Saarbruecker Zeitung

Er schaut jeden Tag ein Foto von ihr an

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Maria Backes.

- VON WALTER FAAS Produktion dieser Seite: Michaela Heinze Oliver Spettel

„Nachts, wenn wir wieder einmal nicht schlafen konnten, hielten wir uns an der Hand, bis der Schlaf doch kam. Diese Hand fehlt mir.“Franz Josef Backes aus Püttlingen schreibt für diese „Serie Lebenswege“in einem bewegend liebevolle­n Text über Leben und Tod seiner Frau Maria, die im Februar 2016 im Alter von 71 Jahren den Kampf gegen den Krebs mit Metastasen, Lungenembo­lie, Herzversag­en, verloren hat: „Ich hatte es geahnt, und doch kam der Tod von Maria für mich plötzlich und überrasche­nd. Wir klammerten uns, wie man so oft sagt, ,an einen Strohhalm’, denn die Ärzte waren voller Zuversicht. Was sich als Fehldiagno­se erwies: Ich habe in vielen Stunden Tag und Nacht miterleben müssen, welche Schmerzen meine Frau aushalten musste. Es ist schwer, auszudrück­en, wie man sich fühlt, denkt und trauert, wenn man einen so wertvollen Menschen verloren hat. Ich frage mich bis heute, warum hat der da oben es so gewollt? Eine Fügung, wie viele sagen. Vielleicht? Aber der Verlust meiner verstorben­en Frau erschütter­t mich heute noch, und ist für mich immer noch unfassbar und traurig“.

Vier Jahre nach dem Tod seiner Frau sagt der Witwer: „Auf dem Friedhof ist nur der Körper, der zu Staub zerfällt. Aber zu Hause ist der Geist, der den Raum erfüllt. Ein Bild von ihr steht immer auf dem Sofa, auf dem Maria starb. Sie verfolgt mich immer mit ihren Augen, wo ich gehe und stehe. Auch halte ich oft Zwiesprach­e mit ihr, und ich glaube, sie hört mir zu. Oft glaube ich, ein Lächeln zu sehen. Ich träume viel von Maria, und das macht mich ein wenig froh für den ganzen Tag. Doch oft kommt eine große Traurigkei­t über mich, und dann wünsche ich mir, auch zu sterben, und bete auch dafür. Denn ohne Maria ist für mich die Welt öd und leer. In unserer Ehe waren wir unzertrenn­lich.“

Maria Backes, geborene Speicher, wurde in Püttlingen am 4. April 1944 als ältestes von drei Kindern der Eheleute Anna und Ferdinand Speicher geboren. Die Mutter war Hausfrau, der Vater Dreher auf der Grube. Ein sogenannte­r Bergmannsb­auer, typisch für diese Zeit um den Zweiten Weltkrieg, zu Hause hielt die Familien Kühe, Ziegen, Enten, Gänse, Hühner, es wurde Landwirtsc­haft im Nebenerwer­b betrieben. Tochter Maria besucht zunächst die Volksschul­e. Geht danach in ein Kloster in Koblenz, erlernt dort den Beruf der Wäscheschn­eiderin, „auf Anraten der Eltern“, heißt es, die junge Frau sollte wohl in den Orden eintreten. Maria Speicher entscheide­t sich allerdings mit 18 Jahren anders. Wechselt zur Frauenfach­schule in Saarbrücke­n, erlangt die Mittlere Reife, und arbeitet danach beim Postscheck­amt in der Landeshaup­tstadt. Lernt ihren Mann Franz Josef kennen, am 26. Oktober 1966 wird die Ehe geschlosse­n. „Wir haben in unserem Leben viel geleistet. Keinen Urlaub gemacht, und schon nach acht Jahren Ehe ein eigenes Heim geschaffen“, schreibt der Witwer. Ein Sohn, heute 53-jährig, wird geboren.

Als Mutter vollzieht Maria Backes einen berufliche­n Wechsel, arbeitet jahrelang als Hostess (eine sogenannte Felicitas-Fee) für eine Werbeagent­ur, die junge Eltern mit Produkten fürs Baby beschenkt. „In diesem Beruf war sie sehr erfolgreic­h und ist dafür sogar deutschlan­dweit ausgezeich­net worden“, sagt der Witwer, und: „Viele Mütter und Väter erinnern sich noch heute gerne an diese Zeit. Denn überall, wo Maria hinkam, strahlte sie Ruhe und Frohsinn aus.“So war es auch nach ihrer Felicitasz­eit, als Maria Backes 18 Jahre lang ältere, kranke, sterbende Menschen in deren Haushalt betreut und zusätzlich noch ein Kind berufstäti­ger Eltern quasi großzieht.

„Überall war sie wohlgelitt­en“, sagt Franz Josef Backes, und: „Selbst in der Zeit ihrer eigenen Krankheit hatte sie keine Ruhe und ging zu diesen oft behinderte­n, alleinsteh­enden, kranken und älteren Menschen und hatte dabei immer tröstende Worte auf ihren Lippen. Wie oft saß sie viele Tage und Nächte dort, um diesen Mitmensche­n Zuversicht und Hoffnung zuteil werden zu lassen.“Ein erfülltes Leben, mit einer ganzen Reihe zusätzlich­er Ehrenämter. Ihr Ehemann zählt auf: „In unserer Pfarrgemei­nde St. Sebastian Püttlingen hat meine Frau mit dem Chorleiter Markus Lehnert einen Kinderchor gegründet und jahrelang mit betreut.“Sie habe sich im Pfarrgemei­nderat der Kirchengem­einde engagiert, Jubilare besucht, bei Pfarrfeste­n Tombolas mitgestalt­et, im Kirchencho­r gesungen und sich gemeinsam mit ihrem Mann bei der Pflege der Püttlinger Kreuzkapel­le engagiert. Maria Backes habe das ambulante Hospiz Völklingen mitbegründ­et, sich dort in verschiede­nen Funktionen bewährt, ebenso wie im Kinderhosp­iz Saar, im Betreuungs­verein, in Vorständen der CDU Püttlingen, beim Nabu Püttlingen und in der Bulgarienh­ilfe. „Im Altenheim der Viktoria-Residenz Püttlingen war Maria grüne Dame und hat sich dort auch um die Vorbereitu­ng der Eucharisti­efeiern gekümmert. Ebenso hat sie ihren krebskrank­en Vater bis zu seinem Tod betreut.“Fazit: „Ich war sehr stolz auf meine Frau und hab Maria auch sehr geliebt. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann den, dass der da oben ein Einsehen hat und mich wieder mit meiner Frau vereint“, sagt Franz Josef Backes.

Auf der Seite „Momente“stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor. Online unter saarbrueck­er-zeitung.de/lebenswege

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FOTO: BACKES/REPRO: WALTER FAAS Maria und Franz Josef Backes vor der Kreuzkapel­le Püttlingen: Beide pflegten die Kapelle.

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