Er schaut jeden Tag ein Foto von ihr an
Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Maria Backes.
„Nachts, wenn wir wieder einmal nicht schlafen konnten, hielten wir uns an der Hand, bis der Schlaf doch kam. Diese Hand fehlt mir.“Franz Josef Backes aus Püttlingen schreibt für diese „Serie Lebenswege“in einem bewegend liebevollen Text über Leben und Tod seiner Frau Maria, die im Februar 2016 im Alter von 71 Jahren den Kampf gegen den Krebs mit Metastasen, Lungenembolie, Herzversagen, verloren hat: „Ich hatte es geahnt, und doch kam der Tod von Maria für mich plötzlich und überraschend. Wir klammerten uns, wie man so oft sagt, ,an einen Strohhalm’, denn die Ärzte waren voller Zuversicht. Was sich als Fehldiagnose erwies: Ich habe in vielen Stunden Tag und Nacht miterleben müssen, welche Schmerzen meine Frau aushalten musste. Es ist schwer, auszudrücken, wie man sich fühlt, denkt und trauert, wenn man einen so wertvollen Menschen verloren hat. Ich frage mich bis heute, warum hat der da oben es so gewollt? Eine Fügung, wie viele sagen. Vielleicht? Aber der Verlust meiner verstorbenen Frau erschüttert mich heute noch, und ist für mich immer noch unfassbar und traurig“.
Vier Jahre nach dem Tod seiner Frau sagt der Witwer: „Auf dem Friedhof ist nur der Körper, der zu Staub zerfällt. Aber zu Hause ist der Geist, der den Raum erfüllt. Ein Bild von ihr steht immer auf dem Sofa, auf dem Maria starb. Sie verfolgt mich immer mit ihren Augen, wo ich gehe und stehe. Auch halte ich oft Zwiesprache mit ihr, und ich glaube, sie hört mir zu. Oft glaube ich, ein Lächeln zu sehen. Ich träume viel von Maria, und das macht mich ein wenig froh für den ganzen Tag. Doch oft kommt eine große Traurigkeit über mich, und dann wünsche ich mir, auch zu sterben, und bete auch dafür. Denn ohne Maria ist für mich die Welt öd und leer. In unserer Ehe waren wir unzertrennlich.“
Maria Backes, geborene Speicher, wurde in Püttlingen am 4. April 1944 als ältestes von drei Kindern der Eheleute Anna und Ferdinand Speicher geboren. Die Mutter war Hausfrau, der Vater Dreher auf der Grube. Ein sogenannter Bergmannsbauer, typisch für diese Zeit um den Zweiten Weltkrieg, zu Hause hielt die Familien Kühe, Ziegen, Enten, Gänse, Hühner, es wurde Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben. Tochter Maria besucht zunächst die Volksschule. Geht danach in ein Kloster in Koblenz, erlernt dort den Beruf der Wäscheschneiderin, „auf Anraten der Eltern“, heißt es, die junge Frau sollte wohl in den Orden eintreten. Maria Speicher entscheidet sich allerdings mit 18 Jahren anders. Wechselt zur Frauenfachschule in Saarbrücken, erlangt die Mittlere Reife, und arbeitet danach beim Postscheckamt in der Landeshauptstadt. Lernt ihren Mann Franz Josef kennen, am 26. Oktober 1966 wird die Ehe geschlossen. „Wir haben in unserem Leben viel geleistet. Keinen Urlaub gemacht, und schon nach acht Jahren Ehe ein eigenes Heim geschaffen“, schreibt der Witwer. Ein Sohn, heute 53-jährig, wird geboren.
Als Mutter vollzieht Maria Backes einen beruflichen Wechsel, arbeitet jahrelang als Hostess (eine sogenannte Felicitas-Fee) für eine Werbeagentur, die junge Eltern mit Produkten fürs Baby beschenkt. „In diesem Beruf war sie sehr erfolgreich und ist dafür sogar deutschlandweit ausgezeichnet worden“, sagt der Witwer, und: „Viele Mütter und Väter erinnern sich noch heute gerne an diese Zeit. Denn überall, wo Maria hinkam, strahlte sie Ruhe und Frohsinn aus.“So war es auch nach ihrer Felicitaszeit, als Maria Backes 18 Jahre lang ältere, kranke, sterbende Menschen in deren Haushalt betreut und zusätzlich noch ein Kind berufstätiger Eltern quasi großzieht.
„Überall war sie wohlgelitten“, sagt Franz Josef Backes, und: „Selbst in der Zeit ihrer eigenen Krankheit hatte sie keine Ruhe und ging zu diesen oft behinderten, alleinstehenden, kranken und älteren Menschen und hatte dabei immer tröstende Worte auf ihren Lippen. Wie oft saß sie viele Tage und Nächte dort, um diesen Mitmenschen Zuversicht und Hoffnung zuteil werden zu lassen.“Ein erfülltes Leben, mit einer ganzen Reihe zusätzlicher Ehrenämter. Ihr Ehemann zählt auf: „In unserer Pfarrgemeinde St. Sebastian Püttlingen hat meine Frau mit dem Chorleiter Markus Lehnert einen Kinderchor gegründet und jahrelang mit betreut.“Sie habe sich im Pfarrgemeinderat der Kirchengemeinde engagiert, Jubilare besucht, bei Pfarrfesten Tombolas mitgestaltet, im Kirchenchor gesungen und sich gemeinsam mit ihrem Mann bei der Pflege der Püttlinger Kreuzkapelle engagiert. Maria Backes habe das ambulante Hospiz Völklingen mitbegründet, sich dort in verschiedenen Funktionen bewährt, ebenso wie im Kinderhospiz Saar, im Betreuungsverein, in Vorständen der CDU Püttlingen, beim Nabu Püttlingen und in der Bulgarienhilfe. „Im Altenheim der Viktoria-Residenz Püttlingen war Maria grüne Dame und hat sich dort auch um die Vorbereitung der Eucharistiefeiern gekümmert. Ebenso hat sie ihren krebskranken Vater bis zu seinem Tod betreut.“Fazit: „Ich war sehr stolz auf meine Frau und hab Maria auch sehr geliebt. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann den, dass der da oben ein Einsehen hat und mich wieder mit meiner Frau vereint“, sagt Franz Josef Backes.
Auf der Seite „Momente“stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-zeitung.de/lebenswege