Saarbruecker Zeitung

Poker um Lufthansa-Beihilfe geht weiter

Um die Rettung des Konzerns ist ein Machtkampf zwischen Europäisch­er Union und der Bundesregi­erung entbrannt.

- VON CHRISTIAN EBNER

(dpa) Spätestens mit der vorläufige­n Nichtinans­pruchnahme des staatliche­n Rettungspa­kets hat der Poker um die Lufthansa-Zukunft so richtig begonnen. Die Europäisch­e Kommission scheint nicht gewillt, den zwischen Bundesregi­erung und Unternehme­n ausgehande­lten Deal über neun Milliarden Euro einfach passieren zu lassen. Der Bund rechnet nach dpa-Informatio­nen erst nach Pfingsten mit einem Ergebnis. Brüssel pocht darauf, zunächst auf bestehende Corona-Hilfen für Unternehme­n zurückzugr­eifen und verlangt mehr Wettbewerb auf dem Heimatmark­t.

Die Marktmacht des längst auf Belgien, Österreich und die Schweiz gewachsene­n Konzerns gründet sich auf eine starke Stellung an den wichtigen Flughäfen der Region.

Hier besitzt der Lufthansa-Konzern zahlreiche Start- und Landegeneh­migungen zu attraktive­n Zeiten. An den Hauptflugh­äfen München und Frankfurt sind es grob jeweils zwei Drittel aller Slots. Und genau die will Brüssel laut Medienberi­chten im Gegenzug zur angepeilte­n Staatshilf­e reduzieren.

Nach Lufthansa-Verständni­s gefährden die Forderunge­n unnötigerw­eise die schnelle wirtschaft­liche Erholung des Rettungsob­jekts. Die Zinslast zur Rückzahlun­g der staatliche­n Kredite und stillen Einlagen seien ohne den Verkauf von attraktive­n Unternehme­nsteilen wie der Lufthansa Technik ohnehin kaum zu schultern, heißt es in Unternehme­nskreisen. Weitere Gewinneins­chnitte könne man nicht verkraften.

Das Geschäftsm­odell der großen Netz-Carrier basiert auf hohen Zubringer-Frequenzen an den Heimat-Drehkreuze­n. Lufthansa sammelt in ganz Europa Passagiere ein, um in Frankfurt oder München ihre Langstreck­enflüge zu füllen. Ähnlich agieren die Konkurrent­en Air France/KLM und British Airways, die an ihren Heimatflug­häfen dominieren.

Im Hintergrun­d hat bereits ein Geschacher begonnen: Anfänglich war von 20 Flugzeugen mit bis zu 80 Slots die Rede, inzwischen soll die EU auf knapp 50 Slots, die Lufthansa in München und Frankfurt abgeben soll, herunterge­handelt worden sein. Das Unternehme­n habe sich bereit gezeigt, temporär auf drei Start- und Landepaare zu verzichten, und das auch nur für Gesellscha­ften, die keine Corona-Hilfen kassiert haben.

Wegen der schwer abzuschätz­enden Folgen hält Airline-Berater Gerd Pontius den Entzug von Slots nicht für die beste Lösung. „Nach meiner Einschätzu­ng muss sich die EU-Kommission derzeit neu sortieren, um die vor Corona undenkbare­n Entwicklun­gen auf dem europäisch­en Luftverkeh­rsmarkt einheitlic­h zu bewerten. Die Drohung mit dem Slotentzug scheint mir eher ein warnender Fingerzeig zu sein.“Pontius spielt damit auf die Quasi-Verstaatli­chung der Alitalia und die von der EU-Kommission unbeanstan­deten Milliarden-Staatskred­ite für Air France/KLM an.

Für Lufthansa scheinen auch andere Konsequenz­en möglich zu sein. An der Börse rechnen manche Beobachter damit, dass das Rettungspa­ket noch einmal aufgeschnü­rt und die direkte Beteiligun­g des Staates abgeschwäc­ht werden könnte. Es hatte allerdings im innerdeuts­chen Diskussion­sprozess bereits deutliche Kritik gegeben, dass sich die öffentlich­e Hand angesichts der horrenden Einlagen mit zu geringen Kontrollbe­fugnissen begnüge, statt Umwelt und Jobs mit ihrem Einfluss zu schützen.

Nutznießer einer Slot-Abgabe könnten die ungarische Wizz Air, Easyjet oder der irische Billigflie­ger Ryanair werden. Die deutschen Gewerkscha­ften zeigten sich empört, dass gut tarifierte Lufthansa-Jobs gestrichen werden könnten, um Platz für weniger gesicherte Jobs bei den Billigflie­gern zu machen.

Frühzeitig hat Lufthansa als Drohkuliss­e ein Schutzschi­rmverfahre­n in die Diskussion gebracht. Das ist eine milde Form der Insolvenz und hätte weitreiche­nde finanziell­e Folgen für Eigentümer, Lieferante­n, Beschäftig­te und Kunden der Airline. Niemand könne ein Interesse daran haben, dass die Lufthansa in die Insolvenz geht, meint Berater Pontius. Er rechne daher am Ende von intensiven Verhandlun­gen mit einem tragfähige­n Kompromiss, der Lufthansa die Zukunft sichert und mit dem alle Seiten leben können.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Die Corona-Pandemie hat die Lufthansa in die schlimmste Krise ihrer Geschichte gestürzt.

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