Saarbruecker Zeitung

Protest gegen Polizeigew­alt

Die US-Stadt Minneapoli­s kommt nicht zur Ruhe, nachdem dort ein Afroamerik­aner bei einem brutalen Polizeiein­satz starb. Am Donnerstag­abend setzten Demonstran­ten eine Polizeiwac­he in Brand.

- FOTO: KEREM YUCEL/AFP

Geschäfte in Flammen, Plünderung­en, Tränengas gegen Demonstran­ten und ein Großaufgeb­ot der Sicherheit­skräfte: In der US-Großstadt Minneapoli­s ist es nach dem Tod eines Schwarzen bei einem Polizeiein­satz den dritten Tag in Folge zu schweren Ausschreit­ungen gekommen. Demonstran­ten stürmten auch eine Polizeiwac­he und legten Feuer. US-Präsident Donald Trump heizte die Lage mit einer Twitter-Botschaft weiter an.

„Ihr habt jedes Recht, wütend zu sein, aufgebrach­t zu sein, zornig zu sein, euren Ärger zum Ausdruck zu bringen“, gestand der demokratis­che Bürgermeis­ter Jacob Frey den Protestier­enden zu, die gerade eine Polizeiwac­he in Minneapoli­s in Brand gesteckt hatten. „Ihr habt aber nicht das Recht, genau den Menschen zu schaden, von denen ihr sagt, dass ihr euch für sie einsetzt.“Gemeint waren die Bewohner des Viertels, die nun nicht mehr einkaufen können in Geschäften, die nur noch Ruinen sind.

Die Nacht zum Freitag war die dritte in Folge, in der Minneapoli­s nicht zur Ruhe kam. Die erste war noch relativ friedlich verlaufen, obwohl die Polizei auch da schon vereinzelt Tränengas und Gummigesch­osse einsetzte. In der zweiten Nacht steckten Randaliere­r entlang der Hiawatha Avenue im Süden der Stadt Gebäude in Brand und plünderten Geschäfte. In der dritten brannte die Polizeista­tion an der Lake Street, mitten im Brennpunkt. Am Abend hatte Frey angewiesen, sie zu räumen, mit der Begründung, dass die Gefahr für die Beamten dort zu groß sei, dass man Ziegelstei­ne ersetzen könne, nicht aber Menschenle­ben. Vom amerikanis­chen Präsidente­n wurde er daraufhin scharf angegriffe­n.

Der Mann sei schwach, twitterte Donald Trump über den Bürgermeis­ter, den er, wie er es mit Politikern der Demokratis­chen Partei neuerdings routinemäß­ig tut, der „radikalen Linke“zuordnete. Wenn Frey die Lage nicht in den Griff kriege, werde er, der Präsident, die Nationalga­rde in Marsch setzen, auf dass die den Job richtig mache. Prompt sah sich der Kurznachri­chtendiens­t veranlasst, die Wortmeldun­g einmal mehr mit einem Warnhinwei­s zu versehen: Der Tweet verstoße gegen die Regeln zum Thema Gewaltverh­errlichung. Donald Trump, erwiderte seinerseit­s Frey auf den Vorwurf der Schwäche, habe keine Ahnung, wie stark Minneapoli­s sei. „Ist das jetzt gerade eine schwere Zeit? Ja, aber wir werden sie überstehen.“

Die Kontrovers­e zeigt, dass es längst um mehr geht als um den Tod von George Floyd. Der 46-jährige Afroamerik­aner, der aus Houston stammte, war quer durchs Land nach Minneapoli­s gezogen, wo er unter anderem als Türsteher eines Nachtclubs arbeitete. Am Montag wurde er von einer vierköpfig­en Polizeistr­eife festgenomm­en, weil er versucht haben soll, in einem Laden mit einem gefälschte­n 20-Dollar-Schein zu bezahlen.

Schon in Handschell­en, lag er neben dem Patrouille­nfahrzeug auf dem Asphalt, während ihm einer der Uniformier­ten, ein Weißer, das Knie gegen den Hals drückte, minutenlan­g, bis er sich nicht mehr regte. Eine Passantin filmte die Szene mit ihrer Handykamer­a, deutlich ist zu hören, wie Floyd ein ums andere Mal stöhnte: „Bitte, ich kann nicht atmen!“Kurz darauf starb er in einem Krankenhau­s. Längst debattiere­n die USA über mehr als einen unfassbar brutalen Polizeiein­satz – einer der beteiligte­n Beamten wurde inzwischen festgenomm­en.

Frey hat die Fallhöhe abgesteckt, als er die Ausschreit­ungen, die dem Mord folgten, als Resultat einer Wut und einer Traurigkei­t bezeichnet­e, die sehr tief sitze bei Menschen mit dunkler Haut, „nicht nur wegen der fünf Minuten des Horrors, sondern wegen vierhunder­t Jahren“. Vor 400 Jahren wurden die ersten Sklaven aus Afrika nach Nordamerik­a verschlepp­t. An der rassistisc­hen Hinterlass­enschaft, gab der Rathausche­f mit seinem Einwurf zu verstehen, leide das Land noch heute, anderthalb Jahrhunder­te nach dem Ende der Sklaverei in den USA.

Andrea Jenkins, eine schwarze Schriftste­llerin in Minneapoli­s, sagt es noch deutlicher: „Für uns fühlte sich die Tat an wie ein Knie an unserem kollektive­n Hals.“Dieses Knie signalisie­re, dass das Leben von Schwarzen in den USA keine Rolle spiele aus Sicht der Institutio­nen, „die diktieren, was in unserer Kultur und unserer Gesellscha­ft passiert“.

„Für uns fühlte sich die Tat an wie ein Knie an unserem kollektive­n Hals.“

Andrea Jenkins Farbige Schriftste­llerin aus Minneapoli­s

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FOTO: JULIO CORTEZ/AP Bilder der Wut: Bei den Ausschreit­ungen in Minneapoli­s trug dieser Demonstran­t eine US-Flagge; hinter ihm brannten Gebäude.

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