Liga feiert „historischen Moment“
Der viel beachtete Neustart der Frauen-Bundesliga wird auch von Kritik begleitet.
(sid) Das hat schon was: Schneller als Messi oder Ronaldo können Melanie Leupolz, Alexandra Popp und Co. wieder loslegen. Den Neustart der Frauenfußball-Bundesliga feiern die einen als „historischen Moment“mit enormer Signalwirkung, andererseits wächst vor dem Anpfiff an diesem Freitag das Lager der besorgten Kritiker.
Dabei klingt es erst einmal sensationell: Als europaweit erste Frauen-Liga nimmt die deutsche Eliteklasse inmitten der Corona-Krise den Spielbetrieb wieder auf. Auch die Fußballerinnen dürfen nach dem Wiederbeginn der Männer-Bundesligen ihren Geister-Meister ausspielen. „Dass wir jetzt wieder spielen dürfen, ist ein großes Privileg“, sagt Bayern Münchens Kapitänin Melanie Leupolz. Auch Trainer Stephan Lerch von Meister VfL Wolfsburg äußert tiefe Dankbarkeit: „Das ist Anerkennung für uns als Profiliga.“
Genau damit benennt der Coach des enteilten Spitzenreiters aber auch ein Kernproblem – denn mitnichten sind alle Bundesliga-Spielerinnen Vollzeit-Profis. Häufig wird nebenbei gearbeitet, studiert oder die Schulbank gedrückt. Und da wird das auf dem Männerfußball basierende Hygienekonzept zur Herausforderung. „Es sind viele Spielerinnen,
die berufstätig sind, die sich dafür jetzt auch Urlaub nehmen müssen“, sagt Sharon Beck vom SC Freiburg in Bezug auf die geforderte einwöchige Hotel-Quarantäne vor dem Neustart und fragt: „Wie stellt sich der DFB das vor?“
Weiterer Kritikpunkt: Die kurze Vorbereitung aufgrund behördlicher Einschränkungen für die ungewohnt hohe Belastung mit bis zu sieben Liga-Spielen bis zum 28. Juni. „Die große Sorge aller Verantwortlichen ist, dass es zu vielen Verletzungen kommt“, sagt Sven Thoß, Trainer des SC Sand.
Und dann ist da noch der Fall Jena. Dem USV, der sich zur kommenden Saison komplett dem Männer-Club FC Carl Zeiss Jena anschließt, ist in Thüringen bis zum 5. Juni kein Mannschaftstraining erlaubt. Das Tabellenschlusslicht bestreitet seine einwöchige Quarantäne daher ab Samstag im hessischen Grünberg und steigt somit verspätet in den Ligabetrieb ein. Die Spielerinnen wehrten sich gegen das Mammutprogramm in den sozialen Netzwerken. Und nahmen den DFB ins Visier. So sei etwa die angekündigte Zahlung von 300 000 Euro aus dem Solidaritätsfonds der Deutschen Fußball Liga (DFL) zum Zwecke der Saisonfortsetzung in 3. Liga und der Frauen-Bundesliga (7,5 Mio. Euro) noch nicht geleistet worden.
Der Zuschuss für die sechs Frauen-Bundesligisten ohne Anbindung an einen Erst- oder Zweitligisten aus dem Männerfußball (Jena, Sand, Duisburg, Essen, Potsdam, Frankfurt) hatte dem Neustart angesichts von Mehrkosten für Quarantäne und engmaschigen Tests den Weg geebnet. Und so die positive Abstimmung der Vereinsvertreter pro Saisonfortsetzung ermöglicht.
DFB-Präsident Fritz Keller rühmte die Geschlossenheit, die der Liga eine „Vorreiterrolle im internationalen Frauenfußball“beschert. Nach sinkenden Zuschauerzahlen und ausbleibendem internationalem Erfolg weckt der Restart inmitten der Corona-Krise großes Interesse über die Landesgrenzen hinaus. Die Ligen in England, Spanien oder Frankreich haben die Saison längst abgebrochen. Und so wird das Comeback von Leupolz, Popp und Co. überall mit Spannung erwartet. „Jetzt bekommen wir eine große Plattform, von der wir profitieren werden“, sagt Ralf Kellermann, sportlicher Leiter des VfL Wolfsburg.