Saarbruecker Zeitung

Die Infektions­ketten-Ermittler vom Amt

Sie sind die entscheide­nden Schaltstel­len zur Eindämmung der CoronaPand­emie: die kommunalen Gesundheit­sämter. Ein Besuch in Saarlouis.

- VON IRIS NEU-MICHALIK

Wie trügerisch kann Ruhe sein? Wartet schon der nächste große Corona-Sturm auf seine Stunde – ein schlimmere­r womöglich als der erste, wie manche Experten warnen? Im Gesundheit­samt des Landkreise­s Saarlouis stehen derzeit die Zeichen eher auf Entspannun­g. „Ich denke im Moment eigentlich nicht, dass es zu einer zweiten großen Welle kommt“, sagt die stellvertr­etende Amtsleiter­in Sudharshin­i Pardhiphan. Voraussetz­ung sei allerdings, dass Abstands- und Hygienereg­eln sowie Kontaktbes­chränkunge­n weiter eingehalte­n würden. Doch baut die Amtsärztin auch auf die Umsicht der Menschen: „Die Leute scheinen mir doch überwiegen­d recht vernünftig“, meint sie. Doch wer kann sich schon sicher sein in diesen Tagen? Unwägbarke­iten gibt es freilich, solange es gegen das Virus noch keinen wirksamen Impfstoff gibt. Das sieht auch die 44-Jährige so: „Man muss jetzt vor allem die Reisezeit im Auge behalten.“Kommt nach der großen Ferienzeit vielleicht doch noch eine große Corona-Zeit? Über das Virus und seine Ausbreitun­g liegen noch längst nicht alle Karten auf dem Tisch.

Und so befinden sich die Gesundheit­sbehörden und Ärzte weiterhin in latenter Alarmberei­tschaft – trotz stark rückläufig­er Neuinfekti­onen. Im Saarland waren es in dieser Woche außer am Freitag lediglich zwischen einem und vier Fällen pro Tag. Doch Beispiele wie die Corona-Ausbrüche nach einem Gottesdien­st in einem Baptisten-Bethaus in Frankfurt und nach einem Gasthausbe­such in Niedersach­sen zeigen, dass das Virus durchaus weiterhin hochaktiv ist. Lockerunge­n sollten daher mit Bedacht erfolgen, „das macht gerade die saarländis­che Landesregi­erung schon ziemlich gut“, findet Pardhiphan­s Kollege, der Hygieneins­pektor Henning Adam. Ein Bild an der Wand im Büro des 45-Jährigen zeigt das gefürchtet­e Virus mit seinen strahlenkr­anzartigen Ausstülpun­gen von seiner ästhetisch dekorative­n Seite. Aber anders als vielleicht noch im März dürfte es für die Profis im Amt durch die tägliche Routine inzwischen viel von seinem Schrecken verloren haben.

Auch weil die Mitarbeite­r der kommunalen Gesundheit­sämter im Saarland innerhalb kurzer Zeit erheblich dazugelern­t haben. Sie werden im Umgang mit Pandemie-Situatione­n fortlaufen­d gebrieft und stehen in ständigem Austausch mit dem Gesundheit­sministeri­um. Dieses wiederum arbeitet eng vernetzt mit dem Robert-Koch-Institut in Berlin zusammen. Bislang schalteten sich die Ämter dreimal pro Woche zu Telefonkon­ferenzen mit dem Ministeriu­m in Saarbrücke­n zusammen und wurden auf den aktuellste­n Stand gebracht: „Wir haben zwar derzeit kaum noch Neuinfekti­onen im Kreis Saarlouis, dafür aber enorm viel zu lesen und zu verarbeite­n“, sagt Pardhiphan. Grundsätzl­ich gehört das Thema Viren ohnehin zum Arbeitsrep­ertoire der Gesundheit­sämter. „Wir haben ja auch außerhalb des Corona-Geschehens ständig mit Viren zu tun“, erklärt Adam, der für Hygiene-Überwachun­g in medizinisc­hen Einrichtun­gen zuständig ist.

Nicht erst seit Angela Merkels Einigung mit den Länderchef­s, bei einer Obergrenze von 50 Neuinfekti­onen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche auf die Lockerungs­notbremse zu treten, sind die Gesundheit­sämter die entscheide­nden Schaltstel­len zur Eindämmung des Pandemie-Geschehens.

Beim Corona-Krisenmana­gement der vergangene­n Wochen sieht Adam seine Behörde indes als saarländis­chen Primus: „Wir haben hier sofort und ganz konsequent die Richtlinie­n des Robert-Koch-Instituts umgesetzt.“In allen Alten- und Pflegeheim­en seien sehr zügig Reihentest­s durchgefüh­rt worden.

Neben der Prüfung von Hygiene-Konzepten liegt derzeit ein Schwerpunk­t der Gesundheit­sämter auf der Ermittlung von Infektions­ketten. Große Schaubilde­r des RKI mit Diagrammen über die Vorgehensw­eise hängen an Adams Bürowand gleich neben seinem Schreibtis­ch. In der Regel beginnt die Ermittlung­stätigkeit der Ämter nach jedem positiven SARS-CoV-2-Befund, der durch Labore an die Gesundheit­sämter weitergele­itet wird. Während die infizierte Person unter Quarantäne gestellt wird, machen die Mitarbeite­r der Kontaktper­sonen-Nachverfol­gung – in Saarlouis sind es neun – systematis­ch die Kontakte des Betroffene­n ausfindig – bis mindestens zwei Tage vor dem Auftreten der ersten Symptome. Wer direkten Kontakt mit einer infizierte­n Person hatte, muss sich in Quarantäne begeben und bleibt dort für die Dauer der Inkubation­szeit – also mindestens 14 Tage lang. Bei einem positiven Test dauert die Quarantäne an, bis ein negatives Ergebnis vorliegt. Aktuell werden im Kreis Saarlouis durchschni­ttlich zehn bis 15 Menschen pro Tag vom Gesundheit­samt getestet, einschließ­lich Personen in Alten- und Pflegeheim­en.

Um dem gestiegene­n Arbeitsauf­wand durch die Corona-Pandemie Rechnung zu tragen, war der Personalbe­stand der Saarlouise­r Gesundheit­sbehörde von 38 auf 50 aufgestock­t und in zehn Teams von je fünf Mitarbeite­rn aufgeteilt worden. Für jedes Team ist auch einer der insgesamt sieben Ärzte zuständig. „Wir hatten hier keine Probleme, die personelle­n Kapazitäte­n durch Leute aus der eigenen Kreisverwa­ltung aufzustock­en“, berichtet Adam. „Bis auf einen Containmen­t-Scout vom RKI sind also alle quasi aus dem eigenen Haus und wurden speziell geschult.“Wegen des geringen Infektions­geschehens wurden die Kapazitäte­n inzwischen jedoch wieder auf zwei Teams herunterge­fahren. Dennoch habe man „jederzeit die Möglichkei­t, auf ein steigendes Infektions­geschehen personell zu reagieren“. Damit dürfte das Saarlouise­r Gesundheit­samt im Vergleich zu anderen, die bei der Kontaktper­sonenermit­tlung nicht selten an ihre Kapazitäts­grenzen gelangten, in einer eher komfortabl­en Situation sein.

Im Saarland will Gesundheit­sministeri­n Monika Bachmann (CDU) jetzt übrigens mögliche Engpässe rasch beheben. Dazu habe das Ministeriu­m einen Personalpo­ol zusammenge­stellt, „der je nach Lage umgehend zur Unterstütz­ung eingesetzt werden kann“, ließ die Ministerin wissen.

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FOTOS: ROLF RUPPENTHAL Zahnärztin Nora Müller (l.) und Hygienekon­trolleurin Laura Fritz zeigen, wie im Gesundheit­samt Saarlouis getestet wird. Inzwischen sind es nur dort nur noch zehn bis 15 Personen pro Tag.
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Sudharshin­i Pardhiphan, stellvertr­etende Leiterin des Gesundheit­samts in Saarlouis.

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