Zentrum von Saarbrücken,
die Universität und St. Ingbert verbindet, wäre ein erster Schritt, findet die Gruppe. „Auch wenn momentan keine Vorlesungen stattfinden, geht für viele Studierende der Uni-Alltag weiter. Sie sind weiterhin auf die Bibliotheken angewiesen oder leisten an den Universitäten Laborpraktika ab“, sagt Lara Wörner von Students for Future Saar.
Bei der Wiederbelebung der Städte in der zweiten Phase der Pandemie drohe Saarbrücken „eine Stau-Welle von bisher ungeahntem Ausmaß“, befürchtet der Fahrradclub ADFC. „Weil Bus und Bahn wegen der Corona-Abstandsregeln noch lange nicht mit voller Auslastung fahren können, werden viele bisherige ÖPNV-Nutzer auf das Auto umsteigen, wenn nicht schnell attraktive Alternativen
geschaffen werden“, prognostiziert ADFC-Sprecher Thomas Fläschner. Der ADFC fordert die Stadtverwaltung deshalb auf, ein Schnellbauprogramm zur Schließung der Lücken im Saarbrücker Radwegenetz und zudem verkehrsberuhigende Maßnahmen zu initiieren. Als Beispiele nennt Fläschner die Heuduckstraße in Alt-Saarbrücken, die Saargemünder Straße in St. Arnual und die Hochstraße in Burbach. Im Klimapaket der Bundesregierung stünden dafür auch passend große Summen bereit.
In der aktuellen Lage fordert auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD), den „Raum für Improvisation und Experimente, den die Straßenverordnung zulässt, auch zu nutzen“. Der VCD erinnert in dem
Zusammenhang auch an den Mindestüberholabstand von 1,50 Metern, den viele Autofahrer seiner Erfahrung nach nicht einhalten.
Mit ihrem Forderungskatalog unterstützen die Saarbrücker Gruppen einen bundesweiten „Aktionstag Popup-Radspuren“am 23. Mai, bei dem in mehr als 40 Städten Popup-Radspuren errichtet werden sollen. „Bei den angemeldeten Veranstaltungen wird eine Fahrspur mit Hütchen, Pollern oder auch Blumentöpfen so vom Autoverkehr abgetrennt, dass sich dort alle auf dem Rad wohlfühlen – routinierte Radfahrerinnen und Radfahrer genauso wie Neuaufsteiger, Kinder und ältere Menschen“, erklären Ronald Maltha und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter.