Hoffen auf Aktionsplan gegen Armut
Die Corona-Krise hat Arme und Bedürftige besonders hart getroffen. Vor allem Kinder litten auch unter den Folgen der Pandemie, warnt die Saarländische Armutskonferenz.
Unter der Corona-Krise leiden vor allem die Kinder bedürftiger Familien, warnt die Saarländische Armutskonferenz. Lösungsansätze erwartet sie im Aktionsplan gegen Armut der Landesregierung. Der soll jetzt kommen.
Die Corona-Krise trifft arme Menschen besonders hart, warnt Wolfgang Edlinger, Vorsitzender der Saarländischen Armutskonferenz. Von einen auf den anderen Tag hätten sie die Hilfe verloren, die sie dringend benötigten. So wurden etwa Beratungsstellen geschlossen, ebenso die Tafeln. „Das war zwar absolut richtig. Weil dort auch viele ältere Menschen hingehen und die Räume sehr klein sind“, sagt Edlinger. Gleichzeitig aber habe die Politik die „Lebenswirklichkeit“dieser Menschen nicht im Blick.
Auch vorher nicht. Die Regelungen, die die Politik zur Existenzsicherung der von Armut betroffenen Menschen auf den Weg gebracht hatte, seien alles andere als „armutsfest“, sagt Edlinger. Das System sei „sehr fragil“. Die Krise habe das nun umso deutlicher gezeigt.
Derzeit am stärksten betroffen seien nach Edlingers Einschätzung Kinder bedürftiger Familien und Alleinerziehender. Ihnen fehlt durch die Kita- und Schulschließungen beispielsweise das Mittagessen. Bedenkt man, dass etwa einem „fünfjährigen Kind ein Tagessatz von 2,88 Euro für Lebensmittel und Getränke“zusteht, und nun auch noch das Mittagessen weggefallen ist, „dann kommen die Familien ganz schön ins Schleudern“. Sie könnten auch nicht planbar einkaufen. Positiv sei zumindest, sagt Edlinger, dass auf Betreiben des Saar-Bildungsministeriums die Mittagessen in den Schulen wieder nach und nach anlaufen würden. „Kinder sollen dadurch stundenweise wieder an die Schule herangeführt werden“, erklärt der Vorsitzende der Armutskonferenz. Lukas Münninghoff vom Bildungsministerium betätigt, dass es im eingeschränkten Notbetrieb möglich ist, „den Kindern ein Mittagessen über einen Caterer anzubieten“. Allerdings seien noch nicht alle Kinder, die ursprünglich die freiwilligen Ganztagsschulen (FGTS) besucht hatten, in der Notbetreuung. Derzeit prüfe das Ministerium, diesen Kindern die Teilnahme am Mittagessen in der Schule ebenfalls anzubieten. „Für die sozial beziehungsweise wirtschaftlich benachteiligten Kinder wäre das Mittagessen wie gewohnt in der FGTS beitragsfrei“, sagt Münninghoff.
In den vergangenen Tagen ist auch von vielen Rettungsschirmen die Rede gewesen. In diesem ganzen Geschehen seien Bedürftige aber „alleine gelassen“worden, kritisiert Edlinger. Er fordert eine Soforthilfe, die nicht auf den Hartz-IV-Regelsatz angerechnet wird. Über die Höhe der Hilfe könne durchaus diskutiert werden. Die Saarländische Armutskonferenz schlägt 100 Euro vor. Das Sozialministerium lehnt einen solchen Hilfsfonds allerdings ab. „Die Auszahlung jeglicher Art einer Soforthilfe ist nicht unproblematisch, denn eine Anrechnung auf andere bestehende Sozialleistungen, wie SGB II, Grundsicherung oder Wohngeld würde damit verrechnet. Somit würde die Soforthilfe nicht beim Menschen ankommen“, teilte das Ministerium auf Anfrage der SZ mit. Dem Vorschlag, Bedürftigen über Lebensmittelgutscheine finanziell unter die Arme zu greifen, hat das Ministerium ebenfalls vor einigen Tagen einen Riegel vor geschoben. „Da Gutscheine mit dem SGB-II-Leistungsbezug verrechnet werden müssten. Für die Betroffenen würden die Gutscheine dadurch keine langfristige Hilfe darstellen“, sagte Ministerin Monika Bachmann (CDU).
Edlinger hofft letztlich, dass zumindest der zweite Aktionsplan gegen Armut dazu etwas beitragen kann. Aber der müsste „endlich mal umgesetzt“werden. „Möglichst noch vor den Sommerferien.“Der Plan war eigentlich schon für September vergangenen Jahres vorgesehen gewesen. Dann wurde der Termin auf den 23. Januar verschoben, der dann ebenfalls geplatzt ist. Begründung: In einem Telefonat hätten der Vorsitzende des Saarländischen Städte- und Gemeindetages, Tholeys Bürgermeister Hermann Josef Schmidt (CDU), und der Vorsitzende des Saarländischen Landkreistages, Landrat Patrik Lauer (SPD), gegenüber Ministerin Bachmann
betont, dass die kommunalen Spitzenverbände dem vorliegenden Aktionsplan noch nicht zustimmen könnten. Tatsächlich verabschiedet wurde der Plan nach Angaben des Sozialministeriums schließlich am 19. Februar. Umgesetzt ist er aber noch nicht.
Vergangene Woche ist der Beirat zur Armutsbekämpfung in einer Telefonschaltkonferenz zusammengetreten, um nochmals ausführlich die nächsten Schritte zur Umsetzung des Aktionsplans während der Corona-Pandemie zu besprechen, heißt es aus dem Ministerium.
„Zäh“nennt Edlinger die Verhandlungen über einige Themen. Für die Saarländische Armutskonferenz ist vor allem wichtig, dass in Kitas und Schulen auch ein kostenloses Mittagessen für Kinder von Geringverdienern im Aktionsplan verankert wird. Denn die müssen bislang noch einen Euro anteilig zuzahlen „Das ist ein riesiger, bürokratischer Aufwand“, sagt Edlinger. Zudem sollen durch den Plan Stromsperren verhindert werden. Zu Beginn der Pandemie hatte sich Saar-Verbraucherschutzminister Reinhold Jost (SPD) mit den saarländischen Energieversorgern und Netzbetreibern darauf geeinigt, Stromsperren in Privathaushalten während der Corona-Pandemie aufzuheben. Edlinger fordert, dass diese Regelung auch über die Krise hinaus für die ärmsten Mitglieder der Gesellschaft bestehen bleibt.
Mit dem kürzlich von der SPD-Fraktion im Landtag eingebrachten Wohnungsaufsichtsgesetz sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung gegen so genannte Schrottimmobilien unternommen worden, sagt Edlinger. Die Wohnungssituation müsse aber weiter im Blick behalten werden. Auch hier müsse durch den Aktionsplan eine Regelung geschaffen werden, etwa bezahlbarer Wohnraum.
All diese Themen seien im Aktionsplan enthalten und befänden sich „zum Teil wie beispielsweise der Notfallfonds für Stromsperren und der Wegfall der 1-Euro-Regel auch für Geringverdiener bereits in der Vorbereitung zur Umsetzung“, teilte das Sozialministerium vergangene Woche auf Anfrage mit. Im Detail soll der Plan „noch vor den Sommerferien“vorgestellt werden.