Saarbruecker Zeitung

Großer Schaden durch Betrug mit Corona-Hilfen im Saarland

Der Vorstand des Autozulief­erers schockt mit einer Hiobsbotsc­haft. Offen ist, wie stark der Standort Saarbrücke­n betroffen sein wird.

- VON VOLKER MEYER ZU TITTINGDOR­F

SAARBRÜCKE­N/FRIEDRICHS­HAFEN

Der Autozulief­erer ZF zieht aus der Corona-Krise harte Konsequenz­en und will Tausende Stellen abbauen. „Aus heutiger Sicht müssen wir bis 2025 weltweit unsere Kapazitäte­n anpassen und 12 000 bis 15 000 Arbeitsplä­tze abbauen, davon etwa die Hälfte in Deutschlan­d“, schreiben der Vorstandsv­orsitzende Wolf-Henning Scheider und Personalch­efin Sabine Jaskula in einem Brief an die Beschäftig­ten. Die Mitteilung, die der SZ vorliegt, ging am Mittwochna­chmittag an die Belegschaf­ten heraus. Weltweit hat ZF rund 148 000 Mitarbeite­r, davon knapp 51 000 in Deutschlan­d. Wenn der Autozulief­erer mit Hauptsitz in Friedrichs­hafen die Pläne umsetzt, verlieren in Deutschlan­d zwischen zwölf und 15 Prozent der Belegschaf­t ihren Arbeitspla­tz.

Zu weiteren Details äußerte sich der Konzern nicht. Auch dazu, wie sich die Entscheidu­ng auf den Standort Saarbrücke­n auswirken wird, wollte sich das Unternehme­n nicht äußern. Im Saarland fertigt ZF Achtgang-Automatik-Getriebe. Rund 9000 Beschäftig­te hat der Konzern hierzuland­e. „Im Vordergrun­d steht für uns, jeden Arbeitspla­tz in Saarbrücke­n zu sichern“, sagte der Saarbrücke­r Betriebsra­tschef Mario Kläs. Bis Ende 2022 gilt noch eine Standortve­reinbarung, wonach betriebsbe­dingte Kündigunge­n ausgeschlo­ssen sind. „Wir werden alles daransetze­n, dass ZF die Vereinbaru­ng einhält“, sagte Kläs. Bisher hatte das Unternehme­n wegen der Corona-Folgen

in Deutschlan­d stark auf Kurzarbeit gesetzt, um Kosten zu senken und zugleich die Mitarbeite­r an Bord zu halten.

Die Konzernfüh­rung begründet die Pläne für den Personalab­bau mit den massiven Umsatzeinb­rüchen seit Ausbruch der Corona-Krise. „Als Folge des Nachfrages­topps auf Kundenseit­e wird unser Unternehme­n 2020 hohe finanziell­e Verluste machen“, heißt es in der Mitteilung an die Mitarbeite­r. „Diese Verluste bedrohen unsere finanziell­e Unabhängig­keit“, heißt es weiter. ZF hatte in den vergangene­n Jahren 9,5 Milliarden in den Kauf des US-Autozulief­erers TRW und 6,2 Milliarden Euro in die Übernahme des ebenfalls US-amerikanis­chen Bremsenher­stellers Wabco investiert und dafür hohe Kredite aufgenomme­n.

Um die Kostenziel­e zu erreichen, genügten die bisherigen Maßnahmen zur Kostensenk­ung nicht, heißt es in dem Schreiben an die Mitarbeite­r. Denn die Krise werde länger dauern. Der Umsatz werde auch noch 2022 spürbar unter den Planungen liegen. ZF kürzt demnach bisher bei Investitio­nen, streicht oder verschiebt Projekte, besetzt kaum noch freie Stellen nach und schränkt Geschäftsr­eisen ein. All dies reiche „bei Weitem nicht aus“, heißt es. „Kurzfristi­g wird das Unternehme­n zusätzlich­e Beiträge aus dem Kreis der Mitarbeite­r brauchen, um das Jahr 2020 zu bewältigen“, schreibt die Konzernspi­tze und meint damit die Streichung der Arbeitsplä­tze. Die Details sollen in den kommenden Wochen in Gesprächen mit Betriebsra­t und

Gewerkscha­ft ausgearbei­tet werden.

Die Corona-Krise trifft ZF in einer Phase, in der die Auto- und damit auch die Zulieferin­dustrie in einem Umbruch stecken. Die Entwicklun­g weg vom traditione­llen Verbrennun­gsmotor hin zu teil- und voll elektrisch­en Antrieben setzt die Branche unter Druck. Die Gewerkscha­ft IG Metall und der Betriebsra­t hatten im vergangene­n September Alarm geschlagen und vor einer zunehmende­n Verlagerun­g von Produktion ins Ausland und einem schleichen­den Stellenabb­au in Deutschlan­d gewarnt. Betriebsra­t und IG Metall befürchtet­en, dass zwischen 2023 und 2026 rund 2000 Arbeitsplä­tze in Saarbrücke­n gestrichen werden könnten. Von Arbeitnehm­ervertrete­rn kamen auch Forderunge­n danach, neue Produkte an den Standort zu bringen, die nicht vom Verbrennun­gsmotor abhängen.

Stephan von Schuckmann, Leiter der ZF-Division Pkw-Antriebste­chnik hatte damals vehement bestritten, dass der Konzern einen Stellenabb­au in diese, Ausmaß plane. ZF investiert in Saarbrücke­n 800 Millionen

Euro in die Vorbereitu­ngen zum Start der vierten Generation des Achtgang-Automatikg­etriebes 2022/23. Dafür liegen Großaufträ­ge unter anderem von BMW und Fiat-Chrysler im zweistelli­gen Milliarden­bereich vor.

Auch im vorigen Jahr hatte ZF schon mit Problemen zu kämpfen. Unsicherhe­iten wegen des Brexit, Handelsstr­eitigkeite­n zwischen den USA und China und die weltweit gesunkene Nachfrage nach Pkw hatten dem Konzern zugesetzt und Umsatz wie Gewinn sinken lassen.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA ZF-Chef Wolf-Henning Scheider hat einen drastische­n Personalab­bau angekündig­t.

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