Empfängern von Corona-Hilfen droht Steuerforderung
Der Präsident des Steuerzahler-Bunds rechnet mit Nachzahlungen für Betroffene.
(vet) Nach Einschätzung des Präsidenten des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, müssen sich viele Bürger, die von staatlichen Corona-Hilfen profitieren, auf Nachzahlungen an den Fiskus einstellen. „Die meisten Hilfen haben steuerrechtliche Relevanz“, sagte Holznagel im SZ-Interview. Wer Hilfen in Anspruch genommen hat, müsse unter Umständen damit rechnen, dass ihn das Finanzamt im nächsten Jahr gegebenenfalls zu Nachzahlungen auffordere. Als Beispiel nannte der Steuerexperte das millionenfach genutzte Kurzarbeitergeld. Diese Zahlung sei zwar steuerfrei, unterliege aber dem sogenannten Progressionsvorbehalt. „Das heißt, diese Einnahmen werden zur Berechnung des individuellen Steuersatzes herangezogen“, sagte Holznagel.
Aus Sicht des Verbandschefs hat die Bundesregierung die steuerlichen Aspekte der Hilfsmaßnahmen unzureichend kommuniziert. Er forderte die Regierung auf, diese Folgen besser zu erklären.
Zuschüsse für Selbstständige, Boni für Altenpfleger, Kurzarbeitergeld – mit einer Fülle von Hilfsmaßnahmen sollen Betroffene der Corona-Pandemie vor dem wirtschaftlichen und sozialen Absturz bewahrt werden. Häufig kassiert allerdings auch das Finanzamt mit, wie der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, deutlich machte.
Herr Holznagel, viele Bevölkerungsgruppen können derzeit auf besondere Hilfen des Staates zählen. Da hat auch der Steuerfachmann nichts dagegen, oder?
HOLZNAGEL Nein. Existenznöte in der Krise müssen bekämpft werden, keine Frage. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die meisten Hilfen steuerrechtliche Relevanz haben. Das heißt, wer Hilfen in Anspruch genommen hat, muss unter Umständen damit rechnen, dass ihn das Finanzamt im nächsten Jahr gegebenenfalls zu Nachzahlungen auffordern wird.
Mehrere Millionen Menschen dürften das verbesserte Kurzarbeitergeld in Anspruch nehmen. Gilt das auch für sie?
HOLZNAGEL Das Kurzarbeitergeld ist zwar steuerfrei, unterliegt aber dem sogenannten Progressionsvorbehalt. Das heißt, diese Einnahmen werden zur Berechnung des individuellen Steuersatzes herangezogen. Entscheidend ist dabei, wie hoch die Gesamteinnahmen in diesem Jahr sind und wie lange man Kurzarbeitergeld bezogen hat. Auf diese Weise kann es durchaus zu Steuernachzahlungen kommen. Das hängt ganz von der persönlichen Situation ab. Alle Kurzarbeiter sollten sich aber auf diese Möglichkeit einstellen.
Viele Selbstständige haben je nach Betriebsgröße Soforthilfen in Höhe von bis zu 15 000 Euro in Anspruch genommen. Ist hier der Fiskus auch mit dabei?
HOLZNAGEL Ja, natürlich. Auch dieses Geld muss als Betriebseinnahme erfasst werden und unterliegt damit der Steuer. Das Finanzamt ist hier auch insofern gefordert, als es nachträglich überprüft, ob diese Hilfen berechtigt beantragt wurden. Auch das wird im kommenden Jahr noch einmal aufploppen.
Beim Altenpflege-Bonus wurde extra eine Regelung für den steuerfreien Bezug geschaffen. Geht das in Ordnung?
HOLZNAGEL Für Altenpfleger, die angesichts der Pandemie mit ganz besonderen Herausforderungen in ihrem Beruf konfrontiert sind, geht das sicher in Ordnung. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass andere Berufsgruppen genauso hart arbeiten, genauso belastet waren und sind. Deshalb sollte die Politik besser Maßnahmen beschließen, die allgemein für Entlastung sorgen.
Gerade erst hat der Bundestag die Umsatzsteuer auf Speisen in Restaurants gesenkt. Sind das gut angelegte Einnahmeausfälle für den Staat?
HOLZNAGEL Auf jeden Fall ist es ein Beitrag zum Bürokratieabbau. Denn bislang gilt der volle Steuersatz von 19 Prozent, wenn der Verzehr im Restaurant stattfindet, und der ermäßigte Satz von sieben Prozent, wenn das Essen außer Haus verkauft wird. Nun sind es einheitlich sieben Prozent. Allerdings gilt auch hier: Es wäre besser gewesen, wenn man auch Dienstleistungen wie etwa das Handwerk einbezogen hätte. Überhaupt ist es besser, wenn das Geld dort bleibt, wo es erwirtschaftet wurde, als dass es der Staat zunächst einsammelt und mit vielen Reibungsverlusten dann wieder verteilt.
Hat die Bunderegierung die steuerlichen Aspekte ihrer Hilfsmaßnahmen hinreichend kommuniziert?
HOLZNAGEL Wir haben ein sehr kompliziertes Steuerrecht. Gerade deshalb ist die Politik in der Verantwortung, nicht nur die Hilfen in schillernden Farben zu verkünden, sondern auch gewissermaßen den Beipackzettel besser zu erklären.