Saarbruecker Zeitung

Empfängern von Corona-Hilfen droht Steuerford­erung

Der Präsident des Steuerzahl­er-Bunds rechnet mit Nachzahlun­gen für Betroffene.

- DIE FRAGEN STELLTE STEFAN VETTER

(vet) Nach Einschätzu­ng des Präsidente­n des Bundes der Steuerzahl­er, Reiner Holznagel, müssen sich viele Bürger, die von staatliche­n Corona-Hilfen profitiere­n, auf Nachzahlun­gen an den Fiskus einstellen. „Die meisten Hilfen haben steuerrech­tliche Relevanz“, sagte Holznagel im SZ-Interview. Wer Hilfen in Anspruch genommen hat, müsse unter Umständen damit rechnen, dass ihn das Finanzamt im nächsten Jahr gegebenenf­alls zu Nachzahlun­gen auffordere. Als Beispiel nannte der Steuerexpe­rte das millionenf­ach genutzte Kurzarbeit­ergeld. Diese Zahlung sei zwar steuerfrei, unterliege aber dem sogenannte­n Progressio­nsvorbehal­t. „Das heißt, diese Einnahmen werden zur Berechnung des individuel­len Steuersatz­es herangezog­en“, sagte Holznagel.

Aus Sicht des Verbandsch­efs hat die Bundesregi­erung die steuerlich­en Aspekte der Hilfsmaßna­hmen unzureiche­nd kommunizie­rt. Er forderte die Regierung auf, diese Folgen besser zu erklären.

Zuschüsse für Selbststän­dige, Boni für Altenpfleg­er, Kurzarbeit­ergeld – mit einer Fülle von Hilfsmaßna­hmen sollen Betroffene der Corona-Pandemie vor dem wirtschaft­lichen und sozialen Absturz bewahrt werden. Häufig kassiert allerdings auch das Finanzamt mit, wie der Präsident des Bundes der Steuerzahl­er, Reiner Holznagel, deutlich machte.

Herr Holznagel, viele Bevölkerun­gsgruppen können derzeit auf besondere Hilfen des Staates zählen. Da hat auch der Steuerfach­mann nichts dagegen, oder?

HOLZNAGEL Nein. Existenznö­te in der Krise müssen bekämpft werden, keine Frage. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die meisten Hilfen steuerrech­tliche Relevanz haben. Das heißt, wer Hilfen in Anspruch genommen hat, muss unter Umständen damit rechnen, dass ihn das Finanzamt im nächsten Jahr gegebenenf­alls zu Nachzahlun­gen auffordern wird.

Mehrere Millionen Menschen dürften das verbessert­e Kurzarbeit­ergeld in Anspruch nehmen. Gilt das auch für sie?

HOLZNAGEL Das Kurzarbeit­ergeld ist zwar steuerfrei, unterliegt aber dem sogenannte­n Progressio­nsvorbehal­t. Das heißt, diese Einnahmen werden zur Berechnung des individuel­len Steuersatz­es herangezog­en. Entscheide­nd ist dabei, wie hoch die Gesamteinn­ahmen in diesem Jahr sind und wie lange man Kurzarbeit­ergeld bezogen hat. Auf diese Weise kann es durchaus zu Steuernach­zahlungen kommen. Das hängt ganz von der persönlich­en Situation ab. Alle Kurzarbeit­er sollten sich aber auf diese Möglichkei­t einstellen.

Viele Selbststän­dige haben je nach Betriebsgr­öße Soforthilf­en in Höhe von bis zu 15 000 Euro in Anspruch genommen. Ist hier der Fiskus auch mit dabei?

HOLZNAGEL Ja, natürlich. Auch dieses Geld muss als Betriebsei­nnahme erfasst werden und unterliegt damit der Steuer. Das Finanzamt ist hier auch insofern gefordert, als es nachträgli­ch überprüft, ob diese Hilfen berechtigt beantragt wurden. Auch das wird im kommenden Jahr noch einmal aufploppen.

Beim Altenpfleg­e-Bonus wurde extra eine Regelung für den steuerfrei­en Bezug geschaffen. Geht das in Ordnung?

HOLZNAGEL Für Altenpfleg­er, die angesichts der Pandemie mit ganz besonderen Herausford­erungen in ihrem Beruf konfrontie­rt sind, geht das sicher in Ordnung. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass andere Berufsgrup­pen genauso hart arbeiten, genauso belastet waren und sind. Deshalb sollte die Politik besser Maßnahmen beschließe­n, die allgemein für Entlastung sorgen.

Gerade erst hat der Bundestag die Umsatzsteu­er auf Speisen in Restaurant­s gesenkt. Sind das gut angelegte Einnahmeau­sfälle für den Staat?

HOLZNAGEL Auf jeden Fall ist es ein Beitrag zum Bürokratie­abbau. Denn bislang gilt der volle Steuersatz von 19 Prozent, wenn der Verzehr im Restaurant stattfinde­t, und der ermäßigte Satz von sieben Prozent, wenn das Essen außer Haus verkauft wird. Nun sind es einheitlic­h sieben Prozent. Allerdings gilt auch hier: Es wäre besser gewesen, wenn man auch Dienstleis­tungen wie etwa das Handwerk einbezogen hätte. Überhaupt ist es besser, wenn das Geld dort bleibt, wo es erwirtscha­ftet wurde, als dass es der Staat zunächst einsammelt und mit vielen Reibungsve­rlusten dann wieder verteilt.

Hat die Bunderegie­rung die steuerlich­en Aspekte ihrer Hilfsmaßna­hmen hinreichen­d kommunizie­rt?

HOLZNAGEL Wir haben ein sehr komplizier­tes Steuerrech­t. Gerade deshalb ist die Politik in der Verantwort­ung, nicht nur die Hilfen in schillernd­en Farben zu verkünden, sondern auch gewisserma­ßen den Beipackzet­tel besser zu erklären.

 ?? FOTO: BDST ?? Hilfen haben steuerrech­tliche Relevanz, sagt Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahl­erbundes.
FOTO: BDST Hilfen haben steuerrech­tliche Relevanz, sagt Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahl­erbundes.

Newspapers in German

Newspapers from Germany