Vorgabe des Ministeriums sorgt für Ärger
Wegen Corona ist eine flächendeckende Zweitkorrektur der Abiturprüfungen dieses Jahr nicht vorgesehen. Kommuniziert wurde diese Änderung nicht.
Schüler sind momentan nicht zu beneiden. Vor allem diejenigen nicht, die in Zeiten von Corona Abitur machen müssen. Erst waren die Schulen wochenlang dicht, dann war lange nicht klar, ob überhaupt Prüfungen stattfinden können, schließlich wurden die Termine viel später angesetzt als ursprünglich geplant.
Der dadurch entstandene Zeitdruck ist Grund für eine Änderung des Prüfungsverfahrens, die nun in der Kritik steht. Normalerweise sieht die Abiturprüfungsordnung des Saarlandes in Paragraph 41 vor, dass jede schriftliche Abiturprüfung nach der Erstkorrektur durch den Fachlehrer nochmal von einem weiteren Prüfer korrigiert werden muss – ein Verfahren, um eine objektivere Bewertung zu gewährleisten. Wegen der Verschiebung des Abiturstarts vom 27. April auf den 20. Mai entschied das saarländische Bildungsministerium aber, diese Regelung auszusetzen.
Demnach sollen pro Kurs nur noch drei Arbeiten stichprobenartig von einem Zweitkorrektor überprüft werden. Weicht die Note eines Prüflings zu stark von den Vorleistungen ab oder ist die Zulassung zur mündlichen Prüfung in Gefahr, wird die Arbeit ebenfalls zur Zweitkorrektur gegeben. Der Rest der Arbeiten wird nur ein einziges Mal korrigiert.
Auch andere Bundesländer wie Hamburg haben ähnliche Regelungen eingeführt. Allerdings: Dort wurde die Öffentlichkeit darüber in Kenntnis gesetzt – während das saarländische Bildungsministerium dies offenbar versäumt hat. Wie Katja Oltmanns, Vorsitzende der Landeselternvertretung der Gymnasien, mitteilt, sei sie lediglich über eine Änderung die mündlichen Prüfungen betreffend informiert worden: Da sollen aus Infektionsschutzgründen die Erst- und Zweitprüfer abweichend vom üblichen Prozedere von derselben Schule stammen. Bezüglich des schriftlichen Abiturs habe sie kein Schreiben erhalten, weshalb sie erst durch Nachfrage der SZ davon erfährt.
Auch die Landesschülervertretung (LSV) sei darüber nicht informiert worden, wie der Leiter des Rechtsausschusses Justin Gesellchen mitteilt. Die LSV sehe es kritisch, dass diese Entscheidung (von der Gesellchen nur durch Zufall erfahren hat) ohne Abstimmung mit den Eltern- und Schülervertretern
getroffen wurde.
Die Rechtsgrundlage hierfür ist die „Verordnung zur Änderung von Ausbildungs-, Schul- und Prüfungsordnungen im Bereich des Ministeriums für Bildung und Kultur“vom 29. April: Damit ist in die Prüfungsordnung mit Paragraph 82a ein Passus eingefügt worden, der es dem Ministerium erlaubt, bei „schwerwiegenden Gefahren für Leben und Gesundheit“Regelungen zu beschließen, die von der Prüfungsordnung abweichen. „Auch das geschah ohne Absprache“, betont Gesellchen – und ohne anschließende Benachrichtigung. Der 18-Jährige, der selbst zum Abiturjahrgang des Illinger
Illtal-Gymnasiums gehört, ist sich darüber hinaus sicher, dass kaum einer seiner Mitschüler weiß, dass nicht alle ihre Abiturarbeiten zweitkorrigiert werden.
Berechtigter Ärger? Wie ein Sprecher des Ministeriums auf Nachfrage mitteilt, sei es „weder üblich, noch notwendig“gewesen, Eltern und Schüler über die Änderung zu informieren. Grund: „Die Anpassung der Regelungen stellt faktisch keine Veränderung der Rahmenbedingungen für die Abiturienten im Vergleich zu den Vorjahren dar.“Marcus Hahn, Vorsitzender des saarländischen Philologenverbands, ist da anderer Meinung. Auch eine geringfügige Änderung sei kein Grund, sich nicht mit den Betroffenen abzustimmen: „Das Verfahren muss transparent sein.“
Der Lehrer, der mittels eines Rundschreibens an die Schulen von der Änderung informiert wurde, sieht die Maßnahme kritisch: „Die Prüfung muss für alle gleich sein, es soll keine Ungleichbehandlung entstehen.“Das sieht er nicht gegeben, wenn nur ein Teil der Arbeiten zweifach geprüft werde. Außerdem müsse man sich im Klaren sein, dass das jetzige Verfahren rein organisatorisch begründet sei – nicht pädagogisch. „Gleichzeitig wurden Brückentage gestrichen, die dringend für die Korrektur benötigt worden wären“, kritisiert Hahn. Die jetzige Ausnahmesituation dürfe nicht dazu führen, die Zweitkorrektur an sich infrage zu stellen. „Das darf auf keinen Fall Schule machen.“