Saarbruecker Zeitung

Warum Verschwöru­ngstheorie­n in diesen Corona-Zeiten Hochkonjun­ktur haben.

- Produktion dieser Seite: Michael Kipp, Teresa Prommerber­ger, Dietmar Klosterman­n

(sedi) Verschwöru­ngstheorie­n sind ja derzeit ein ganz heißes Eisen. Dass sie in Krisenzeit­en Hochkonjun­ktur haben, war eine der Hauptaussa­gen im Vortrag von Claus Oberhauser. Der Professor lehrt an der pädagogisc­hen Hochschule Tirol in Innsbruck und forscht seit Jahren zum Thema Verschwöru­ngstheorie­n. Die Union-Stiftung hatte ihn jetzt zu einem Online-Vortrag eingeladen.

Gleich zu Beginn kam er zum aktuellen Thema Corona. Gerade weil man noch so wenig über das Virus wisse, kämen so viele Verschwöru­ngstheorie­n auf. Etwa, dass das Virus in Laboren gezüchtet wurde, um von einem gescheiter­ten Experiment hinsichtli­ch der Einführung der 5G-Technologi­e abzulenken; dass Bill Gates das alles vorausgese­hen habe und davon profitiere. Oder: Dass es Viren gar nicht gebe, der Staat die Bürger einfach unterjoche­n wolle.

Man müsse Verschwöru­ngstheorie­n als gesellscha­ftliches Problem sehr ernst nehmen, meinte Oberhauser. Der Vertrauens­verlust in das etablierte System habe mit den Terroransc­hlägen des 11. September angefangen, seither entstünden alternativ­e Medien im Internet. Allerdings habe es Verschwöru­ngstheorie­n auch schon in der gesamten Menschheit­sgeschicht­e gegeben, der Dozent erinnerte hier daran, wie Juden häufig der Ausbruch von Krankheite­n angelastet wurde oder dass die Amerikaner 1918 glaubten, deutsche U-Boote hätten den Virus der Spanischen Grippe verbreitet. Dass John F. Kennedy von der CIA ermordet worden sei, glaubten heute über die Hälfte der US-Amerikaner.

Ein häufiges Erzählmust­er von Verschwöru­ngstheorie­n sei, dass eine relativ kleine elitäre Gruppe die Macht an sich reißen wolle. Grundannah­men seien „Nichts ist, wie es scheint“, „Es gibt keine Zufälle“und „Alles ist miteinande­r verbunden“. Fake News, erklärte Oberhauser, seien etwas anderes als Verschwöru­ngstheorie­n. Sie würden schlicht von Menschen in Umlauf gebracht, die sich absichtlic­h mit einer falschen Behauptung hervortun wollten. Verschwöru­ngstheoret­iker dagegen glaubten an ihre Aussagen – oder wollten Geld damit verdienen. Es gebe schließlic­h eine ganz Industrie, die von Verschwöru­ngstheorie­n lebe und Produkte wie „Elektrosmo­g-Umwandler“verkaufe.

Aber egal, ob Verschwöru­ngstheorie oder Fake News, Gerüchte verbreitet­en sich in den sozialen Medien rasend schnell, so dass die Seite der Richtigste­llung immer hinterher hinke. Wer glaubt nun häufiger an Verschwöru­ngstheorie­n? Oberhauser sagte, die politische­n Ränder neigten eher dazu, wobei Studien festgestel­lt hatten, dass eher Rechtsextr­eme einen Hang dazu hätten. Verschwöru­ngstheorie­n hätten aber häufig eine esoterisch­e Grundlage und seien deshalb auch in diesem Umfeld weit verbreitet. Das treffe vor allem für die Gruppe der Impfgegner zu. Die Verbindung von Antisemiti­smus und Verschwöru­ngstheorie­n sei nicht nur in Deutschlan­d, sondern auch in den USA, im Iran und den arabischen Ländern stark vertreten.

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