Saarbruecker Zeitung

Trump legt sich mit Twitter & Co. an

Im US-Wahljahr befürchtet der Präsident Zensur von Twitter und Facebook. Diese haben sich lange nur als Plattform, nicht als Medium verstanden. Doch gerade Trumps steter Strom an Halbwahrhe­iten testet die Grenzen der Verantwort­ung der TechKonzer­ne.

- VON JÜRGEN BÄTZ UND CAN MEREY

(dpa) In den USA liegt der Vorwurf der Zensur in der Luft: Präsident Donald Trump fühlt sich von angeblich linkslasti­gen Online-Netzwerken unterdrück­t und will die Plattforme­n mit einer neuen Verfügung in die Schranken weisen. Sollte Trump seine Drohung wahr machen, werden sich wohl bald Gerichte damit befassen. Beide Seiten beanspruch­en, die in den USA sakrosankt­e Meinungsfr­eiheit zu verteidige­n. Der Streit macht deutlich, dass Plattforme­n wie Facebook und Twitter längst politische Macht haben – ob gewollt oder nicht.

Twitter hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Der Kurznachri­chtendiens­t – Trumps bevorzugte Plattform – unterzog erstmals einen Tweet des Präsidente­n einem Faktenchec­k. Darin hatte Trump behauptet, dass Briefwahl Wahlbetrug Vorschub leiste. Dem Faktenchec­k zufolge ist dies irreführen­d. Trump warf Twitter daraufhin vor, sich in die US-Präsidente­nwahl im November einzumisch­en. Jetzt will er zurückschl­agen. Er werde soziale Medien streng regulieren lassen oder ganz schließen, falls sie „konservati­ve Ansichten“unterdrück­ten.

Trump könnte US-Medienberi­chten zufolge mit seiner neuen Verordnung den umfassende­n rechtliche­n Schutz der Dienste ins Visier nehmen – einen Grundpfeil­er, der Facebook, Twitter und YouTube in ihrer heutigen Form erst möglich gemacht hat. Washington Post und New York Times berichtete­n unter Berufung auf einen Entwurf der Verfügung, das Wirtschaft­sministeri­um solle die Telekommun­ikations-Aufsicht FCC dazu aufrufen, den Geltungsbe­reich einer als „Section 230“ bekannten Regelung zu prüfen.

Gemäß dieser Regelung – Teil eines Gesetzes von 1996 – werden Online-Dienste nicht für von Nutzern veröffentl­ichte Inhalte wie Kommentare und Videos haftbar gemacht. Zugleich wird Plattforme­n erlaubt, gegen bestimmte Inhalte oder Nutzer vorzugehen. Sie bekämen damit „einen Schild und ein Schwert“, erklärten die Autoren der Regelung damals.

Der Entwurf der Präsidente­n-Order sieht den Berichten zufolge zudem vor, die unter anderem für Verbrauche­rschutz zuständige Aufsichtsb­ehörde FTC mit der Prüfung von Beschwerde­n über politische Voreingeno­mmenheit zu betrauen. Zudem sollen Bundesbehö­rden verpflicht­et werden, ihre Ausgaben für Werbung in sozialen Medien zu überprüfen.

Trump schrieb auf Twitter, große Technologi­ekonzerne unternähme­n alles in ihrer Macht stehende, um vor der Präsidents­chaftswahl zu „zensieren“. „Falls das geschieht, haben wir unsere Freiheit nicht mehr. Das werde ich niemals zulassen!“Trump bemüht sich um eine Wiederwahl. Offizielle Angaben

zum Inhalt der Verfügung gab es zunächst nicht. Die Neuregelun­g dürfte jedoch schnell US-Gerichte beschäftig­en. Eine Sprecherin des Weißen Hauses sagte, Trump wolle sie am Donnerstag unterzeich­nen. Trump kündigte daraufhin an: „Das wird ein großer Tag für soziale Medien und Fairness.“

Trumps politische Gegenspiel­er legten dem Präsidente­n nahe, sich inmitten der Coronaviru­s-Pandemie, der in den USA inzwischen mehr als 100 000 Menschen zum Opfer gefallen sind, anstatt auf Twitter einfach auf die Regierungs­geschäfte zu konzentrie­ren. „Wenn Präsident Trump Twitter nicht mag, kann er uns allen einen Gefallen tun und aufhören zu twittern“, schrieb etwa der führende demokratis­che Senator Chuck Schumer am Donnerstag – natürlich auf Twitter. Trump erreicht in dem Kurzmittei­lungsdiens­t direkt 80 Millionen Follower.

Auch im Silicon Valley, der kalifornis­chen Heimat der Tech-Konzerne, gingen die Meinungen, wie mit Trumps manchmal bestenfall­s halbwahren Aussagen umzugehen ist, auseinande­r. Twitter-Chef Jack Dorsey übernahm die Verantwort­ung für den jüngsten Faktenchec­k, nachdem der zuständige Manager von Trump-Anhängern online massiv angegriffe­n worden war. „Es gibt jemanden, der letztendli­ch für unsere Handlungen als Unternehme­n verantwort­lich ist, und das bin ich. Bitte lassen Sie unsere Mitarbeite­r aus dem Spiel.“

Man werde weiterhin „auf falsche oder umstritten­e Informatio­nen“über Wahlen weltweit hinweisen. Das mache Twitter aber nicht zum „Schiedsric­hter über die Wahrheit“, twitterte Dorsey mit Blick auf eine entspreche­nde Äußerung von Facebook-Chef Mark Zuckerberg.

Twitter hatte bislang viele Halbwahrhe­iten oder vom Präsidente­n verbreitet­e Verschwöru­ngstheorie­n unkommenti­ert stehen gelassen. Das Unternehme­n verschärft­e vor gut zwei Wochen aber die Regeln bei irreführen­den Informatio­nen. Das wurde vor allem mit Unwahrheit­en rund um das Coronaviru­s in Verbindung gebracht – greift aber auch bei Informatio­nen zu Wahlen.

Zunächst blieb unklar, wie weit und wie schnell Twitter nun im US-Wahljahr politische Äußerungen bewerten will. Bislang war das eher die Rolle traditione­ller Medien – die jedoch kaum hinterherk­ommen. Anzeigen mit Bezug zu politische­n Themen – also etwa auch Wahlwerbun­g hatte Twitter anders als Facebook schon vor einiger Zeit komplett von der Plattform verbannt.

Twitter versah unterdesse­n auch Tweets des chinesisch­en Außenamtss­prechers mit Spekulatio­nen über den Ursprung des Coronaviru­s mit einem Faktenchec­k-Hinweis. Gleichzeit­ig erntete die Firma Kritik, weil Trump dort ungestört eine Verschwöru­ngstheorie zu einem vermeintli­chen Mord anheizte, obwohl der Witwer des Opfers inständig darum bat, das zu unterbinde­n.

Zuckerberg hatte zuvor in einem Interview des Trump wohlgesonn­enen Senders Fox News gesagt, Facebook fahre eine andere Linie als Twitter. „Ich glaube einfach fest daran, dass Facebook nicht der Schiedsric­hter über die Wahrheit bei allem sein sollte, was die Leute online sagen.“Das ist seit Jahren der Kurs von Facebook, obwohl es bei dem Online-Netzwerk auch viele Faktenchec­ks gibt. Facebook lässt jedoch grundsätzl­ich keine Faktenchec­ks bei Äußerungen von Politikern zu – obwohl das Online-Netzwerk dafür stark kritisiert wurde.

Am Donnerstag legte Zuckerberg nach: „Politische Äußerungen sind einer der empfindlic­hsten Teile einer Demokratie.“Von Internet-Plattforme­n zu verlangen, diese zu regulieren, könne eine „gefährlich­e“Richtung einschlage­n. Diese Aufgabe sei bisher traditione­llen Medien vorbehalte­n. Und weiter: „Wir wollen nicht festlegen, was wahr oder falsch ist – aber das heißt nicht, dass Politiker, oder sonst jemand, einfach sagen können, was sie wollen.“

„Falls das geschieht, haben wir unsere Freiheit nicht mehr. Das werde ich niemals zulassen!“Donald Trump über eine mögliche Zensur in den sozialen Medien vor der US-Präsidents­chaftswahl

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FOTO: OLIVIER DOULIERY/AFP US-Präsident Donald Trump droht nach einem Streit mit dem Onlinedien­st Twitter nun sogar mit der Schließung sozialer Netzwerke.

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