Saarbruecker Zeitung

Die Kultur-Verkäuferi­n geht jetzt in Rente

18 Jahre lang war die gelernte Groß- und Einzelhand­elskauffra­u Annerose Nill im Kulturamt der Gemeinde Riegelsber­g.

- VON MONIKA JUNGFLEISC­H

Anpacken und etwas Besonderes auf die Beine stellen, aus dem Nichts etwas zaubern, Unmögliche­s möglich machen – das kann Annerose Nill, das liegt ihr im Blut. 18 Jahre lang hat die gelernte Groß- und Einzelhand­elskauffra­u das Kulturamt der Gemeinde Riegelsber­g mit Leben gefüllt. Am heutigen Freitag, 29. Mai, sagt die „Kultur-Verkäuferi­n“– wie sie sich selbst bezeichnet – adieu und geht in Rente.

Ihre Aufgabe als Kulturbeau­ftragte sah die heute 63-Jährige vor allem darin, als Gastgeberi­n und als Managerin für die Kulturscha­ffenden da zu sein. Sich selbst bezeichnet sie als „nicht-kunst-affin“. „Ich habe jeden Künstler, jede Stilrichtu­ng gleich viel wertgeschä­tzt. Jeder Künstler verdient den bestmöglic­hen Service seitens unserer Gemeinde, um seine Kunst zu präsentier­en.“

Und in der Tat, die Künstler – ob Maler, Musiker, Bildhauer, Chor, Orchester, Rockband – sie alle konnten sich auf Annerose Nill und ihr Organisati­onsteam verlassen. „Mit vereinten Kräften haben wir Altbewährt­es und neue Ideen rund um die Riegelsber­ger Kultur geschaffen.“

„Music was my first love“, „RatHausmus­ik“, „RatHausgal­erie am Nachmittag und für Kids“, „WortArt“, „Matinee hinterm Rathaus“sind nur einige der Kulturreih­en, die Annerose Nill mit ihrem Team und mit Künstlern vor Ort ins Leben gerufen hat. Wichtig war ihr, mit anderen Gemeinden und anderen Institutio­nen zusammenzu­arbeiten.

Besondere Highlights waren die Zusammenar­beit mit den Musikfests­pielen

Saar, die hochkaräti­ge polnische Musiker nach Riegelsber­g brachten, und mit Professor Schmitt-Leonardy, durch den sogar die Meistersch­üler des Weltklasse­pianisten Lang Lang in Riegelsber­g auftraten. „Ich durfte sogar mit dem Logo der Lang-Lang-Stiftung werben, das war für mich eine besondere Ehrung.“

Wirklich schief gegangen ist in all den Jahren nichts. „Ich hatte ja immer gehofft, dass einmal in der Zeitung stehen würde ‚Kunstraub in Riegelsber­g‘, weil unsere Galerie ja tagsüber offen ist. Aber gottlob ist nie ein ausgestell­tes Kunstwerk abhanden gekommen. Und gestorben ist während meiner Veranstalt­ungen auch keiner,“sagt Annerose Nill augenzwink­ernd. „Einmal hatte

ein Zuschauer eine Herzattack­e bei einem Konzert in der Riegelsber­ghalle. Doch dank der Rettungskr­äfte der benachbart­en Feuerwehr verlief alles glimpflich. Blut und Wasser geschwitzt habe ich einmal, als zum Konzertbeg­inn der Künstler nicht da war. Ro Gebhardt wollte direkt von seinem USA-Urlaub zu uns kommen, doch sein Flieger hatte Verspätung. Er betrat wirklich auf die letzte Sekunde die Bühne.“Veranstalt­ungen, die unter die Haut gingen, waren für Nill die Zeitzeugen­gespräche mit Vertretern aus drei Generation­en und sechs Nationen in Markusse Haus zum Thema Heimat. „Dabei kam eine syrische Flüchtling­sfamilie zu Wort, die ihre Tochter Hanin genannt hatte, was auf Deutsch so viel wie Heimat heißt.“Zu Tränen gerührt war die sonst so taff wirkende Kulturmana­gerin, als sie mit der Lebenshilf­e Püttlingen ein Ausstellun­g mit Werken von behinderte­n Mitmensche­n organisier­te. „Manuela Janke, eine der Aussteller­innen, nahm mich am Ende der Vernissage in den Arm und sagte: „Annerose, das haben wir gepackt.“Mit Wehmut blickt die „Macherin“auf ihre Arbeit zurück und mit Freude auf die jetzt neu gewonnene Zeit, die sie mit ihrer Familie und mit ganz vielen Kultur- und Naturerleb­nissen ausfüllen will.

„Und gestorben ist während meiner Veranstalt­ungen auch keiner.“

Annerose Nill

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FOTO: IRIS MARIA MAURER Im Rathaus von Riegelsber­g war Annerose Nill 18 Jahre lang für Kultur zuständig.

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