Saarbruecker Zeitung

Über den Tellerrand schauen

Das Deutsche HygieneMus­eum in Dresden zeigt in der Ausstellun­g „Future Foods“in realen Raumsituat­ionen den Weg pflanzlich­er und tierischer Lebensmitt­el von Feld und Stall bis auf den Teller.

- VON KATHARINA RÖGNER

(epd) Es ist eine der größten Herausford­erungen der Gegenwart und fängt bei jedem selbst an: das nachhaltig­e Essen. Oft führt der Weg der Lebensmitt­el vom Stall oder Feld bis auf den Tisch quer über den Globus. Die neue Ausstellun­g „Future Food. Essen für die Welt von morgen“im Dresdner Hygiene-Museum widmet sich dem Thema Ernährung in einer globalen Welt. Von Samstag an wirbt sie für einen sorgsamen Umgang mit Ressourcen.

Essen ist ein Statement und längst keine reine Privatsach­e mehr. „Das, was auf dem Teller liegt, ist ein Politikum“, sagt die stellvertr­etende Museumsdir­ektorin Gisela Staupe. Das werde oft vergessen oder auch verdrängt. Die Ausstellun­g setze daher auf Vermittlun­g. „Wir alle gemeinsam müssen Verantwort­ung übernehmen“, sagt Staupe. Eine Installati­on am Eingang spricht auch gleich die persönlich­e Ebene an: ein Partyzelt, Essensrest­e auf den Tellern, Gespräche aus Lautsprech­ern im Hintergrun­d – eine Situation aus dem Alltag zur Einstimmun­g auf ein komplexes Thema.

Der Rundgang führt durch ein Gewächshau­s, ein Logistikze­ntrum und einen Supermarkt, konzentrie­rt sich auf die Themen Produktion, Handel und Konsum. „Es geht darum zu zeigen, was heute für die Zukunft entwickelt werden kann“, sagt Kuratorin Viktoria Krason. Ausgewählt wurden dafür rund 300 Objekte und Installati­onen, Interviews, Videos und Kunstwerke. Vorgestell­t werden auch „Ideen des Wandels“, neue Methoden und Anbauweise­n. Als Alternativ­e zum Warenimpor­t setzt der Inselstaat Singapur etwa auf „vertical farming“(vertikale Landwirtsc­haft). Ein Film zeigt, wie Beete in Hochhäuser­n übereinand­er angelegt und in einem Kreislauf bewegt werden können – um das Sonnenlich­t auszunutze­n.

Die Ausstellun­g schaut zwar in die Zukunft, doch die Zukunft beginnt heute, sagt Kuratorin Krason. Jeder Mensch sei Teil des globalen Ernährungs­systems, das Milliarden satt mache, während es mehr als 800 Millionen Menschen hungern lasse. Allein 40 Millionen Kinder unter fünf Jahren gelten als unterernäh­rt. Dem stehen 338 Millionen übergewich­tige Kinder und Jugendlich­e sowie 672 Millionen übergewich­tige Erwachsene gegenüber. Die Ausstellun­g konfrontie­rt mit globaler Verteilung­sgerechtig­keit, vegetarisc­her Ernährung und der Macht von Lebensmitt­elkonzerne­n. Sie setzt aber auch auf Essen als Genuss, als Grundlage für Identität und Gemeinscha­ft. „Wer sich bewusst für Speisen auf seinem Teller entscheide­t, deren Geschichte­n

er gern erzählen kann, genieße anders, womöglich intensiver“, sagt Krason.

Avocados, Schokolade oder Hähnchen – meist würden Menschen in Industriel­ändern auf Kosten anderer essen. Die Ausstellun­g skizziert einige globale Produktion­sketten nach. Weltweiten Handelsbez­iehungen wohnen oft dramatisch­e soziale und ökologisch­e Ausbeutung­sverhältni­sse inne. Zum Beispiel verursacht die Avocado in einigen Ländern Lateinamer­ikas einen massenhaft­en Plantagena­nbau – mit negativen Folgen für Böden und Wasservorr­at. „Es ist nicht einfach, in einem Moment historisch­er Sattheit, in dem wir Nahrung und Güter aller Art zur

Verfügung haben, ernsthaft daran zu glauben, dass sie alle auf einem prekären Versorgung­ssystem aufgebaut sind“, sagt der Journalist Jan Grossarth, wissenscha­ftlicher Berater der Ausstellun­g. Für die Welternähr­ung gebe es aber „keine einfachen Lösungen“, sondern mehr solche für jeweils eine Region. Dennoch sei Ernährungs­verhalten so etwas wie ein „social tattoo“. Es sei wichtig, fossile Energien nicht zu verschwend­en und regionale Nahrungskr­eisläufe zu schaffen.

Die Ausstellun­g „Future Food“präsentier­t Erkenntnis­se zwischen Partystimm­ung und einer am Ende des Rundgangs festlich-opulent gedeckten Tafel. Museumsgäs­te sollen dort Platz nehmen und sich fragen: Was kann ich beitragen? Es seien erste kleine Schritte, die jeder für sich umsetzen kann, sagt Krason, etwa regional und saisonal einkaufen. Grossarth schlägt vor, den Kontakt mit Hersteller­n zu suchen, auf Etiketten zu achten. Letzten Endes gehe es um die Frage: Welche Zukunft ist für Sie tatsächlic­h genießbar? Da brauche es mündige Esser.

 ?? FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA ?? Eine kunstvoll gestaltete Festtafel ist in der Ausstellun­g „Future Food – Essen für die Welt von morgen“im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden.
FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Eine kunstvoll gestaltete Festtafel ist in der Ausstellun­g „Future Food – Essen für die Welt von morgen“im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden.
 ?? FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA ?? Es gibt sogar einen so genannten Mettigel aus Kunststoff zu sehen. Eine künstleris­che Erinnerung an die 1960er Jahre.
FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Es gibt sogar einen so genannten Mettigel aus Kunststoff zu sehen. Eine künstleris­che Erinnerung an die 1960er Jahre.

Newspapers in German

Newspapers from Germany