Aus der „großen WG“ins Spitzenspiel
Nationalspielerin Lena Lattwein aus Hüttigweiler tritt mit Hoffenheim am Samstag im Spitzenspiel bei Bayern München an.
Es ist am Telefon nicht zu sehen. Aber man hört es auch an der Stimme, dass Lena Lattwein strahlt oder lächelt. „Die Vorfreude ist riesig“, sagt die Fußballerin von der TSG 1899 Hoffenheim. Die seit Anfang Mai 20-Jährige kann das erste Punktspiel in der Bundesliga nach der Corona-Zwangspause kaum erwarten. „Ich freue mich auf das Wettkampf-Ambiente, die Zweikämpfe, das Messen auf dem Platz“, sagt die Saarländerin. Mit dem ersehnten Spiel an diesem Samstag (13 Uhr/MagentaSport) beim FC Bayern München geht es für die Nationalspielerin gleich zum ReStart direkt ins Duell um Champions-League-Platz zwei. Die TSG liegt als Dritter nur ein Pünktchen hinter den Bayern.
Die Hüttigweilerin hat ein gutes Gefühl, denn die Bedingungen waren für beide Teams gleich. Nach längerer Corona-Pause wurde zuerst in Zweier- und dann in Vierergruppen trainiert, ehe es ins Mannschaftstraining ging. „Im Hinspiel waren wir auf Augenhöhe und haben 1:0 gewonnen“, sagt die 1,0-erAbiturientin, die nicht nur auf dem Platz extrem ehrgeizig und zielstrebig ist. Derzeit ist sie bei den letzten Arbeiten an ihrer Bachelor-Arbeit, nach den letzten Klausuren geht es Richtung Master. Lattwein studiert in Mannheim Wirtschaftsmathematik, dank eines Stipendiums kann sie Sport und Studium gut in Einklang bringen. So spielt sie an diesem Dienstag nicht nur im DFB-Pokal-Viertelfinale bei Bayer Leverkusen, sondern schreibt aus Leverkusen auch gleich noch per
Laptop bei einer Klausur mit. „Ich habe auch schon vor Corona viel für das Studium von zu Hause aus gemacht“, sagt die Studentin, für die Langeweile auch während des Lockdowns kein Thema war.
Zu Beginn der Pandemie war die Ex-Spielerin des 1. FC Saarbrücken vier Wochen im Elternhaus in Hüttigweiler. Trainingspläne und Aufgaben gab es per Internet. Mit Mama, Papa und Schwester wurde im Garten gegrillt. Jetzt ist Lattwein wieder in ihrer Wohnung in St. Leon-Rot.
Von dort ging es für die 20-Jährige, die zu Jahresbeginn ihren Vertrag in der zweiten Heimat Hoffenheim um ein Jahr bis 2021 verlängert hat, am vergangenen Sonntag ins Quarantäne-Hotel. „Wir haben das Hotel ganz für uns alleine“, berichtet sie. Das Frühstück wird gestellt, das Mittagessen bringt ein Caterer, und abends können sich die Mädels selbst etwas kochen und die Hotelküche benutzen. „Wir sind 20 Spielerinnen mit Co-Trainer. Es ist echt cool und fühlt sich wie eine große
WG an“, sagt Lattwein, die damit ein perfektes Beispiel für den psychologischen Fachbegriff Resilienz ist, also die Fähigkeit, Krisen positiv zu bewältigen. TSG-Trainer Jürgen Ehrmann wird beim ersten Spiel genau wie Lattweins Eltern, die sonst immer da sind, fehlen. Der Berufsschullehrer ist an seiner Schule unabkömmlich und konnte daher nicht mit ins Quarantäne-Trainingslager.
Am Samstag geht es dann mit dem Bus nach München. „Wir werden zweimal pro Woche getestet, am Samstag gibt es morgens um halb acht noch mal einen Test“, erzählt die Nationalspielerin, die mittlerweile schon sechs A-Länderspiele absolviert hat. So zum Beispiel im November 2019 vor 90 000 Zuschauern gegen England im Wembley-Stadion: „Das war ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde“, sagt sie.
Beim im März vor dem Finale Deutschland-Italien abgebrochenen Algarve-Cup in Portugal testete Martina Voss-Tecklenburg beim 4:0 gegen Norwegen Lattwein 90 Minuten in der Innenverteidigung. Die Bundestrainerin setzte auf die hohe Spielintelligenz und gute Spielübersicht der Saarländerin, die sonst in Hoffenheim auf ihrer geliebten Position im zentralen Mittelfeld spielt.
Lattwein ist weiter auf dem Weg nach oben, wie stets, seit sie 2017 nach Hoffenheim kam. Wann das nächste Länderspiel ist, ist unklar, die EM als nächstes Großturnier wurde von 2021 auf 2022 verlegt. Aber als mittlerweile fester Bestandteil der Nationalmannschaft ist davon auszugehen, dass die junge Hüttigweilerin auch die saarländischen Fußballfans am TV-Bildschirm bei künftigen Länderspielen zum Lächeln bringt.