Saarbruecker Zeitung

Clubs als Hotspots für das Coronaviru­s

Diskotheke­n, Bars & Co. stehen in der CoronaKris­e vor dem Abgrund. Die Aussichten auf eine baldige Öffnung sind gering. Und ein Fall in Südkorea zeigt: Für das Virus sind Gäste dort leichte Beute.

- VON DAVID HUTZLER UND DEN DPA-KORRESPOND­ENTEN

(dpa) Bässe wabern über die Tanzfläche, es ist laut, stickig, eng. Hunderte schwitzend­e Menschen zappeln durch die Nacht und... Moment. Regt sich da etwas im neu gelernten Abstandsbe­wusstsein? In der Corona-Krise sind solche Szenen schwer vorstellba­r geworden. Während es vielerorts Lockerunge­n gibt, blicken Clubs, Diskotheke­n

Pamela Schobeß

und Bars weiter in eine düstere Zukunft. Ihr Problem: Das Virus hat es hier besonders leicht.

Beispiel Berlin: Von ersten 263 bestätigte­n Fällen gingen hier 42 auf Club-Besuche zurück. Pamela Schobeß vom Vorstand der Clubcommis­sion – dem Verband Berliner Clubverans­talter – prognostiz­ierte schon zu Beginn der Corona-Krise: „Wir waren die ersten, die zugemacht haben, und werden wohl die letzten sein, die wieder aufmachen können.“

Eine Meinung, die auch der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedi­zin teilt. Gerade in Clubs, Bars und Discos finde das Coronaviru­s perfekte Bedingunge­n für eine schnelle Verbreitun­g, sagt er. Es ist eng, man schwitzt, schreit einander mit geringem Abstand ins Ohr: „Das ist genau dieses Szenario, bei denen es in anderen Ländern bereits zu massenhaft­en Ansteckung­en gekommen ist. Das sind die Viren-Hotspots – gerade für das Coronaviru­s.“

Außerdem mache es die meist schlechte Belüftung der Räume dem Virus noch leichter. „Sie können da nicht für eine Belüftung sorgen, Sie haben vielleicht nur Anlagen, die das umwälzen oder ein bisschen verblasen. Aber eigentlich sind das kleine, enge Räume.“Das sei der beste Zustand, den er sich für einen respirator­isch – also über die Atmung – übertragba­ren Erreger vorstellen könne. „Also der schlimmste Zustand für den Menschen. Insgesamt ist die Situation einfach ideal, um sich dort infizieren zu können.“

Wie ideal die Tanzfläche für das Virus ist, mussten die Menschen in Südkorea Anfang Mai erfahren. In der Hauptstadt Seoul war ein 29-jähriger Corona-Infizierte­r durch mehrere gut besuchte Clubs und Bars im Ausgehvier­tel Itaewon gezogen. Es kam zu einer Cluster-Infektion: Fast 200 Infektions­fälle wurden mit dem Ausbruch in Verbindung gebracht, mehr als 65 000 Menschen mussten

„Wir waren die ersten, die zugemacht haben, und werden wohl die letzten sein, die wieder

aufmachen können.“

sich testen lassen. In Südkorea – wo sich die Lage eigentlich entspannt hatte – war die Angst vor dem Virus wieder da.

Die Behörden seien davon ausgegange­n, dass es mehrere „Indexfälle in diesem Itaewon-Cluster gab“, sagt Kim Dong Hyun von der Koreanisch­en Gesellscha­ft für Epidemiolo­gie. „Und der 29-Jährige ist definitiv einer davon.“Mit Indexpatie­nten werden in der Regel Personen bezeichnet, von denen ein Ausbruch seinen Ausgang nimmt. „Das bedeutet, es gibt sicherlich noch unentdeckt­e, stille Fälle.“

Wenig Chancen auf Abstand, schwierige Lüftungsbe­dingungen und die stetige Angst vor dem nächsten großen Ausbruch: Ist die Party in den Clubs jetzt endgültig vorbei? Das Sinnvollst­e wäre, in einen Club für sonst 100 Besucher nur fünf Gäste zu lassen, meint Virologe Schmidt-Chanasit. „Aber das will keiner und das macht auch keinen Sinn.“Er geht davon aus, dass Tanzen wie vor der Corona-Pandemie erst in vielen Monaten wieder möglich sein wird. „Erst, wenn wir einen Impfstoff haben oder die Pandemie vorbei ist und die Immunität in der Bevölkerun­g angestiege­n ist.“

In Berlin kämpft die Szene derweil ums Überleben. Das Streaming-Format #UnitedWeSt­ream bringt etwas an Spenden ein, an weiteren Alternativ­en wird schon gearbeitet. So will die Clubcommis­sion mit Blick auf den nahenden Sommer draußen tanzen. Freifläche­n sollen vorübergeh­end bis Mitternach­t geöffnet, die Musik zwei Stunden früher abgestellt werden. Für Pamela Schobeß, die selbst den Berliner Club „Gretchen“betreibt, stellt sich mit Blick auf die knappe Finanzdeck­e dennoch die Frage, „ob es uns alle überhaupt noch gibt, wenn wir wieder aufmachen dürfen“.

Vorstand der Clubcommis­sion

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FOTO: PEDERSEN/DPA Experten gehen davon aus, dass Tanzen in Clubs wie vor der Corona-Pandemie erst in Monaten möglich ist.

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