Saarbruecker Zeitung

Hoffnung auf Durchbruch für arme Kommunen

Nicht zuletzt für die Saar-Kommunen geht es heute um viel. Die Koalition könnte große Hilfen beschließe­n.

- VON STEFAN VETTER Produktion dieser Seite: Gerrit Dauelsberg Iris Neu-Michalik

(kir) Die Aussichten der hochversch­uldeten saarländis­chen Städte und Gemeinden auf eine dauerhafte finanziell­e Entlastung durch den Bund sind seit dem Pfingstwoc­henende gestiegen. Zwar gibt es weiter Widerstand gegen den Plan von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD), der eine Entschuldu­ng der Kommunen mit hohen Kassenkred­iten sowie die Kompensati­on Corona-bedingter Gewerbeste­uer-Ausfälle plant. Die CDU/ CSU-Bundestags­fraktion hat jetzt aber ein eigenes Konzept vorgelegt, in dem sie sich von der bisherigen Linie verabschie­det, dass Finanzprob­leme

der Kommunen den Bund nichts angingen. Das Thema könnte heute beim Spitzentre­ffen der Koalition eine entscheide­nde Rolle spielen. Dabei sollen Milliarden-schwere

Beschlüsse gefasst werden, um die Wirtschaft nach der Corona-Krise anzukurbel­n.

Die Unionsfrak­tion lehnt zwar eine Übernahme der Kommunal-Kredite durch den Bund weiterhin ab, plant aber Verbesseru­ngen. So soll der Bund die Kommunen bei den Sozialausg­aben entlasten und statt der Hälfte künftig drei Viertel der „Kosten der Unterkunft“für die Wohnungen

von Hartz-IV-Beziehern übernehmen. Davon würden vor allem struktursc­hwache Regionen wie der Regionalve­rband Saarbrücke­n profitiere­n. Die Entlastung betrage hier bis zu vier Milliarden Euro im Jahr, so die Union. Außerdem soll der Bund 2020 und 2021 auf seinen Anteil an der Gewerbeste­uer verzichten, was den Kommunen 3,3 Milliarden Euro bringe. Der Bund soll zudem etwa beim kommunalen Investitio­nsprogramm und der Städtebauf­örderung einen höheren Anteil übernehmen.

„Dies ist nicht unsere Wunschvors­tellung, in der Summe aber kein schlechter Vorschlag, da er dauerhaft Unterstütz­ung gibt, Investitio­nskraft fördert und finanziell­e Entlastung bringt“, erklärte der Präsident des Saarländis­chen Städte- und Gemeindeta­ges, Hermann Josef Schmidt (CDU), zu dem Unions-Plan. Die Altschulde­nhilfe wäre aber „ein Schulden-Befreiungs­schlag“.

Wie kann die deutsche Wirtschaft wieder aus dem Corona-Tief kommen? Mit einem milliarden­schweren Konjunktur­programm. Darüber ist sich die große Koalition im Grundsatz einig. Nur wie und was genau, daran scheiden sich noch die Geister. An diesem Dienstag soll im Koalitions­ausschuss über das Programm entschiede­n werden. Ein Überblick über die diskutiert­en Maßnahmen:

Kaufprämie: Die Automobili­ndustrie sei das „Herzstück“der deutschen Wirtschaft, sagt CSU-Chef Markus Söder. An der Branche hängen mehr als 850 000 Jobs. Bereits in der Finanzkris­e vor zehn Jahren gab es eine Abwrackprä­mie, um den Kauf von Neuwagen anzukurbel­n. Etwas Vergleichb­ares soll auch diesmal kommen. Ob ausschließ­lich für Elektroaut­os und Hybrid-Modelle oder auch für Verbrenner, war bis zuletzt umstritten. Während die SPD aus ökologisch­en Gründen ausschließ­lich alternativ­e Antriebe stärker fördern will, pochen Teile der Union und Auto-Länder wie Bayern oder Baden-Württember­g auch auf Absatzhilf­en für moderne Diesel und Benziner. Im Gespräch ist darüber hinaus eine Mobilitäts­prämie als Anreiz zum Kauf von Fahrrädern oder einer Bahncard.

Mittelstan­d: Für Unternehme­n mit bis zu 249 Beschäftig­ten sollen von Juni bis Dezember Überbrücku­ngshilfen bereitgest­ellt werden – monatlich bis zu 50 000 Euro. Darauf dringt Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU). Der Plan versteht sich als weitere Liquidität­shilfe, um drohende Pleiten bei Firmen, Solo-Selbststän­digen und Freiberufl­ern abzuwenden. Die Kosten des Programms werden auf mindestens 25 Milliarden Euro veranschla­gt.

Kommunen: Wegen der wirtschaft­lichen Flaute bricht das Gewerbeste­ueraufkomm­en bei den Kommunen ein. Nach dem Willen von Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) sollen Bund und Länder fast 57 Milliarden Euro locker machen, um gegenzuste­uern. Der größte Teil des Geldes ist allerdings für die Übernahme der Altschulde­n bestimmter Kommunen gedacht, die auch schon vor der Corona-Krise stark gebeutelt waren. Die Union sperrt sich gegen die Altschulde­nübernahme – und lockt mit einem Gegenkonze­pt. Um die Kommunen zu entlasten, soll der Bund stattdesse­n einen höheren Anteil der Wohnkosten für Langzeitar­beitslose übernehmen, sich stärker am kommunalen Investitio­nsprogramm beteiligen und vorübergeh­end auf den Anteil bei der Gewerbeste­uerumlage verzichten.

Familien: Im Grundsatz herrscht in der Koalition Einigkeit, Familien besser zu unterstütz­en und damit gleichzeit­ig der Konjunktur einen Dienst zu erweisen. Die SPD pocht deshalb auf eine Einmalpräm­ie von 300 Euro pro Kind. Sie soll nicht auf Hartz IV angerechne­t werden, also auch einkommens­schwachen Familien voll zu Gute kommen. Die Union in Gestalt des nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet hatte sogar eine Einmalzahl­ung von 600 Euro pro Kind angeregt. In der CSU gibt es allerdings Vorbehalte gegen den Bonus.

Soli-Zuschlag: Schon im vergangene­n Jahr hatte der Bundestag die weitgehend­e Abschaffun­g des Solis beschlosse­n. Allein die oberen zehn Prozent der Einkommens­bezieher bleiben außen vor. Zudem soll die Maßnahme erst ab dem Jahr 2021 in Kraft treten. Schon seit Monaten wird in der Koalition über diese beiden Punkte neu diskutiert. Mittlerwei­le will die SPD den Soli schon zum 1. Juli weghaben. Die oberen zehn Prozent sollen aber weiter zahlen wie gehabt. Teile der Union unterstütz­en das Vorziehen, plädieren aber für eine Soli-Komplettab­schaffung. Eine Kompromiss­lösung galt hier bis zuletzt als unwahrsche­inlich.

Strompreis: Zur Entlastung von Privathaus­halten wird auch eine Senkung des Strompreis­es erwogen. Dazu soll die EEG-Umlage, also der Obolus für den Ausbau der erneuerbar­en Energien, womöglich stärker reduziert werden als bislang festgelegt. Der Anteil der EEG-Umlage liegt derzeit bei etwa einem Fünftel des durchschni­ttlichen Strompreis­es. Im Zuge des im vergangene­n Herbst beschlosse­nen Klimaschut­zpakets ist bereits eine schrittwei­se Senkung der EEG-Umlage ab 2021 vorgesehen. Im Gegenzug sollen sich Sprit, Heizöl und Erdgas verteuern.

Kosten: Bereits im März hatten Bundestag und Bundesrat neue Schulden in Höhe von 156 Milliarden Euro zur Abfederung der Corona-Epidemie genehmigt. Die Kosten für das angepeilte Konjunktur­paket könnten sich nun auf weitere 75 bis 80 Milliarden Euro summieren. Das müssen aber nicht im gleichen Umfang neue Kredite sein. Berichten zufolge ist von den 156 Milliarden Euro nämlich noch ein großer Teil übrig.

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FOTO: B&K Der Chef des Saar-Städte- und Gemeindeta­ges, Hermann Josef Schmidt, hofft auf Entlastung­en.
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FOTO: WOITAS/DPA Ein Porsche-Mitarbeite­r arbeitet im Leipziger Werk an einem Neuwagen. Die Koalition diskutiert über Kaufprämie­n zur Stärkung der Autoindust­rie.

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